"Zug der Erinnerung":Gleis 35: Deutsche Vergangenheit

Ende der Kindheit: Eine Ausstellung am Münchner Bahnhof dokumentiert die Deportation von Kindern in die NS-Vernichtungslager.

Christina Warta

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Der 8. März 1943 war der Tag, an dem die Kindheit von Hugo Höllenreiner endete und ein Martyrium begann. Es war jener Tag, an dem die SS bei Höllenreiners vor der Haustür stand. "Sie haben uns in einen Laster geschoben und in Arrestzellen in der Ettstraße gesperrt", erzählt er, "nach drei Tagen haben sie uns am Güterbahnhof in einen fast luftdichten Viehwaggon getrieben." Foto: Stephan Rumpf

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Tagelang rattert der Zug dahin, in dem Kinder und Erwachsene ohne Toiletten und ohne Verpflegung zusammengepfercht sind. Als Hugo Höllenreiner aus dem Zug aussteigt, ist er in Auschwitz. Jetzt ist der Neunjährige die Nummer 3529. Auf Gleis 35 des Hauptbahnhofs steht noch bis Sonntag, 3. Mai, ein ganz besonderes Gefährt: der "Zug der Erinnerung". Die historische Dampflok und ihre Anhänger erinnern an die Deportation von Kindern und Jugendlichen im Nationalsozialismus.

Foto: Stephan Rumpf

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In den ehemaligen Abteilen kann man eine erschütternde Ausstellung über die Schicksale jüdischer Heranwachsender, die der Kinder von Sinti und Roma oder über Behinderte besichtigen. Es werden die allzu kurzen Lebensgeschichten erzählt wie jene der kleinen Graciella, die eines schönen Tages in ihrem neuen Sonntagskleid abgelichtet - und am nächsten Tag in ein Vernichtungslager gebracht wurde.

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Auch in München wurden Kinder in Viehwaggons gepfercht und in die Lager im Osten gebracht. In Berg am Laim und Milbertshofen starteten die Züge, nach Erkenntnissen des Stadtarchivs kehrten mindestens 204 Minderjährige nicht zurück. "Mindestens 312 Kinder und Jugendliche aus München waren unter den Opfern der Shoa", sagte Oberbürgermeister Christian Ude bei der Eröffnung der Ausstellung - nicht mitgerechnet jene Opfer, die vertrieben oder auf andere Art von den Nazis ermordet oder in den Tod getrieben wurden. Das jüngste Kind war gerade mal 15 Monate alt.

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Doch die Ausstellung erinnert nicht nur an die schrecklichen Transporte in die Konzentrationslager, sie prangert auch die Rolle der Bahn im Dritten Reich an. "Viele Institutionen haben sich jahrzehntelang der Aufarbeitung entzogen", erklärt Ude, "auch die Reichsbahn hat es verstanden, sich als wertfreien Dienstleister darzustellen." Und Margot Kleinberger, die als Kind ins KZ Theresienstadt deportiert worden war, ergänzt nach der Verlesung eines Grußwortes von Charlotte Knobloch, Präsidentin der Kultusgemeinde: "Das alles hätte ohne die deutsche Reichsbahn nicht stattfinden können."

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Die Deutsche Bahn AG interessiert sich dennoch nicht sonderlich für den "Zug der Erinnerung". Kein Vertreter des Unternehmens ist zur Eröffnung gekommen, für die digitale Anzeigentafel an Gleis 35 hat man eine winzige Schrift gewählt. Dafür, dass der Zug am Hauptbahnhof stehen darf, stellt die Bahn "rund 1000 Euro täglich" in Rechnung, erklärt Vereinssprecher Hans-Rüdiger Minow. Und München ist nicht die erste Station: "Bisher haben wir schon 150000 Euro Gebühren bezahlt", sagt Minow. Anfragen, ob die Bahn diese Kosten nicht übernehmen wolle, wurden abschlägig beantwortet. In München übernimmt deshalb die Stadt die Kosten.

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Der "Zug der Erinnerung", steht noch bis zum Sonntag, 3. Mai, auf Gleis 35 des Münchner Hauptbahnhofs. Die Ausstellung kann täglich zwischen 8.30 Uhr und 19 Uhr besichtigt werden. Schulklassen sollten ihren Besuch unter www.pifwe.muc.kobis.de anmelden.

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Text: SZ vom 28. April 2009

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