Süddeutsche Zeitung

Zu wenig Quartiere für Asylbewerber:Flüchtlinge sollen in Schulen und Zelten leben

Viele Kommunen entwerfen Krisenszenarien, weil sie nicht wissen, wo sie Asylbewerber unterbringen sollen. Sie denken über Notquartiere in Containern, Schulen oder Zelten nach. Die angespannte Lage könnte schon bald auf eine Eskalation hinauslaufen.

Von Stefan Mühleisen und Gerhard Eisenkolb

Die angespannte Lage bei der Unterbringung von Flüchtlingen in München und im Umland könnte schon bald an mehreren Orten auf eine Eskalation hinauslaufen. Einige Landräte kündigen an, Asylbewerber wegen fehlender Alternativen in Notquartieren wie Zelten und Schulturnhallen unterbringen zu müssen.

Besonders drastisch ist die Situation im Landkreis München. Dort hat Landrätin Johanna Rumschöttel (SPD) bereits Notfallpläne für Zeltlager mit dem Technischen Hilfswerk (THW) abgestimmt. "Wir sind in höchster Alarmbereitschaft, es kann schon übermorgen aktuell werden", sagte die Behördenchefin am Montag.

Bereits seit Monaten weist die Regierung von Oberbayern den Kommunen eine immer weiter steigende Zahl von Flüchtlingen aus Krisengebieten zu, da die staatlichen Sammelquartiere überfüllt sind. Doch die Landratsämter haben Probleme, Grundstücke oder einzelne Wohnungen zu finden. Im Landkreis München sind nach Behördenangaben derzeit 360 Flüchtlinge untergebracht. Im Herbst sollen es bereits 560 und bis zum Jahresende 700 Menschen sein. Da es an nötigen Quartieren fehlt, werden nun die Notfallpläne konkretisiert.

Unterkunft in Schule oder Turnhalle

Schon in den Sommerferien könnten in den kreiseigenen Schulen Asylbewerber einquartiert werden, kündigt Rumschöttel an. Die Einrichtungen des Kreisjugendrings in Pullach - auch hier ist ein Zeltplatz vorgesehen - und Oberschleißheim kommen ebenfalls in Frage. Außerdem fordert sie die Staatsregierung zu mehr Unterstützung auf. Vor allem der Immobiliengesellschaft des Freistaates Bayern (IMBY) wirft Rumschöttel zu wenig Kooperationsbereitschaft vor.

Auch im Landkreis Fürstenfeldbruck könnte es zu einem Krisenszenario kommen, bei dem Flüchtlinge in Zelten einquartiert werden. Für Landrat Thomas Karmasin (CSU) ist das ebenfalls nur eine Notlösung. Sollte es ihm aber nicht gelingen, in den nächsten Tagen weitere leer stehende Wohnungen anzumieten, sieht er keine andere Möglichkeit.

Vorrang vor der Zeltlösung hat für Karmasin jedoch die Einweisung in Schulturnhallen. Allerdings nennt er all diese Überlegungen "verheerend", da die beengte Situation in Zelten und Turnhallen sehr belastend für die Betroffenen sei. Als Gelände für Zelte von THW und Bundeswehr kommt das Freizeitgelände am Mammendorfer Badesee in Frage.

Die Verwaltung des Landkreises Ebersberg stellt sich ebenfalls auf eine zugespitzte Lage ein. "Wir stehen Gewehr bei Fuß zur Einrichtung von Notunterkünften", sagt der Büroleiter des Landrates, Norbert Neugebauer. Erst vergangene Woche seien 13 Personen aufgenommen worden, für eine weitere Gruppe gebe es keinen Platz. Zeltlager seien aber nicht geplant. Allerdings ist die Behörde gut vorbereitet, eine Schulturnhalle zu akquirieren. Bereits im März 2012 wäre es fast dazu gekommen. Doch die Regierung von Oberbayern gewährte dem Landkreis Aufschub. "Wir können das innerhalb von zwei Wochen organisieren", sagt Neugebauer.

Zelte als letzte Lösung

In Dachau prüft die Verwaltung gerade die letzten verbliebenen Optionen für Grundstückskäufe, um darauf Containermodule zu errichten. "Wenn das nicht klappt, kann ich nicht mehr ausschließen, Zelte aufzustellen oder Turnhallen als Flüchtlingsherbergen einzurichten", sagt Landrat Hansjörg Christmann (CSU).

Er hält es für nicht unwahrscheinlich, dass dieser Fall noch vor den Sommerferien eintreten könnte, wenn der Landkreis weitere Flüchtlinge aufnehmen muss. Ebenso wie Johanna Rumschöttel fordert auch er, mehr Kooperation von der IMBY. "Es müssen dringend bürokratische Hemmnisse für den Erwerb von Grundstücken abgebaut werden", sagt Christmann.

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SZ vom 16.07.2013/wib
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