Nun hat sich auch die bayerische Staatsregierung offiziell mit dem Rücktritt des Pfarrers von Zorneding befasst: Der Ministerrat sei "zutiefst betroffen, wie viel Hass und Menschenverachtung sogar bei uns hier in Altbayern möglich sind", sagte Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) am Dienstag nach der Kabinettssitzung.
Er bedaure, dass wenige Spalter in der Gesellschaft es geschafft hätten, Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende mit rassistischen Morddrohungen zu vertreiben. Der Seelsorger hatte am Sonntag seinen Rücktritt erklärt, weil er anonyme Drohungen bekommen hatte. Dem war im Herbst ein heftiger Streit mit der damaligen Zornedinger CSU-Chefin Sylvia Boher über Flüchtlingspolitik vorausgegangen.
Ministerpräsident Horst Seehofer hatte die rassistischen Drohungen bereits am Montag scharf verurteilt, zugleich aber eine Mitverantwortung seiner Partei abgelehnt. Die Vorgänge seien damals sauber aufgearbeitet worden, die verantwortlichen Funktionäre zurückgetreten.
Rassismus:Pfarrer gibt nach Morddrohungen auf
Der Zornedinger Seelsorger hatte fremdenfeindliche Äußerungen der CSU-Chefin scharf kritisiert. Seitdem war Olivier Ndjimbi-Tshiende mehrmals mit Gewalt und Tod bedroht worden. Jetzt versetzt ihn das Ordinariat auf eigenen Wunsch.
Doch das sieht mit Sicherheit nicht jeder im Landreis Ebersberg so. Denn am Donnerstag kommender Woche wird mit Sylvia Boher diejenige, die mit ihren rechtspopulistischen Äußerungen im Parteiblatt Zorneding Report die Ereignisse ausgelöst hatte, wohl wieder auf ihrem gewohnten Stuhl im Zornedinger Sitzungssaal Platz nehmen.
In den Augen vieler örtlicher CSU-Politiker handelt sich dabei um gar keine Affäre
Sie ist als örtliche CSU-Vorsitzende, nicht aber als Gemeinderätin zurückgetreten. Den Rückzug von Olivier Ndjimbi-Tshiende kommentiert sie auf Spiegel Online knapp so: "Im Leben gibt es immer Ankünfte und Gehen. Das ist ein normaler Prozess."
Das ist auch eine Art Schlussstrich unter der Affäre - allerdings wohl ein anderer, als sich ihn die CSU schon seit Monaten gewünscht hatte. In den Augen vieler örtlicher CSU-Politiker handelt sich dabei um gar keine Affäre. Meinungsfreiheit, Privatmeinung, das waren die Argumente, die CSU-Vertreter in der Gemeinde und im Landkreis damals im Herbst anführten, als Boher gegen Flüchtlinge hetzte.
Sie mokierte sich damals im Beitrag für die Parteizeitung über die Hilfsbereitschaft vieler Deutscher und zog zudem noch über Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck und deren ostdeutsche und evangelische Herkunft her. "Pointiert und zugespitzt" sei das durchaus, aber im Parteiblatt werde eben keine Zensur geübt, sagte damals CSU-Kreischef Thomas Huber.
Dass damit außerhalb von Parteikreisen die Debatte nicht beendet war, erstaunte Huber und die CSU ganz offensichtlich. Es gab Krisensitzungen, Konsequenzen blieben aber aus. Landrat Robert Niedergesäß forderte schließlich ohne Umschweife Boher zum Rücktritt auf, damit "weiterer Schaden von der CSU, der Gemeinde und dem Landkreis" abgewendet werde. Wenige Tage später folgte dann tatsächlich ihr Rücktritt als Ortsvorsitzende.
Eine kritische Stellungnahme verhinderte die CSU - gemeinsam mit der AfD
Ihre anderen Ämter behielt sie: Ein Rückzug aus dem Gemeinderat stand für sie nicht zur Debatte, sehr zum Entsetzen der übrigen Fraktionen, die sich zu einer "vertrauensvollen Zusammenarbeit" mit ihr nicht mehr in der Lage sahen.
Bei der CSU hingegen machten sogar diejenigen, die zunächst mit klaren Worten zu Boher aufgefallen waren, eine unglückliche Figur: Als Politiker in der Nachbargemeinde Vaterstetten eine kritische Stellungnahme des Gemeinderats zur Boher-Affäre verabschieden wollten, verhinderte das die CSU - gemeinsam mit der AfD.
Zorneding:Das schwarze Loch der CSU
Ein rechtspopulistischer Artikel und eine rassistische Beleidung: Die fremdenfeindlichen Entgleisungen des Ortsverbands Zorneding suchen ihresgleichen. Nun gibt es wohl Konsequenzen.
Alles nicht so toll gelaufen? Das findet Kreisvorsitzender Thomas Huber selbst nach den Morddrohungen und den Rückzug von Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende nicht. "Ich glaube im Nachhinein, dass unser Vorgehen richtig war", sagt er. Eine Rücktrittsforderung könne man schließlich auch nur aussprechen, wenn diese Erfolg versprechend sei.
Rückendeckung bekommt Huber von seiner Vorgängerin, der Europaabgeordneten und stellvertretenden CSU-Parteivorsitzenden Angelika Niebler: "Thomas Huber hat das gut gemacht, es wurde intensiv diskutiert, alles aufgearbeitet." Es sei auch schnell eine Distanzierung von Bohers Aussagen erfolgt.
Bezirksvorsitzende Ilse Aigner hat sich bereits am Montag gegen Vorwürfe verwahrt, die CSU habe die Eskalation mitzuverantworten: Einen solchen Zusammenhang herzustellen sei "böswillig". Nachdenklichere Töne schlägt Landrat Niedergesäß an: "Ob eine konsequentere Handhabung dazu geführt hätte, dass das alles nicht passiert wäre, ist spekulativ", sagt er. Nun trage jedenfalls der CSU-Ortsverband ein besonderes Maß an Verantwortung.