Zoo im Wandel:Ein Masterplan mit Unbekannten

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Nach dem Tod von Braunbärin Olga wäre der Platz frei, um mit dem Bau des Löwengeheges zu beginnen - doch zuerst will der Zoo sein Gesamtkonzept noch einmal evaluieren

Von Philipp Crone, München

Ob Olga noch einmal aus dem Winterschlaf erwacht, das war in den vergangenen Jahren immer wieder eine spannende Frage, aus unterschiedlichen Gründen. Die Braunbärin, die im Frühjahr gestorben ist, war 41 Jahre alt. Es gibt Tierparkbesucher, die täglich in den Zoo gehen und seit Jahren täglich an Olgas Gehege vorbeikamen. Sie hofften jedes Jahr, dass es dem Tier gut geht, dass es wieder aufwacht und sie es weiter beobachten können. Und es gab die Mitarbeiter des Tierparks wie zum Beispiel Beatrix Köhler, Leiterin der Zoologischen Abteilung. Auch Köhler freute sich, wenn es Olga im Frühjahr gut ging. Gleichzeitig hatte sie immer auch den Plan im Kopf, wie es nach Olgas Tod weitergehen würde. Die Baugenehmigung für eine neue Anlage auf dem Anwesen der Braunbärin war ja schon erteilt.

In einem Zoo geht es jeden Tag um Leben und Tod. Tiere werden geboren, Tiere sterben. Und der Zoo muss planen. Schon vor dem Tod und der Geburt der Tiere, wie bei Olga. Für die Löwen, die im Jahr 2021 einziehen sollen, so lautet zumindest derzeit der Plan. Am Anfang einer langfristigen Zoo-Belegung steht eine geschätzte Lebenserwartung. "Vor vier Jahren sind wir davon ausgegangen, dass Olga vielleicht noch drei bis fünf Jahre lebt", sagt Köhler. Gestorben ist sie Ende Juni 2018. Es war bereits früh klar, dass diese Tierart nach dem Tod von Olga in München nicht mehr beheimatet sein würde. "Zum einen gehört der europäische Braunbär nicht zu den stark bedrohten Arten, außerdem braucht er sehr viel Platz und man kann ihn auch im Wildpark Poing sehen, wenn man möchte." Ein Aspekt des auf Jahrzehnte angelegten Hellabrunner Masterplans ist aber vor allem die Haltung und Zucht von bedrohten Arten.

Auf Braunbären verzichtet der Tierpark künftig, auch weil die Art nicht bedroht sei. (Foto: Marc Müller/Hellabrunn)

"Damals schon hätten wir sagen können, dass wir Olga abgeben an den Bärenpark in Bad Füssingen", sagt Köhler. Dann hätte man das Bauvorhaben gleich umsetzen können. Aber es gibt eben die Stammbesucher, außerdem ist ein Bär ein sehr beliebtes Tier in einem Zoo. In den Achtzigerjahren waren es vier in Hellabrunn, nun war Olga noch übrig. Der Masterplan sieht generell immer weniger Arten vor, die auf größeren Flächen gehalten werden. Von den ehemals zehn Großkatzen-Arten gibt es gerade noch zwei in München.

Man ließ Olga also einfach in Ruhe, "bevor es uns ergeht wie den Kollegen im Kölner Zoo", sagt Köhler. Dort lebt eine alte Grizzlybärin, die der Tierpark am Rhein gerne abgeben würde, um eine Jaguaranlage zu bauen. Doch kein anderer Zoo nimmt den Kölnern das Tier ab.

Ursprünglich sollte gleich nach Olgas Ableben der Umbau der Anlage für die Löwen beginnen. Doch da war noch nicht klar, dass man das Hauptrestaurant des Zoos grundüberholen lassen muss, unter anderem wegen verschärfter Brandschutzvorschriften. Zudem ist das Mühlendorf erst im kommenden Jahr fertig, "und dann wird es 2020 eine Evaluierung des Masterplans geben", sagt Köhler. Der Zoo prüft dabei noch einmal mit der Erfahrung der vergangenen Jahre, wie die Umsetzung des Masterplans funktioniert und vorangeht. "Deshalb wird im Jahr 2020 nicht gebaut." Die Löwenanlage soll 2021 entstehen.

Beatrix Köhler, Leiterin der Zoologischen Abteilung. (Foto: Marc Müller/Hellabrunn)

Derzeit sind afrikanische Löwen zwar noch nicht stark bedroht, "aber leider nah dran", sagt Köhler. Und es geht bei der Wahl der Tiere auch nicht ausschließlich um den Artenschutz. "Ein bayerischer Zoo ohne Löwen? Das ginge ja auch nicht." Auf der neuen Anlage wird dann eine neue Stallung entstehen, eine beheizbare, auch die Fläche wird vergrößert, "das wird schon ein paar Millionen kosten".

Und die Planungen gehen danach weiter, auf Jahrzehnte hinaus. Wenn die Löwen ein neues Gehege haben, kommt der Bereich der europäischen Wölfe dran. "Nach dem Masterplan wären sie in Zukunft nicht mehr bei uns im Zoo", sagt Köhler, "aber durch die aktuelle Entwicklung, dass der Wolf wieder in Deutschland einwandert, wird sich das sehr wahrscheinlich bei der Evaluierung ändern." Dann ist der Tierpark zwar in dem Fall kein Zuchtort für Wölfe, sondern einer, an dem man sich über die wieder heimische Art der Raubtiere informieren kann. So wie das bei vielen Arten im Mühlendorf der Fall ist.

Von den drei Wölfen, die bislang auf der Anlage lebten, ist nur noch einer übrig. Die anderen Tiere sind 2017 und 2018 gestorben, an Altersschwäche. Das verbleibende Tier ist mit 13 Jahren ebenfalls schon betagt, aber da wird es dann wohl nach dessen Tod Ersatz aus anderen Zoos geben. "Im Masterplan steht an der Stelle für die Zukunft ein Afrikanisches Dorf", sagt Beatrix Köhler, "aber bis dahin ist auf jeden Fall noch Zeit für eine Generation an Wölfen." Und dann irgendwann vielleicht auch wieder für Braunbären?

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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