Zoll:Wenn der Koffer zum Versteck wird

Jahrespressekonferenz Zoll

Zusammen mit ihrem Spürhund sucht eine Zollbeamtin am Münchner Flughafen nach Drogen im Gepäck - 2016 wurden 308 Kilogramm entdeckt.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Verschnürte Schildkröten, eine hier unbekannte Droge und Kokain im Kinderbuch: Was die Beamten vom Zoll bei ihren Kontrollen am Flughafen finden.

Von Thomas Schmidt

Kiloweise Drogen, betrügerische Firmen, chinesische Fälschungen und verschnürte Schildkröten: Als Zöllner bekommt man es mit viel krimineller Energie zu tun, aber auch mit ganz alltäglichen Kontrollen. Die Herausforderungen werden komplexer, mit dem Öffnen einiger Koffer am Flughafen ist es längst nicht getan.

Doch die Mühe lohnt sich, auch finanziell: Am Dienstag hat das Hauptzollamt München die Bilanz 2016 veröffentlicht, laut der die Beamten 7,7 Milliarden Euro erwirtschafteten. Im Vergleich zu anderen Hauptzollämtern sei man "sehr gut dabei", lobt Pressesprecher Thomas Meister die Arbeit seiner Kollegen.

Einnahmen

Den mit Abstand größten Anteil an den 7,7 Milliarden Euro - rund 5,4 Milliarden - machen Verbrauchssteuern aus, also alles von der Branntwein- über die Kaffee- bis zur Tabaksteuer. Die Einnahmen bei den Zigaretten seien im Vergleich zum Vorjahr fast um eine Milliarde zurückgegangen, berichtet Meister, der Rest bewege sich auf dem Niveau des Vorjahres.

Das Geld fließt in die Kassen von Bund und Europäischer Union. Auch für den Freistaat Bayern fällt noch etwas ab: Ihm gebührt die Biersteuer, die im Jahr 2016 rund 43 Millionen Euro ausmachte. Alkoholfreies Bier ist übrigens von der Steuer ausgenommen, die Limo im Radler hingegen nicht.

Drogen

In manchen Jahren fangen die Zöllner am Flughafen rund 50 Kilogramm Rauschgift ab, erklärt Meister. Doch 2016 stellten sie mit 308 Kilo ein Vielfaches davon sicher. Es waren aber keine synthetischen Designerdrogen, Kokain oder Marihuana, was die Ermittler in so großen Mengen aus dem Verkehr zogen, sondern insgesamt 264 Kilogramm einer uralten Droge, die mancherorts schon im Mittelalter verboten war: Kath.

Die Blätter des Kathstrauchs werden abgezupft, gekaut und sollen eine stimulierende Wirkung entfalten. In einigen afrikanischen und arabischen Ländern gilt Kath als Alltagsdroge. In Großbritannien sind die Blätter legal, in Deutschland fallen sie unter das Betäubungsmittelgesetz. In den Jahren 2013 und 2014 fanden die Münchner Zöllner kein einziges Blatt, 2015 tauchten dann insgesamt 542 Kilogramm am Flughafen auf und im vergangenen Jahr immerhin noch 264 Kilo. Woher der sprunghafte Anstieg kommt? "Dafür habe ich auch keine Erklärung", sagt Meister.

Was die Menge betrifft, war Kath bei weitem der Spitzenreiter. Aber nicht was die Giftigkeit geschmuggelter Substanzen anbelangt. So wurde beispielsweise eine 40-jährige Frau erwischt, als sie in ihrem Handgepäck 4,5 Liter Dimethyltryptamin, kurz DMT, von Brasilien in die Niederlande bringen wollte.

Der Stoff löst starke Halluzinationen aus, wird er geraucht, ist er unter dem Namen "Freebase" bekannt. Bei einem anderen Fall wurden Zöllner stutzig, als sie ungewöhnlich schwere Kinderbücher in den Händen hielten. Sie untersuchten die Seiten gründlich und stellten fest, dass ein Kilogramm Kokain in sie eingearbeitet war.

Teure Mitbringsel und ein verstörender Fund

Schwarzarbeit

Der klassische Fall, dass Zollbeamte eine Baustelle kontrollieren und ein ganzer Trupp Arbeiter unangemeldet schuftet, "den gibt es eigentlich nicht mehr", sagt Meister. Die Realität sei komplizierter: Mal sind die Arbeiter zwar ordnungsgemäß gemeldet, malochen aber doppelt so viele Stunden wie angegeben. Ein andermal stimmt die Stundenzahl, aber der Mindestlohn wird unterschritten.

Doppelte Buchführung, verschleierte Zahlungen durch Subunternehmer - es gibt viele Tricks, mit denen Firmen illegal Steuern sparen. Die "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" hat im vergangenen Jahr 850 Unternehmen überprüft, besonders intensiv blicken die Beamten dabei auf die Gastronomie- und die Baubranche. Dabei wurde ein Schaden von 18,5 Millionen Euro ermittelt (2015 waren es zwölf Millionen). 2500 Strafverfahren wurden abgeschlossen und Haftstrafen von insgesamt 52 Jahren verhängt.

Zoll rettet mit Klebeband umwickelte Schildkröten aus Koffer

Im Reisekoffer verstaut, umwickelt mit Klebeband, fanden Zollbeamte zwei lebendige Breitrandschildkröten.

(Foto: picture alliance / Hauptzollamt)

Gefälschte Ware

Dieses Problem wird laut Thomas Meister immer größer: Das Versenden von gefälschten Markenartikeln per Post "nimmt extrem zu", sagt der Zöllner. Die Beamten fanden im vergangenen Jahr 10 773 solcher Produkte im Wert von rund einer Million Euro. Am beliebtesten seien nachgemachte Schuhe und Elektroartikel. Man muss aber unterscheiden: Wer sich im Urlaub für den Eigengebrauch ein Paar gefälschte Turnschuhe kauft, darf sie legal im Flugzeug mit zurück nach Deutschland bringen und muss sie nicht mal beim Zoll anmelden, solange die Freigrenze von 430 Euro nicht überschritten wird.

Es ist hingegen nicht erlaubt, sich Fälschungen aus dem Ausland per Post zuschicken zu lassen. Meist wird die Ware über das Internet bestellt, laut Meister stammt ein Großteil der Kopien aus China. Entdecken die Zollbeamten solche Pakete, kann es teuer werden. Die Ware wird eingezogen, das Geld für den Kauf ist verloren und obendrauf kommt eine Geldbuße vom Zoll.

Teure Mitbringsel

Vergessen gilt nicht. Die Zollbeamten am Münchner Flughafen haben im vergangenen Jahr 1539 Strafverfahren erwirkt, weil Reisende ihre Mitbringsel nicht angemeldet hatten. Bei 2749 weiteren Fällen kamen die Touristen mit einem nachträglichen Zuschlag davon.

Ein Beispiel: Hat jemand eine Stange Zigaretten zu viel im Gepäck und wird ertappt, kostet das 38 Euro Steuern und noch mal 38 Euro Strafe, die Zigaretten aber darf man behalten. Bei zehn Stangen zu viel sieht die Sache schon anders aus, "dann gibt es eine Strafanzeige", warnt Meister. Neben Tabak sei Goldschmuck besonders beliebt, um ihn heimlich durch den Zoll zu schleusen.

Einen verstörenden Fund machten die Beamten Ende Februar 2017: Ein Ehepaar wollte seinen Kindern ein Souvenir aus Athen mitbringen. Dort hatten sie zwei große Schildkröten gefunden. Für den Transport wickelten sie die lebendigen Tiere in Klebeband, steckten sie in Plastiktüten und schnallten sie mit Gurten fest. Zu den schockierten Zöllnern, die den Schildkröten das Leben retteten, sagten sie lapidar: Sie hätten sich nichts weiter dabei gedacht.

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