Zirkustiere:Odysseelöwen

Zirkustiere: Tiertrainer John Burke mit den in Hellabrunn geborenen Seelöwen Lou und Micky im Circus Krone. Vom Zoo in den Zirkus - wie konnte das passieren?

Tiertrainer John Burke mit den in Hellabrunn geborenen Seelöwen Lou und Micky im Circus Krone. Vom Zoo in den Zirkus - wie konnte das passieren?

(Foto: Robert Haas)

Wie zwei in Hellabrunn geborene Robben mit neuem Namen und unter seltsamen Umständen wieder nach München kamen - in den Circus Krone.

Von Philipp Crone

Unterschiedlicher könnte die Stimmung kaum sein. Im Circus Krone preist man gerade im Winterprogramm Lou und Micky an. Das sind Seelöwen aus Hellabrunn, die in ihre Geburtsstadt zurückkehren und täglich zwei neunminütige Nummern als Blues Brothers geben.

Im Tierpark wusste man hingegen gar nicht, dass die Tiere nun im Zirkus auftreten, und ist darüber überhaupt nicht glücklich. Wie es dazu kam, das ist die Geschichte eines englischen Tiertrainers, eines Umzugs von München in die Nähe von Lübeck und eines neuen Namens.

Die Antwort aus dem Zoo nach der Zirkus-Premiere kam schnell: Die Seelöwen sind nicht von uns. Doch, doch, hieß es von Krone, die sind in Hellabrunn geboren! Das wiederum ist dem Münchner Zoo nicht geheuer, denn nichts will man weniger, als den Eindruck zu vermitteln, dass Tiere aus dem Zoo an einen Zirkus abgegeben werden. War aber so - allerdings nur indirekt von den Kollegen aus Hellabrunn.

Vor elf Jahren kam im Münchner Zoo ein Seelöwe zur Welt, der den Namen Filou bekam, vor fünf Jahren dann das Tier namens Micky. So weit ist man sich bei der Rekonstruktion der Lebensläufe mittlerweile einig. Dann hat Hellabrunn in Absprache mit dem Koordinator des Zuchtprogramms für diese Tierart, wie es üblich ist, die Seelöwen abgegeben, an den Hansapark bei Lübeck. Dort sollte eine Männerrobbengruppe leben.

Da sich bei diesen Tieren immer nur ein Männchen mit Weibchen zusammen halten lässt, konnten die Robben nicht in München bleiben. Hellabrunn-Sprecher Daniel Hujer betont, dass man sich vorher wie immer die veterinärmedizinische Zulassung des Parks für diese Tiere, Pläne der Anlage und Bilder angesehen habe.

Der Freizeitpark gehört zwar nicht zum europäischen Zoo-Verband, dessen Mitglieder sich besonders strenge Haltungsvorgaben auferlegen. Doch es werden auch ab und an Tiere an Parks abgegeben, die nicht Teil des Verbands sind, um den Genpool der Art und die Zahl der Tiere groß zu halten. Voraussetzung ist immer, sagt Hujer, dass die Standards eingehalten werden. Das sei im Hansapark der Fall gewesen.

Filou und Micky auf Reisen

Dort trafen Filou und Micky dann auf den Tiertrainer John Burke, und an der Stelle wird es knifflig. Laut Hansapark-Sprecherin Claudia Leicht lief der Umzug jeweils über Burke, der als Selbständiger immer für die Sommersaison im Park angestellt war. "Ich habe die Jungtiere in München abgeholt", sagt Burke. In Hellabrunn war man hingegen davon ausgegangen, dass Burke der Ansprechpartner des Hansaparks sei.

"Die Haltungszulassung ist auch auf den Park ausgestellt", sagt Hujer. Und im Schriftverkehr sei klar festgehalten gewesen, dass die Tiere "im Hansapark leben" würden. Der Vertrag sei letztendlich aber mit John Burke abgeschlossen worden. Claudia Leicht vom Hansapark sagt: "Das sind die Tiere von Herrn Burke." Sind die Robben am Ende durch ein Missverständnis im Zirkus gelandet?

Der 56 Jahre alte Engländer Burke arbeitet seit 28 Jahren im Hansapark. Dort traten Lou, wie Filou von Burke umbenannt wurde, und Micky bald drei Mal am Tag auf, in der Seelöwenshow, wo sie Bälle jonglierten und Ringe fingen. Burke sagt: "Da sind die Tiere gut gefordert."

Sie würden auch älter als ihre Artgenossen im Tierpark. Seine älteste Robbe starb mit 27 Jahren, im Zoo würden die Tiere im Schnitt 19, in freier Wildbahn zwölf Jahre alt. Burke, seit Jahrzehnten Robben-Trainer, war schon in Fernseh-Shows und 2004 auch bereits beim Circus Krone zu Gast, damals mit Jimmy und Roger (wohl ihre echten Namen), ebenfalls als Blues Brothers.

2017 beschloss man im Hansapark, die Show mit den einzigen Tieren des Parks abzuschaffen. Daraufhin engagierte Krone Burke und warb damit, dass die Seelöwen Münchner seien und man alles mit dem Tierpark abgesprochen habe. Hujer von Hellabrunn sagt: "Das sind Tiere, die Beschäftigung brauchen." Jedoch trainiere man die Seelöwen in Hellabrunn eher für ihr natürliches Verhalten. Von abgesprochen könne allerdings keine Rede sein.

Beim Tierpark war man ja nicht nur wegen der unterschiedlichen Namen verwirrt. Zum einen ist es eben überhaupt nicht im Sinne des Zoos, wenn seine Tiere auf einmal in der Manege auftauchen. Und dann erklärt auch noch der Dompteur, dass er sich mit dem Hellabrunner Robben-Pfleger Helmut Kern abgestimmt habe. Kern aber beteuert, gar nicht mit dem Kollegen aus dem Zirkus gesprochen zu haben.

Beim Tierpark wird man sich mit dem Fall Lou und Micky auf jeden Fall weiter beschäftigen und überlegen, wie es sich vermeiden lässt, dass so etwas noch einmal passiert. Und die Robben? Burke zieht nach den fünf Wochen in München, in denen die Tiere in einem laut Zirkus "großen Becken" untergebracht sind, mit seinen zwei Blues Brothers weiter nach Dassow, auch bei Lübeck, in den dortigen "Tigerpark". Der gehört zwar auch nicht zum europäischen Zoo-Verband, hat dafür aber ein Zirkus-Zelt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: