Süddeutsche Zeitung

Provenienzforschung:Auf der Suche nach der Wahrheit

Das Zentrum Kulturgutverluste vergibt Forschungsgeld nach Bayern: an das Jüdische Museum München, das Buchheim Museum und an die Erben der Kunsthandlung Hugo Helbig, die in München einst von großer Bedeutung war.

Von Susanne Hermanski

Die Zahlen klingen erstmal trocken: Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste bewilligt in der zweiten Förderrunde 2022 rund 2,1 Millionen Euro für 19 Projekte der Provenienzforschung im Bereich "NS-Raubgut", drei davon in Bayern. Doch wer sich interessiert für dieses Gebiet - das mit dem Fall Cornelius Gurlitt und dem sogenannten Schwabinger Kunstfund zu großer Popularität kam, die nun schon wieder ermattet scheint -, der weiß, hinter diesen Zahlen stecken große Emotionen, tiefe Verletzungen und oftmals unbewältigte Trauer.

Eines der Projekte, das tief in die Münchner NS- und Vorkriegsgeschichte eintaucht, gilt der Sammlung von Hugo Helbig. Seine Erben sind an der Forschung beteiligt, nun im zweiten Jahr. Hugo Helbing war Jude und gehörte zu den führenden Kunsthändlern Europas, seine mehrtägigen Kunstauktionen machten ihn international berühmt. Durch den Ausschluss aus der Reichskammer der bildenden Künste 1935 kam er zunehmend in wirtschaftliche Bedrängnis. Während der Novemberpogrome wurde er niedergeschlagen und verhaftet. Er erlag am 30. November 1938 seinen Verletzungen. Nur zwei Tage später wurde der Zwangsverwalter Max Heiß als "Abwickler" der Kunsthandlung eingesetzt; im Zuge dessen ließ er auch noch Helbings Privatsammlung in die Galerieräume überführen. Erst 1941 endete das "Arisierungsverfahren" mit dem Verkauf der Kunsthandlung.

Die Nachfahren Helbings, allen voran Johannes Nathan, wollen im zweiten Projektjahr Hugo Helbings Privatsammlung "unter Berücksichtigung möglicher Auswirkungen der schleichenden ,Arisierung' und ihrer wirtschaftlichen Folgen rekonstruieren und ihren Verbleib klären". Auch das klingt weniger emotional, als es ist.

Die beiden anderen Projektförderungen in Bayern gelten zum einen dem Jüdischen Museum München, das handschriftliche Aufzeichnungen des Kunsthistorikers Theodor Harburger von 1927 bis 1932 zur Inventarisation der jüdischen Kunst- und Kultusdenkmäler digitalisiert. Zum anderen kann die Buchheim Stiftung der Phantasie in Bernried nach der systematischen Prüfung des Gemäldebestands des Buchheim Museums nun auch noch seine Grafiksammlung - der Fokus liegt auf Zeichnungen und Aquarellen der Brücke-Künstler - auf Raubkunst überprüfen. Dass das nötig ist, ist nicht schön. Dass es möglich ist, sehr wohl.

Die Ergebnisse der geförderten Forschungsprojekte stellt das Zentrum in seiner Forschungsdatenbank "Proveana" unter www.proveana.de dar. Weitere Informationen zu den Fördermöglichkeiten unter: www.kulturgutverluste.de.

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