Zeitzeugen:"Schmackhaftes Mittagessen"

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Maler Franz von Stuck wurde im April 1919 als Geisel genommen. (Foto: SZ-Photo)

Franz von Stuck erzählt von seiner kurzen Geiselhaft

Der Maler Franz von Stuck (1863-1928) wurde mit anderen Bürgern von den Rotarmisten Ende April in Geiselhaft genommen, um die Konterrevolutionäre vom Sturm auf München abzuhalten. Stuck wurde aus seiner Villa an der Prinzregentenstraße in die Haidhauser Kirchenschule verschleppt - und dort recht gut behandelt. Nach seiner Freilassung erzählte er dem Volksschauspieler Konrad Dreher, wie es ihm ergangen war:

"Nachts zwei Uhr wurden ich und meine Frau durch Lärmen vor unserem Hause geweckt und als wir uns nach der Ursache umsahen, erblickten wir an die 15 bis 20 Soldaten der Roten Garde vor unserer Türm, die uns drohten, wenn wir nicht sofort öffneten, das Haus unter Feuer zu nehmen. Da ein Widerstand unmöglich, ersuchte ich, mich erst ankleiden zu lassen und öffnete dann das Haustor. Sofort wurde ich ergriffen und mir meine Verhaftung ohne jede weitere Grundangabe angekündigt. (...)

Nachdem nun ein größerer Teil der Truppe sich zu weiterer Geiselverhaftung begab, führten mich zwei Soldaten mit aufgepflanztem Seitengewehr nach einem Schulgefängnis in Haidhausen, wo ich durch einen Vorraum, der mit Soldaten und Gesellschafterinnen gefüllt war, eskortiert wurde. Ich kam nun in einen mit übereinander liegenden Feldbetten ausgestatteten Schulsaal, in welchem schon zwei Gefangene untergebracht waren. Nach gegenseitiger Vorstellung, es waren ein paar alte Generale, legte ich mich in das mir zugewiesene obere Bett und schlief ganz erträglich bis zum frühen Morgen, nur hie und da aufgeweckt durch neu ankommende Geiseln. (...)

Inzwischen hatte der Mann meines Hausmädchens (...) sich zum Zentralrat im Wittelsbacher Palais begeben und sich in sehr energischer Weise um meine Freilassung verwandt und richtig ein Schreiben mit der Genehmigung erhalten. Nachdem ich mit meinen Leidensgefährten aus einem Topf mein ziemlich schmackhaftes Mittagessen (spartanische Suppe mit Fleisch) erhalten, winkte mir (...) ein Matrose mit einem Schriftstück und erklärte mir, dass ich frei sei."

© SZ vom 30.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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