Zeitschrift "Madame":Locken, Pumps und ein bisschen Sex

Eine Sitten- und Modegeschichte der Bundesrepublik mit guten Ratschlägen für die Frau von Welt: Die Zeitschrift "Madame" feiert ihre 700. Ausgabe.

Stephan Handel

Damen, aufgepasst! So geht das nämlich: Des Morgens also wacht die Frau von Welt auf "im Nachtgewand aus rosé Nylon". Darüber ist ein leichter Morgenrock zu ziehen, Farbe Flieder. Bereits hier bitte auf das Gesicht achten, denn: "Schon am frühen Morgen ein leichtes Make-up erfreut den Ehemann." Damit es weitergeht mit der Freude beim Gespons, " für den Ausritt mit ,ihm' eleganten Reitanzug, Niki und Einknopfjacke".

Zeitschrift "Madame": Carla Bruni: In den Neunzigern Covergirl von Madame, heute Gattin des französischen Staatschefs.

Carla Bruni: In den Neunzigern Covergirl von Madame, heute Gattin des französischen Staatschefs.

(Foto: Foto: Madame)

Das Leben bietet auch im weiteren Verlauf des Vormittags einiges, ein wichtiger Termin steht hingegen erst wieder um 16 Uhr an - "Zum Kaffeeklatsch ist ein lebhaftes Seidenkleid zu empfehlen". Die Lebhaftigkeit des Kleides wird sicherlich dazu beitragen, den Ratschlag für diesen Tagesordnungspunkt zu erfüllen: "Spielen Sie Ihren Freundinnen die einzig Glückliche vor."

Danach geht's weiter mit der intimen Teestunde, worauf der Dämmerschoppen folgt, die Theaterpremiere, bei der die Granatkette nicht fehlen darf, die danach jedoch unbedingt getauscht werden muss gegen einen Smaragdanhänger. Der wichtigste Rat findet sich in dieser zweiseitigen Tabelle ganz rechts unten und gilt der späten Kuschelstunde: "Riechen Sie möglichst nicht nach Küche!"

Die Frage ist, wie eine Dame mit diesem Stundenplan überhaupt dazu kommen soll, in der Küche nach dem Rechten zu sehen und dabei unangenehme Gerüche aufzunehmen. Die Tabelle allerdings ist kein Scherz - sie erschien 1952 in der Zeitschrift Madame und erklärte allen Frauen, die nicht ganz firm waren im gesellschaftlichen Komment, wie sie denn den Tag so rumbringen könnten, während der Mann aushäusig das Geld verdiente, wie es sich gehört. Madame gibt es heute immer noch. Die September-Ausgabe wird das 700. Heft sein seit der Gründung 1950. Damit ist Madame die älteste Frauenzeitschrift Deutschlands. Aber einiges hat sich dann doch geändert seit den Anfängen.

Katrin Riebartsch ist seit mehr als sieben Jahren Chefredakteurin des Magazins. Natürlich, sagt sie, ist die Zielgruppe heute nicht mehr die reiche Müßiggängerin, deren Leben zwischen Tennisplatz, Reitstall, Couturier und Gala-Diner dahinplätschert. Eins aber sei gleich geblieben: Die Madame-Leserin sei eine "souveräne Meinungsbildnerin", was immer das bedeuten mag, sie interessiere sich für Luxus, Kultur, Reisen, Design und, wenn noch Zeit bleibt, auch für Charity. Sie ist, so haben es Marktforscher herausgefunden, im Durchschnitt älter als 30 Jahre und erwachsen, was heutzutage ja nicht unbedingt das Gleiche bedeuten muss.

Locken, Pumps und ein bisschen Sex

Eine Querschau über einen Teil der 700 "Madame"-Titelbilder alleine schon zeichnet eine Sittengeschichte der Bundesrepublik: Mädchen, die damals noch nicht Models hießen, sondern Mannequins, tragen Kleider spazieren, und hinten ragt - natürlich der Eiffelturm, denn wer Geld hat in den 50ern, der reist. In den 60ern werden die Bilder schriller, farbiger, africola-iger. Es dauerte, bis die Umwälzungen des Jahrzehnts auch in diesem Luxus-Blatt ankamen, und als es dann doch so weit war, war diese Umwälzung auch nicht so ganz total, weil halt Frauenemanzipation das eine ist, aber ja auch jemand da sein muss, der die Chose bezahlt. Katrin Riebartsch kann sich nicht erinnern, dass Alice Schwarzer jemals vorgekommen wäre im Heft.

Die Titel der 70er Jahre sehen aus, als habe der Bürobote gelegentlich auch ein bisschen LSD vorbeigebracht in der Grafik: Die Farben explodieren, deutlich ist zu sehen, dass die Gestalter fleißig das Magazin Twen angeschaut haben, das damals stilbildend war. Die Themen jedoch sind die alten - wenn auch neu verpackt. In den 50ern lautete eine Rubrik "Bürokodex für Evas Töchter". 20 Jahre später ist aus dem Büro das Business geworden und aus der Bekleidung das Outfit.

Die 80er Jahre sind etwas, wofür sich Katrin Riebartsch heute noch schämt - weil sie diese "furchtbare Mode" damals natürlich auch mitgemacht hat, die Schulterpolster, die Leggins, die ganze Nena-Ästhetik. In den 90ern hingegen, sagt sie, sei nicht so wahnsinnig viel passiert in der Mode, da war sozusagen ein Innehalten nach den Verirrungen des Vorjahrzehnts, der Beginn einer Hinwendung zum Purismus der sogenannten Nuller-Jahre.

Monat für Monat machen sie ihr Heft, 25 Mitglieder in der Redaktion, zwei Männer darunter. Die Auflage liegt stabil bei etwa 105000, womit allerdings erstaunliche 590000 Leserinnen erreicht werden. (Männer wurden bei der Erhebung nicht gezählt.) Es ist eine schöne Welt, die ausgebreitet wird auf rund 200 hochglänzenden Seiten - die Welt besteht aus Yves Saint-Laurent, Gucci, Prada, ein bisschen Psycho, ein bisschen Sex, ein bisschen Job, den die souveräne Meinungsbildnerin selbstverständlich ohne Probleme meistert.

Stolz ist Katrin Riebartsch auf den Reiseteil - und auf gelegentliche Specials, mit denen sie schon mal kratzen am Klischee des unwissenden Luxusweibchens. Als Jean-Paul Sartres 100. Geburtstag anstand zum Beispiel, da machten sie 30 Seiten extra über den Philosophen und seine Weggefährtin Simone de Beauvoir, wobei natürlich auch die modischen Aspekte dieser Beziehung nicht zu kurz kamen.

Am heutigen Donnerstag feiert die "Madame" ihre 700. Ausgabe in der Redaktion in der Sandstraße. Die Anzieh-Tabelle von 1952 würde dafür ein Cocktailkleid ohne Dekolleté empfehlen, ein Goldarmband und kleine Riemchen-Schuhe, außerdem sollten "unter dem Häubchen die Locken gut frisiert sein". Und heute? Kommt jede, wie sie mag.

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