Der Schal ist ein Ausdruck von Zugehörigkeit zu einem Kollektiv beziehungsweise als Mittel der Distinktion unverzichtbares Accessoire all jener Inszenierungsformen der Fankultur. Man wird viele Schals sehen an diesem Wochenende in der Muffathalle, denn sie sind das Bühnenbild. Und in jedem Fall werden sie bunter und vielseitiger sein als vor jedem Bayernspiel, wenn in der Regel abgesehen von Rot-Weiß nur noch die Farben der gegnerischen Mannschaft in den U-Bahnen oder in der Allianz-Arena zu sehen sind.
Der Münchner Choreograf Moritz Ostruschnjak legt einen regelrechten Fanschal-Teppich aus in seinem neuen Stück „Non + Ultras“. Wie immer verpuzzelt Ostruschnjak, der über den Breakdance zum zeitgenössischen Tanz kam, auch in dieser Performance unterschiedliche Bewegungscodes hochdynamisch miteinander. Rituale der Fankurven treffen auf jene der politischen Umsturz- und Protestbewegungen und formen neue, überraschende Bezüge. Und auch in den Videos des Künstlers Moritz Stumm geht es um Gewalt, Macht und Masse. Die Musik liefert, wie schon in vielen Ostruschnjak-Produktionen, der Musiker und DJ Jonas Friedlich (11. und 12. Januar, 20 Uhr, Muffathalle).

„Breather“, im Englischen beschreibt das Wort ein Wesen, das atmet, es kann aber auch „Atempause“ bedeuten. Mit der Titelwahl für seine erste Neuproduktion seit 2022 bietet der Münchner Stephan Herwig wohl beide Interpretationen an. Seine zwei Tänzer sollen, vom Atem ausgehend, zusammen eine sich stetig wandelnde, bewegte Körperskulptur schaffen. „Zwischen Assoziationen von mystischen Fabelwesen, KI-generierten Körperunmöglichkeiten oder Planeten, die um sich kreisen, morpht ihre Erscheinungsform in einem fortlaufenden Fluss.“ Klingt schön. Herwig will die Zuschauenden einladen, „einem organischen Prozess beizuwohnen, der im Moment geschieht und keine Wiederholung von perfekt einstudierten Routinen ist.“ Das alles geschieht am Donnerstag, 16. Januar, 20 Uhr, im Schwere Reiter. (Weitere Vorstellungen: 17.1., 20 Uhr, 18.1., 16 Uhr und 19.1., 13 Uhr).

Der Choreograf Micha Purucker:Tanzen zwischen Glanz und Gosse
Der Choreograf Micha Purucker lässt scheinbar unvereinbare Welten clashen. Ein Porträt des Wahrnehmungsforschers und Überlebenskünstlers, der die Münchner Szene geprägt hat wie wenige.
Ein weiterer Ort für den zeitgenössischen Tanz in München ist das HochX in der Entenbachstraße 37, wo das südkoreanische Kollektiv Zinada – Jin Lee und Jihun Choi – seine neuesten Produktionen zeigt. Auch in „Muje“ geht es wieder um Doppeldeutigkeit, denn der Ausdruck meint auf Koreanisch „unbetiteltes Gedicht“, beschreibt aber zugleich den „Nebel auf einem fernen Meer, der wie Land erscheint“. Wieder sind es zwei Tänzer, die am 11. und 12. Januar, mit ihren Körpern Erkundungen anstellen. „Diese Vorstellung von etwas Unendlichem, Weitem und Fernem, das uns dennoch vertraut erscheint, durchdringt denn auch die gesamte Performance“, so die Choreografen, die am 17. Januar, 10/19 Uhr, und 18. Januar, 15 Uhr, im HochX eine weitere Arbeit vorstellen.
Die Tanzperformance „Wuw – Wind und Wand“ ist für ein Publikum ab zehn Jahren erdacht. Es geht um die komplexe Gefühlswelt von Kindern in der Zeit vor der Pubertät: Das nicht immer einfache Leben als Prä-Teenies, die Ablösung von den Eltern, die wie eine schützende Wand alles Schlimme fernhalten, aber auch die Stimmungsschwankungen, die einen wie der unberechenbare Wind anfallen, mal als wilder, aggressiver Sturm, mal als angenehme, Freiheit verheißende Brise.