Zehn Jahre Rauchverbot in Bayern:"Ich konnte ja nicht ahnen, dass die alle weiterhin herkommen"

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Dann eben vor der Tür: Raucherinnen vor dem Bistro No. 2. (Foto: Stephan Rumpf)

Als vor zehn Jahren das Rauchen in Bayerns Kneipen verboten wurde, klagte der Münchner Wirt Ludwig Wolf vergebens dagegen. Inzwischen sagt er selbst, dass es kaum Nachteile gebracht hat.

Von Jessica Schober

Wenn sich die Rauchschwaden der Neujahrsnacht gelegt haben, geht eine Ära zu Ende. Zumindest in Laim. Dort lüftet Ludwig Wolf im Bistro No. 2 (sprich: Nomba Tu) das letzte Mal durch. 37 Jahre nach der Eröffnung, zehn Jahre, nachdem in Bayerns Gaststätten das Rauchverbot eingeführt wurde, gibt Wolf seine Kneipe ab. Damit geht auch ein Kampf zu Ende. Als einer der vehementesten Gegner des Zigarettenbanns erhob Wolf damals Verfassungsbeschwerde, scheiterte - und hat inzwischen mit seinem einstigen Erzfeind eine Friedenspfeife geraucht. Ein Besuch am Tresen.

Es ist schon verrückt, er selbst ist ja Nichtraucher. Beziehungsweise "nichtrauchender Raucher", so bezeichnet sich Ludwig Wolf. Früher drei Schachteln Marlboro am Tag, heute qualmfrei. Der Mann im gebügelten Streifenhemd sieht ein wenig aus wie Peter Lustig aus der einstigen ZDF-Serie "Löwenzahn", freundlich ist er, er hat jene Art von Gastronomencharme, die ihn mit allen auskommen lässt. Mit 24 hat er den Laden in der Fürstenrieder Straße 5 aufgemacht. Und jetzt, im Alter von 61 Jahren, gibt er das Bistro No. 2 an seinen Nachfolger ab, nach Kämpfen mit harten Bandagen, vor allem gegen seinen Hauptgegner: das Rauchverbot.

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"Ich war hysterisch damals", gibt Wolf zu. Er habe "pure Existenzangst" gehabt, den Laden dichtmachen zu müssen. Damals, die Töchter noch im Studium, das Haus noch nicht abbezahlt, wäre das eine Katastrophe gewesen. Sein Plan B, wenn das Rauchverbot ihn doch vernichtet hätte: Taxifahren. Den Schein hatte er schon. Heute denkt Wolf lächelnd an die Zeit vor zehn Jahren zurück.

Am 1. Januar 2008 war plötzlich das, was immer erlaubt gewesen war und für ihn so sehr dazugehörte, verpönt und verboten: Rauchen. Als die CSU das neue Rauchverbot wieder lockern wollte, lenkte der damalige ÖDP-Politiker Sebastian Frankenberger Volkes Begehren auf den Bann des Qualms. Zwei Drittel der Bayern stimmten beim Volksentscheid im Jahr 2010 für den Nichtraucherschutz. Hoch kochten die Emotionen, als Qualmende erstmals vor den Kneipentüren in der Kälte bibbern mussten und sich wie Pinguinfamilien aneinander drängten.

Heute sehen das alle Beteiligten ein wenig gelassener. Ludwig Wolf streicht über eine Holztischkante, an der die Patina der Jahrzehnte glänzt. Die Möbel hat er nie ausgewechselt, aber viermal im Jahr dekoriert er den Laden um. Zurzeit hängen rote Satinbahnen an den Wänden und Decken, kleine Putti und Schwarzlichtlampen, "heilig-puffig" nennt es Wolf, die Stammgäste lieben es. Und von diesen Stammgästen, deren Namen auf goldglänzenden Plaketten am Tresen eingraviert sind, lebt schließlich der Laden. "Ich konnte ja nicht ahnen, dass die alle weiterhin herkommen, auch wenn sie vor der Tür rauchen müssen", sagt Wolf.

Froschkotze für 3,20 Euro. Ist ein Mixgetränk hier, wird auf dem Klo beworben. Nächstes tolles Wort: Frischluftwatschn. So nennt Wolf das, was passiert, wenn die Raucher vor die Tür müssen. Die gerade angeheizte Stimmung, die sorgfältig kuratierte Musik - immer Pop, Rock und Schlager im Wechsel - die eben noch auf die Partyklimax hinsteuerte, alles geht flöten, wenn alle zum Qualmen raus müssen, findet der Wirt.

Das Rauchverbot hat das Feiern verändert. Es hat in die Dramaturgie eines Kneipenabends eingegriffen. Wie ein Nackenschlag haut die Raucherpause in die Nacht hinein, immer dann, wenn es gerade lustig geworden ist. "Aber das Rauchverbot hat auch Neues ermöglicht", sagt Wolf, irgendwie zu seinem eigenen Erstaunen, "Flirtchancen zum Beispiel - das Anbandeln mit Leuten aus der anderen Ecke des Raumes ist leichter geworden". Wie sollte man das früher auch machen, einfach hingehen, pfft. Jetzt trifft man sich vor der Tür, teilt in der schützenden Handhöhle ein Flämmchen, lässt Funken überspringen, schürt die Glut.

Nein, sein Laden sei nicht pleite gegangen. Und sonst falle ihm ad hoc auch kein Kollege ein, der deshalb dichtgemacht habe. "Das Konsumkapital, das ausgegeben werden will, ist ja das gleiche geblieben", resümiert Wolf, "es war ein Nullsummenspiel." Und im Vergleich zur Konkurrenz habe es das Bistro No. 2 noch gut erwischt: Eingang überdacht, viele Sitzplätze draußen, die Nachbarn weit weg. Plötzlich alles Vorteile. "Unten den Blinden waren wir die Einäugigen", sagt Wolf. Seine Verfassungsbeschwerde bereue er dennoch nicht, auch wenn er damals schon deren Chancenlosigkeit vor Gericht geahnt hatte. "Ich bin kein Streithansel. Aber ich dachte damals, wenn ich schon pleite gehe, dann kann ich die 5000 oder 10 000 Euro für die Rechtsanwaltskosten auch noch investieren."

Irgendwie habe das Verbot ihn gejuckt. "Ich war nie ein Hippie, aber das Rauchverbot hat den Rebell in mir geweckt." Ihn habe diese Lustfeindlichkeit gestört, sagt Wolf. "Ich finde es nicht gut, alle Ventile zu verschließen, über die ein Mensch Druck ablassen kann. Was ist das nächste? Alkohol, Zuckerverbot? Ein bisserl Spaß wird man doch wohl noch haben dürfen."

Er habe vor zehn Jahren Existenzängste gehabt wegen des Rauchverbots, sagt Wirt Ludwig Wolf, der selbst Nichtraucher ist. (Foto: Stephan Rumpf)

Verklungen ist unterdessen das Geschrei gegen den Initiator des Volksbegehrens. Sebastian Frankenberger mutierte damals zur Persona non grata für viele Wirte, er bekam Hausverbote, sogar Morddrohungen. Inzwischen macht er Stadtführungen in Österreich. Dabei wäre er heute an manchem Stammtisch wieder willkommen. Wolf traf Frankenberger im Sommer wieder, hier im Bistro No. 2. Und zündete eine Friedenspfeife mit ihm an, ein Folkloreteil ohne Tabak, aber immerhin. Die Journalistin Tanya Falenczyk hatte das Treffen initiiert, aber da hätte er auch selbst drauf kommen können, sagt Wolf. "Der Frankenberger und ich, wir haben uns super verstanden." Kein böses Wort wolle er über den einstigen Rivalen verlieren, eine klug geführte Kampagne attestiert er ihm. "Der ist doch ein unangepasster Typ, ein ganz Individueller, so einer wie ich. Der will sich auch nichts sagen lassen. Wir haben uns als Gleichgesinnte erkannt - bloß auf unterschiedlichen Seiten."

Freiheit und Toleranz, darüber könnte Wolf den ganzen Abend reden. Im Hintergrund läuft "Summer Dreaming", eine Dartscheibe blinkt bei jedem Treffer und am Glücksspielautomaten wartet ein Mädchen darauf, dass die Sonne aufgeht. Das Bistro No. 2 ist ein Wohnzimmer für alle. "Die Verschiedenartigkeit der Musikstile verlangt unseren Gästen ein Höchstmaß an musikalischer Toleranz ab", doziert Wolf heiter, "und wenn die Leute musikalisch tolerant sind, dann sind sie auch menschlich tolerant."

Die Musik ist Wolf das Wichtigste, "mein Vinylreich" nennt er den Raum zwischen Lager und Tresen. 32 Regalmeter Platten. Und dann die CDs, nicht zu überblicken, so viele sind es. Scooter, Shakira und Simon & Garfunkel hat er alphabetisch überm Zapfhahn geordnet. Jede Woche brennt er die neueste Chartmusik aus dem Internet auf einen Rohling. Wolf macht keinen Hehl daraus, ein Nostalgiker zu sein. "Wir waren nie in, deshalb waren wir auch nie out."

Und wohl deshalb sind die Stammgäste auch weiterhin gekommen. Zwei Frauen sind gerade zum Rauchen vor die Tür gegangen. Beide langjährige Besucherinnen, die eine inzwischen auch Mitarbeiterin. Die größte Veränderung durch das Rauchverbot sei ja wohl, dass man den Schweiß der Menschen jetzt mehr rieche als vorher, sagt eine. Und dass man sich irgendwie näher komme, da draußen vor der Tür. Ansonsten: Man nehme jetzt halt immer eine zweite Strickjacke mit.

Also alles beim Alten? Fast. Vergangene Woche hatte Wolf ein Event einer Zigarettenfirma im Bistro. Es ging um neue Tabakprodukte, ausgerechnet jetzt, da alle E-Zigaretten kauften. Wolf schüttelt den Kopf. Er sei sich nicht mal sicher, ob man nun E-Zigaretten bei ihm rauchen dürfe oder nicht. Er habe aber auch noch nie eine geschlossene Gesellschaft angemeldet, um doch Leute drinnen rauchen lassen zu können. Am Tag danach würde man es ja doch riechen, damit fange er jetzt auch nicht mehr an. Nach Silvester sei Schluss und der neue Ladenchef sei eh Nichtraucher, gegen das Rauchverbot kämpfe hier keiner mehr. Und dann sagt Wolf noch, ganz ruhig, als würde er mit der letzten Silbe noch eine Schwade Qualm wegpusten: "Mir ist das eigentlich ganz recht so."

© SZ vom 02.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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