Zehn Jahre Candy Club:"Mein Anspruch? Eine saugute Party!"

Der Candy Club wird zehn Jahre alt. Thomas Lechner im Gespräch über die schwul-lesbische Szene und was eine gute Party ausmacht.

M. Zirnstein

Es geht auch um Lust bei dieser schwul-lesbischen Sause - um Entdeckerlust. Heute vor zehn Jahren, am 5.Januar 1999, trat Thomas Lechner mit der ersten "Indie-queer-electro-Party im deutschsprachigen Raum" an, der rosaroten Leitkultur Münchens die Gitarrentöne beizubringen und Schwule, Lesben und Heteros gemeinsam zum Tanzen zu bringen. Heute feiert sein "Candy Club" mit dem "Queer Beats Festival" in der Muffathalle groß Geburtstag (21Uhr). Zu Gast sind eigenwillige Stars, die mit dem Club groß wurden: Peaches, Stereo Total, Scott Matthew, My Robot Friend. Es kommen noch viele mehr von nah und fern, die eine Entdeckung lohnen, etwa The Ballet aus New York, die 16-jährige One-Woman-Show Charli XCX aus London oder Beißpony aus München.

Zehn Jahre Candy Club: Raum für alle Formen von Andersartigkeit: Zehn Jahre Candy Club.

Raum für alle Formen von Andersartigkeit: Zehn Jahre Candy Club.

(Foto: Foto: oh)

SZ: Herr Lechner, haben Sie jemals im Candy Club Abba aufgelegt?

Thomas Lechner: Ja. Mit gutem Gewissen und bizarren Reaktionen. Abba sind eine saugute Band. Mein allererstes Konzert, auf dem ich gewesen bin. Das Problem an Abba ist: Wenn man sie zehnmal am Abend hören muss, stehen sie für etwas, was sie nicht sind. Aber wenn eine Party den bestimmten Kick hat, darf man als DJ auch solche Dinge aus der Schublade ziehen. Ich habe das mal mit einem anderen Schwulen-Klassiker, mit "It's Raining Man", gemacht. Die Party tobte, ich wollte was Lustiges bringen - das Entsetzen war groß. Die Leute motzten: Machst du's jetzt so wie alle anderen?

SZ: Man hat Ihren Ansatz nicht verstanden: Sie nehmen sich heraus, alles auflegen zu dürfen, selbst wenn es Ihrem alternativen Konzept zuwiderläuft.

Lechner: Das ist ganz wichtig, wenn man eine Veranstaltung macht, die sich gegen Dogmen richtet, etwa dass Schwule nur eine bestimmte Art von Musik hören. Man muss sich in jede Richtung öffnen, beim Publikum und musikalisch.

SZ: Was ist dann Ihr Anspruch?

Lechner: Eine saugute Party. Entscheidend ist, dass die Musik hochqualitativ ist und nicht diskriminiert.

SZ: Was kommt Ihnen nicht auf den Plattenteller?

Lechner: Reggae. Da müsste ich mich mit den Inhalten befassen, um herauszufinden, wer da wen diskriminiert und wer nicht, wozu ich aber in diesem Fall keine Lust habe. Ich spiele auch von Mia nicht "Was es ist", wegen der Deutschtümelei und weil es einfach zu flach ist.

SZ: Sie wollen mit der Party politisch Einfluss nehmen?

Lechner: Es hat was von missionieren. Ich präsentiere schwul-lesbische Künstler, die aus dem eigentlichen Underground kommen, ich bereite auch Riot-Girl-Geschichten den Weg. Ich öffne Ohren und wirke antidiskriminierend - das ist die Basis für eine integrative Party.

"Mein Anspruch? Eine saugute Party!"

SZ: War das vor zehn Jahren nötiger als heute?

Lechner: In den zehn Jahren ist viel passiert, Gott sei Dank. In der Szene gibt nun es auch andere Musik. Wenn zwei Typen händchenhaltend in einem Indie-Laden herumlaufen, gehört immer noch ein bisschen Mut dazu, aber man muss nicht mehr fürchten, angepöbelt zu werden. Auch, dass Lesben in den Candy Club gehen, ist ein Erfolg. Ich habe ja am Anfang einfach mal "schwul-lesbisch" gesagt, ohne zu wissen, ob beide Seiten es annehmen. Traditionell gibt es eine starke Trennlinie zwischen den Szenen.

SZ: Ist es überhaupt noch nötig, den Candy Club in den Rahmen der Homosexuellen-Bewegung zu stellen?

Lechner: Ja, solange diskriminiert wird. Also, für mich ist das ein Trick: Ich möchte, dass einem Hetero-Mann, der wegen der tollen Musik in den Candy Club kommt, einmal am Abend kurz durch den Kopf gestrichen kommt: Das hat etwas mit schwul-lesbisch zu tun. Sollte er von einem Schwulen an der Bar angegraben werden, muss er sich überlegen: Wie gehe ich jetzt damit um? Ich will diesen einen Reflexionsmoment. Der Candy Club ist ein Raum, in dem Schwule, Lesben, Transgender - alle Formen von Andersartigkeit - Platz haben, in dem deswegen ungewohnte Dinge passieren können.

SZ: Sie traten an, das Klischee "Schwule hören keine Gitarrenmusik" zu widerlegen. Hören nicht Menschen, die sich ständig mit ihrem Anderssein auseinandersetzen, eh andere Musik?

Lechner: Das genau ist der Unterschied zwischen heute und vor zehn Jahren, wo der Candy Club ansetzte. Aus der Diskriminierung in den Sechzigern und Siebzigern war ein Subkultur-Ghetto entstanden. Die Szene gab Verhaltensmuster vor - wie man spricht, was man anzieht, was man für Musik hört. Früher war das wichtig, um sich zu finden, um sich nicht alleine zu fühlen. Aber nach 20 Jahren hatten sich die Codes verfestigt, Die Offenheit, die man erwartet hätte, ist oft weggewesen. So ist der Draht zur jüngeren Generation verloren worden.

SZ: Holen Sie die junge Queer-Kulturszene Münchens geballt zum Festival?

Lechner: Bei allen Bands, die ich ausgesucht habe, gibt es eine "Queerness", was nun nicht schwul oder lesbisch bedeuten muss, sondern nur von der Norm abweichend. Man kann da gleich drei Münchner Bands dazupacken, ohne sich verstecken zu müssen. Ich finde, Parasyte Women ist der Wahnsinn, sie singt unglaublich gut, arbeitet mit Electronic, Film und Soundtracks. Beißpony haben einen irren Charme, denen ist nichts heilig, die zwei wursteln sich durch alles mögliche durch, auch wenn Steffi (Müller, Anm. d. Red) mal eine Nähmaschine gebraucht für den Rhythmus. Und Pollyester habe ich entdeckt, als ich mit Freunden aus London in die Registratur geraten bin, wir haben unheimlich getanzt, und als wir uns umdrehten, merkten wir: Da spielt ja eine Band - die Polly am Bass und ihr Schlagzeuger. Ein Disko-Groove - nicht zu fassen. "So etwas gibt es ja bei uns nicht", meinten die Londoner.

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