Süddeutsche Zeitung

Zaz in München:Vom Montmartre in die Muffathalle

Lesezeit: 2 min

Sie quatscht, wie ihr der Schnabel gewachsen ist - und erobert die Herzen der Münchner im Sturm: Zaz aus Frankreich begeistert mit einem hinreißend lockeren Auftritt in der Muffathalle.

Nina Gold

Die Frage, die sich bei Isabelle Geoffroy - in den vergangenen Monaten epedemieartig bekannt geworden unter ihrem Künstlernamen "Zaz" - stellt, ist die danach, ob Autentizität beliebig reproduzierbar ist.

Die vielen Menschen, die Zaz gestern in der seit langem ausverkauften Muffathalle durch den Abend geliebt haben, würden sagen: ja. Beziehungsweise: Sie werden sich diese Frage nicht gestellt haben, weil sie diese hübsche junge Frau mit der charmant angekratzten Stimme und ihrem schmissigen Mix aus französischem Chanson, Gypsie-Jazz und südfranzösischer Straßenmusik einfach hinreißend fanden. Und das war Zaz, ganz ohne Zweifel.

Sie begann ihr Münchner Konzert um drei Minuten nach acht, ohne Vorband. Der erste Eindruck: völlig zicken- und allürenfrei, das Mädchen. Schon als die ersten Xylophonklänge von "Les passants", der Eröffnungsnummer ihres allein in Deutschland mehr als 100.000 Mal verkauften Debütalbums "Zaz" erklingen, jubelt das Publikum euphorisch.

Und noch ein Stück mehr, als Zaz' Stimme aus dem Off kommt und sie dann nach einigen Takten endlich selbst im Scheinwerferlicht steht: klein und drahtig im schwarzen Paillettentop zur Hip-Hopper-Jeans, die langen Locken offen, ebenso wie ihr Gesicht, die Augen, das Lachen. Sie begrüßt ihre Fans sehr selbstverständlich auf Französisch, quatscht, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, scheint es - und wird dennoch verstanden.

Ist das unbefangene Natürlichkeit? Oder weiß Zaz einfach, wen sie da unten vor sich hat? Eine Handvoll junger Exilfranzosen, die nach dem Ende des Konzerts noch ein wenig zu heimatlichen Klängen vom Band durch die Halle hüpft, gut. Aber zum Großteil wiegt sich hier das bildungsbürgerliche Publikum zwischen 35 und 55 in den Hüften: nette, begeisterungsfähige Menschen, die sommers in die Auvergne fahren, die sich auskennen mit guter pâté und dem französischen Chanson.

Und Zaz gibt ihnen, was sie glücklich macht. Liest hinreißend unbeholfen einen kurzen Text auf Deutsch über die Notwendigkeit, sich selbst zu lieben. Spielt zusammen mit ihrer Band, die trotz großer Virtuosität an Gitarre, Bass, Piano und Schlagzeug keine Chance hat gegen die Leuchtkraft der Frontfrau, alle Stücke ihrer aktuellen CD, hängt als Zugabe noch Unbekannteres, aber nicht weniger Begeisterndes dran. Sie gibt das musikalische Tier, scattet, trötet in ihre Faust, springt auf Boxen, tanzt ihre Musiker an, drischt im Stroboskoplicht mit auf das Schlagzeug ein.

Hübsch, natürlich, musikalisch, temperamentvoll: All das ist Isabelle Geoffroy. Aber da fehlt noch etwas Wichtiges, das sich erst erschließt, wenn man ein bisschen etwas über sie liest. Der Gründungsmythos, der auch auf ihrer offiziellen Website gefeiert wird, ist der von Auftritten auf der Straße, von Zufällen und spontan beantworteten Zeitungsannoncen. Und dann zwischendrin, schon fast versteckt: ein Pariser Talentwettbewerb, bei dem sie von dem Pop-Magnaten entdeckt wird, von dem auch drei der Songs auf ihrem ersten Album stammen.

Und hier muss man sich eines klar machen: Auf Talentwettbewerbe wie diesen trägt einen weder der Zufall noch der Wind der Provence. Das ist eiserner Wille zum Erfolg; so hart wie Zaz' gestählte Armmuskeln, die das gewollt lockere Bühnenoutfit so schön unterstrich.

Aber es ist ja auch mal schön, einen Abend lang einen kleinen Traum zu träumen. Vom Mädchen, das aus den Gassen des Montmartre direkt in die Münchner Muffathalle kam.

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