Dass ihr eigentlicher Beruf im Vergleich zu ihrem Hobby irgendwie trocken klingt, dessen ist sie sich bewusst. Annerose Faust kümmert sich tagsüber als Wirtschafstjuristin um Paragraphen. Abends taucht die 32-Jährige als Zauberschülerin ab in die Welt der Magie. Die große Frau mit den braunen Haaren lächelt: "Ich wollte einfach wissen, wie man Wunder wahr werden lassen kann".
Zauberschüler Ruben (r.) baut einen seiner Mitstudenten in eine Seilnummer ein, und wird dabei konzentriert von zwei Dozenten (2.v.l. und hinten) beobachtet.
(Foto: Benjamin Krischke)Fixiert von strengen Blicken
Es riecht nach Holz, in den Steinboden sind lila Quarze eingelassen und an den Wänden hängt ein Bild von Siegfried und Roy. Sechs Hobbymagier haben sich an diesem Abend n Pullach in der Zauberakademie Deutschland (ZAD) eingefunden. Ebenfalls vor Ort sind drei Dozenten, allesamt Magier. In Kürze treten ihre Schützlinge das erste Mal vor Publikum auf. Heute geht es darum, den Lehrern noch einmal die selbstgewählten Tricks vorzuführen.
Als erstes betritt Ruben - groß, blonde Locken, breite Schultern, ganz in schwarz gekleidet - die imaginäre Bühne. "Meine Mutter war nie begeistert von der Magie," beginnt Ruben seine Nummer: "Ihr wäre lieber gewesen, ich hätte einen anständigen Beruf gelernt. Doch heute zeige ich Ihnen, wie es mir ein Leichtes wäre, ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen." Es beginnt ein Verwirrspiel mit drei weißen Karten und einer Pik-Ass. Ruben mischt die Karten immer wieder. Wo ist die Pik-Ass? Plötzlich sind es drei davon. Die Dozenten machen sich eifrig Notizen.
Die Nummer ist zu Ende, und wird bis ins letzte Detail analysiert. Hätte Ruben an der ein oder anderen Stelle vielleicht weniger mit dem Publikum kommunizieren und lieber seine Karten sprechen lassen sollen? Wäre der Abstand zum kleinen Tischchen, auf dem er am Anfang die Pik-Ass ablegt, nicht ein zwei Schritte weiter entfernt besser gewesen? Und welche Rolle ist die richtige für ihn: die des hinterlistigen Abzockers oder die des netten Schelms? Eine Stunde Gespräch für zehn Minuten Auftritt. Alles soll am Ende perfekt sein. Das lassen sich die Studenten auch etwas kosten: 740 Euro pro Semester.
Unterhaltung durch Irreführung
Christiane Havener sitzt hinter dem Schreibtisch ihres Büros, in dem überall große Schränke mit kleinen Schubfächern stehen. Auf den Schubladen stehen Begriffe wie Fingerflamme oder Aladin's Wunderlampe. Darin befindet sich zahlreiches Zubehör, das die Magier für ihre Show benötigen. 2002 übernahm sie nach einem BWL-Studium die 30 Jahre alte Akademie von ihrem Vater. Außerdem ist sie Mitorganisatorin der Münchner Zauberwochen, die in diesem Jahr vom 6. bis 18. Juni stattfanden. Die Zauberei definiert sie so: "Unser Ziel ist es, die Menschen durch bewusste Irreführung zu unterhalten, so dass sie ihre Probleme und Sorgen für den Moment einfach vergessen können."