Hip-Hop:Rappen über die Komposttonne

 Yrrre veröffentlicht sein zweites Album "Feinstaub". Produziert hat es der Münchner Cap Kendricks, der den Wahlberliner schon seit seinem Debüt begleitet.

Von Vivian Harris

Zum Träumen regt die neue Platte von Yrrre nicht an. Zumindest nicht, wenn man in Musik eine Art Eskapismus und im Rap größenwahnsinnige Fantasien sucht. Nicht, wenn man einfach mal kurz dem Alltag entfliehen will. Denn Yrrre beschreibt diesen lieber. Jedes noch so kleine Detail - von der Breite des Kneipendeckels bis zur Quadratmeterzahl einer Komposttonne. "Feinstaub", der zweite Langspieler des Wahlberliners, handelt von den unschönen Dingen des Lebens: Antriebs- und Ausweglosigkeit, Stress und Selbstzweifel.

Gemeinsam mit Cap Kendricks aus München sind aus solchen Gefühlen und Gedanken zuerst ganze Songs und dann ein ganzes Album geworden. Ohne harte Drops oder hektische Beats, dafür mit Lyrics, die den Alltag ästhetisch machen, und gediegenen Melodien zwischen sorglos und bedrückend. Zusammen unterstreichen sie den inneren Konflikt, der sich durch das ganze Album zieht.

Trostlosigkeit verpackt in trockenen Humor

"Dilemma" mit Maeckes und Christopher Annen wird zum Beispiel von einem smoothen Neunziger-Flow getragen, "Laufmaschen" klingt nach britischem Indie-Pop mit Synthie-Sounds und "Pisser" wie eine melancholische Teenie-Ballade - aber mit Substanz. Yrrres Anspruch ist es, tiefgründigere Musik zu machen, als die, zu der er als Jugendlicher im Stande war. Dafür verpackt er Trostlosigkeit in trockenem Humor, nuschelt auf "40mg" etwa von einer "Sendung, die beim Nachbarn liegt, bis er Drohbriefe schreibt", und hofft auf "2005", dass sein Handy, das "Kackding", während einer hasserfüllten Sprachnachricht besser ausgeht. Seine Songs kratzen nicht an der Oberfläche, sondern durchbrechen sie und finden darunter Gewissensbisse und hoffnungsvolle Momente.

Für ein stimmiges Gesamtklangbild hat Cap Kendricks gesorgt, der Yrrre schon seit seinem Debüt 2018 begleitet. Inspirieren lässt sich der Münchner Produzent am liebsten von der Goldenen Ära des Neunziger-Hip-Hop. Bei Jamsessions in Berlin, München und der Brandenburgischen Provinz haben die beiden für "Feinstaub" ihren ganz eigenen Sound gefunden - und in 14 Songs Kontraste geschaffen, die in sich schon wieder stimmig sind.

Yrrre: "Feinstaub" (Vertigo Berlin)

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