Beim Film „Sommer in Orange“ knallte es noch ordentlich, als bunt gewandete Yogis – genauer Sannyasins des indischen Gurus Osho – sich in den Achtzigern in der bayerischen Provinz ansiedelten. Längst ist Yoga Lifestyle – und alles, was dazu gehört: von der Spandexhose bis zur Chakren-Mala-Kette. Es ist fester Bestandteil im Alltag vieler moderner Bayerinnen und Bayern – aber im hektischen Alltag eben nicht immer zufriedenstellend zu leben.
Dafür fliehen sie zu Yoga-Festivals, nahezu an jedem Wochenende gibt es eins oder mehrere. Es braucht nur ein bisschen Natur, im Idealfall eine große Wiese und einen See, große Säle im Fall des Regens, und dann taucht man ein paar Tage lang in eine Parallelwelt: Klangschalenbad, Kakao-Zeremonien, Räucherrituale, Kirtan-Konzerte, Trance, Dance, Tantramassage, Meditation, Ekstase, Frauenweisheit, Männerzirkel und ein bisschen Spinnerei – das Beste von Gurus und Schamanen aus Indien, Bali, Australien, Afrika und den indigenen Völkern Nordamerikas mit den Lehrer-Stars von heute. Wie bei den legendären Rainbow Gatherings der Hippies findet man hier noch Woodstock-Feeling, mal recht einsam, mal dicht an dicht mit 200 anderen Matten in einer Scheune. Ein Überblick über einige besonders beliebte Yoga-Festivals.
Wannda Circus Yoga Festival, München

Mit Yoga-Festivals und München hat es meist nicht geklappt: zu teuer, zu versnobt, zu hektisch, zu verstreut, zu viel Business – das Übliche eben in einer Millionenstadt. Aber halt, es gibt eine Ausnahme: das Wannda Circus Yoga Festival. Samira Ben Hamouda von den Yoganomaden hat hier ein kleines Wunder erschaffen, eine Oase des Friedens in der Stadt: im Sternenzirkuszelt, unter Bäumen und Baldachins und neben den Bretter-Lauben im Freimanner Park, wo den ganzen Sommer über der Wannda-Kulturverein seine Sausen steigen lässt. Das ist kein urbanes Schickimicki-Event, sondern ein Mini-Tollwood-artiger Freiraum für alles Mögliche.
Hier kann man Verbindung zu anderen aufnehmen in der Tantra Experience wie im Partner-Yoga-Handstand-Kurs oder in der Ayurveda-Massage-Session, hier lässt man angestaute Emotionen in einem Workshop raus und gute Geister bei einer Kakao-Zeremonie rein. In diesem Alice'schen Wunderland lernen die Besucher, selbst mit Kräutern zu experimentieren oder Öle wohltuend einzusetzen. Natürlich wird auch Yoga aller Art geübt, etwa entspannendes Yin mit Helga Baumgartner oder Kundalini mit Mitali Chatterjee-Ehrenbrand, die abends auch noch mit ihrem Mann Robert als The Satnam Sessions ein Konzert gibt. Und das alles zu un-münchnerisch anständigen Preisen.
Namaste Yoga Festival

Ein Grundprinzip im Buddhismus ist „Anicca“: Alles verändert sich laufend. Das sieht man am Namasté Yoga Festival. Das hat der ehemalige MTV-Produktionsleiter und Yoga-Liebling Percy einst zu Hause bei sich am Ammersee angesiedelt. Dann ging es auf Reisen, und inzwischen heißt Percy Shaktjii, und zur zwölften Ausgabe trifft sich „die gleiche Gang“ (wie er sagt) nun wieder in der Nature Community in Schönsee im Bayerischen Wald. Ansonsten kann man sich auf einige Konstanten freuen: den Künstlermarkt, Wellness und Sauna, eine „liebevolle Gemeinschaft“ und Yoga und Artverwandtes in „allen Formen“: Der „Yoga-Doc“ und Ashtanga-Gelehrte Ronald Steiner ist da, Desiree lädt zum Frauenzirkel, Ibou zum Afro-Dance, die Om Boys zum Konzert mit 108 Sonnengrüßen, und der hochwürdige Guruji Shri Pankaj Kumar Divedi erklärt im Satsang die Mysterien fernöstlicher Lehren.
Namaste Yoga Festival, Freitag bis Sonntag, 19. bis 22. Juni, Schönsee, Nature Community
Om am See, Füssen

Es könnte alles sehr majestätisch sein, hier mit dem epischen Panoramablick über den Forggensee zum Königsschloss hinüber. Aber der erste Eindruck beim „Om am See“ ist: rockig, poppig. Der Bärtige, der hier an der Holzsonnen-Deko herumschraubt, der habe schon für Michael Jackson die Kulissen gebaut, sagt Manfred Hertlein. Und der wiederum hat in 38 Jahren 20 000 Veranstaltungen wie „Rock meets Classic“ gestemmt. Kein Wunder, dass sein Einstieg in die Yoga-Welt über die Musik gelang, nämlich mit dem Yoga-Blasmusik-Album von La Brass Banda, um die herum er 2020 ein erstes Event hier in Füssen bastelte. Beim inzwischen nun vierten vollen „Om am See“-Yoga-Festival in und ums Festspielhaus Neuschwanstein samt eigenem Badestrand ist die Musik also noch immer der Magnet. Diesmal spielt die aus allen Yogastudio-Playlists bekannte, Grammy-nominierte kalifornische Spirit-Sängerin Satnam Kaur ihr einziges Deutschlandkonzert; mit Sam Garrett kommt ein Liebling der Neo-Hippie-Songwriter-Szene; und mit Amistat sind jene Harmonie-begnadeten australischen Zwillingen zurück, die einst aus Rosenheim in die Welt zogen.
Auch bei der Körper-, Geist- und Seele-Ertüchtigung hat die Festival-Kuratorin und Face-Yoga-Expertin Niki Stephanus diesmal wieder eine Star-Besetzung zusammengetrommelt. Wie den amerikanischen „Power Yoga“-Pionier Bryan Kest, den Schauspieler Ralf Bauer mit dem tibetischen Yoga Luh Yong, Österreichs Ober-Yogi Marcel Clementi, Helga Baumgartner, Tanja Seehofer, Christine May und Patrick Broome, der mit Yoga die deutsche Fußballelf zum Titel in Brasilien führte und „Yoga für alle“ zugänglich macht. Gutes Stichwort: Der Basar mit seinen 45 Ständen im Barockgarten am Seeufer ist für jeden, auch ohne Ticket, zugänglich.
Om am See, Freitag bis Sonntag, 11. bis 13. Juli, Füssen, omamsee.com
Yoga Sound Sea, Steinberger See

Diese Weite lässt der Seele Raum: Der stellenweise schön eingewachsene Steinberger See ist mit fast zwei Quadratkilometern der größte im Oberpfälzer Meer. Und an seinem Ufer breitet sich auf 80 000 Quadratmetern das „Yoga Sound Sea“ aus. Wenn man von einem Woodstock des Yoga sprechen kann, dann ist es hier. Aus allen Himmelsrichtungen und von sehr weit her strömen die Yogis, um unter sich zu sein mit dem „Who is Who“ der Szene. Vier Tage lang wird draußen und in zehn Zelten geschwitzt, umarmt, gesungen und getanzt – und die Kinder toben sich auf einem eigenen Spielfeld aus. Es gibt indische Zithermusik im Bootshäuschen, Meditation direkt am Ufer und – der Sound! - Konzerte von Kirtan-Stars wie Sam Garrett, The Satnam Sessions, Johannes Vogt oder der israelisch-kanadischen Singer-Songwriterin und Aktivistin Yael Deckelbaum.

Und weil das alles so schön ist und der Spirit nahezu legendär, kommen auch die prominenten Lehrer gerne zu ihrer Auszeit und zum Austausch mit den Kollegen in die Oberpfalz: Aus München etwa Patrick Broome, aus Frankfurt Timo Wahl, aus Berlin „Sprit Yoga“-Gründerin und Autorin Patricia Thielemann, und aus Mallorca der brasilianische Sunny Boy David Luray („The Spinal Countdown“). Wenn es in einigen der 125 Workshops von Breathwork bis Punk Yoga an vier Tagen schon mal recht eng zugeht, dann lässt einen eine Session SUP-Yoga auf einem Luftbrett draußen auf dem See wieder aufatmen.
Yoga Sound Sea, Donnerstag bis Sonntag, 3. bis 6. Juli, Steinberger See
Curasui, Pforzen
Yogis lernen, gelassen zu bleiben, auch wenn was danebengeht. Schon insofern ist Stephanie Schönberger eine im Allgäu und weit darüber hinaus geschätzte Meisterin ihres Fachs. Im Kloster Irsee hatte die Lehrerin einen inspirierenden Raum für ihr „Curasui“-Festival gefunden – aber etwas lief schief mit der dortigen Akademieleitung, man musste fort. Sie gab nicht auf, fand einen neuen Ort, eine Mehrzweckhalle am grünen Rand von Pforzen, nicht ganz so schön – aber sie bewahrte die Seele des Festivals und hielt die familiäre Gemeinschaft zusammen. So trifft man sich auch diesmal wieder, beim fünften Curasui unterrichten etwa Luna Schmidt, Christine May, Tanja Seehofer und Yann Kuhlmann, Shaktiji, Aleah Gandharvika, Bitta Boerger, Miss ShantiPanthi und viele mehr. Übrigens, Udo war auch schon hier: In den Pforzener Auen lebte vor 11,6 Millionen Jahren ein Primat, dem ein sehr witziger Ausstellungspavillon gebaut wurde: Er war der erste Menschenaffe mit aufrechtem Gang – den kann man auch beim Yoga lernen.
Curasui, Samstag und Sonntag, 26. und 28. September, Pforzen
Klangtherapie, Plankenfeld
Klangtherapie ist mehr als ein Yoga-Festival. Es ist auch mehr als ein Techno-Rave. Die Veranstalter sagen, es ist: eine Utopie. Oder: Liebe. Seit 20 Jahren verwandelt ein Team von unermüdlichen Freiwilligen „20 Hektar fränkischen Waldboden“ in eine „Kulturlandschaft“, und das ganz unkommerziell und ohne Sponsoren. So sollen für 4500 Besucher Räume für Begegnungen entstehen: beim gemeinsamen Tanzen zu Techno und Live-Bands (von Alien Chicks über Stereo Total-Held Brezel Göring bis zur Kurkapelle Sonnendeck) ebenso wie bei unzähligen Workshops von Acro-Yoga über Blumenkränze binden und Aktzeichnen bis zum Räuchern mit heimischen Pflanzen. Vier Tage in drei Wörtern: „Techno. Liebe. Utopie.“