XXXLutz schließt:Alles muss raus

XXXLutz schließt: Jahrzehnte lang war die Theresienhöhe wichtiges Ziel für alle Münchner, die sich neu einrichten wollten.

Jahrzehnte lang war die Theresienhöhe wichtiges Ziel für alle Münchner, die sich neu einrichten wollten.

(Foto: Stephan Rumpf)

Mit XXXLutz schließt am Wochenende das letzte große Einrichtungshaus in der Innenstadt. Großflächiger Möbelhandel habe dort einfach keine Chance mehr, sagt die Geschäftsführung. Die Gewerkschaft sieht dagegen ein abgekartetes Spiel und fordert Aufklärung.

Von Katja Riedel

Da hängt er noch, der riesige rote Stuhl. Das Plakat, das ihn zeigt, ragt von der Balustrade des zweiten Stocks bis ins Untergeschoss hinab. Am Samstag werden sie auch dieses Plakat einrollen, die letzten Wände und die Verkaufsregale rausreißen, dann war es das: mit dem Ausverkauf und mit XXXLutz auf der Theresienhöhe. Ein paar Regale, drei Couchtische, fünf Sofas sind alles, was von der Wohnzimmerabteilung übrig geblieben ist.

"Rolf Benz hab ich noch da", sagt eine Verkäuferin und zeigt eine aschgraue Nobelcouch. Mehr als 9000 Euro soll das Ecksofa einmal gekostet haben, auf dem gelben Schild sind nun knapp 4000 notiert. Man könne sie aber wohl für 2000 Euro mitnehmen. Sie wollen fertig werden, die Verkäufer, die eigentlich in anderen Häusern arbeiten und die die Geschäftsführung eigens zum Ausverkauf auf die Münchner Theresienhöhe beordert hatte - nachdem die Geschäftsleitung die eigene Münchner Belegschaft am 5. Oktober nach Verkaufsschluss kurzerhand vor die Tür gesetzt hatte. "Morgen sind wir fertig", ist die Dame zuversichtlich - "dann wird nurmehr ausgefegt".

Wolfgang Hofmann war vor zwei Tagen zum letzten Mal im ehemaligen Betriebsratsbüro. Jetzt haben sie ein Notquartier bezogen, ein paar Hundert Meter entfernt, im Gewerkschaftshaus bei Verdi. Bis vor zwei Jahren hat Wolfgang Hofmann, 44, hochwertige Planungsmöbel verkauft, aber von diesen hätte Lutz zuletzt immer weniger umgesetzt. Hoffmann hatte sich da schon aus dem Verkauf zurückgezogen, war Sachbearbeiter. Er habe den Druck, der auf den Provisionsverkäufern lastete, nicht mehr ertragen. 16 Jahre lang hat er im selben Haus gearbeitet. Zuerst für Karstadt, dann kam XXXLutz. Und damit ein anderer Ton, sagt er. Dabei hatte er damals noch gedacht, es müsse doch auch mit dem Neuen möglich sein, in der Münchner Innenstadt teure Möbel zu verkaufen. "Aber der Umsatz ist immer weniger geworden."

Von der Schließung erfuhr Hofmann, als er am 7. Oktober morgens seinen Anrufbeantworter abhörte, viele Nachrichten von Kollegen waren darauf. "Erstmal war ich platt", sagt er. Auch, wenn er selbst sich schon länger über Alternativen Gedanken gemacht hatte. Denn bei Lutz, da sei es immer nur um Gewinnen und Verlieren gegangen. "Die Austauschbarkeit bekommt man da jeden Tag signalisiert. Aber der Mensch, der braucht doch auch Anerkennung". Für manchen sei es sehr schwierig gewesen, sagt er.

Vor allem für jene, die älter waren und nicht mehr so schnell. Und ganz besonders für jene, die noch alte Verträge aus der Karstadt-Zeit hatten: also mehr als 20 Tage Urlaub und Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. "Die wollten uns einfach los sein", sagt er. Sonst hätten sie doch die Schließung langfristig verkündet, die Mitarbeiter auf andere Filialen verteilt oder umgeschult. Dass er dieses Ende nicht vorausahnte und mit den Betriebsratskollegen rechtzeitig einschreiten konnte, macht ihm zu schaffen. Er selbst hat schon einige Vorstellungsgespräche geführt und ist guter Dinge. Doch für manch älteren Kollegen sieht er schwärzer.

Kein Modell für die Zukunft

Dirk Nagel sieht eher rot, wenn es um XXXLutz geht. Richard Seifert, der mit seinem Bruder Andreas hinter der österreichischen Privatstiftung steht, die als Keimzelle der Gruppe gilt, hat Nagel deshalb einmal einen besonders kriegerischen Gewerkschaftssekretär genannt. Er habe das als eine Auszeichnung empfunden, sagt Nagel. Seit mehr als fünf Jahren kümmert sich der Verdi-Mann um das Lutz-Universum, das aus etwa 140 unterschiedlichen Gesellschaften und einem komplizierten Firmengeflecht besteht. Inzwischen glaubt Nagel zu wissen, worauf es bei den Verhandlungen um einen Sozialplan ankommt: den richtigen Gesprächspartner an den Tisch zu bekommen. Denn Lutz hat vor einigen Jahren das komplette Unternehmen umstrukturiert und dabei das Personal und die Immobilien ausgegliedert. Schon damals lief der Gewerkschafter Sturm gegen die Änderungen und vermutete, dass dies dem Zweck dienen sollte, Personal leichter abbauen zu können.

XXXLutz steht zu der Umstrukturierung, die die Geschäftsführung jedoch völlig anders bewertet als Nagel. Lutz hat in den vergangenen Jahren stark expandiert, hat einzelne Häuser und ganze Ketten gekauft. Diese neue Organisation, die seit 2010 gilt, diene der Vereinheitlichung der Abläufe in allen Betrieben, sagt Helmuth Götz, Sprecher der Geschäftsleitung der XXXLutz Möbelhäuser. Sie sichere, dass Aufgaben klar verteilt würden. Es gehe auch um "Führungsverantwortung vor Ort" und Kostentransparenz. Die Kosten hätten daher auch den Ausschlag gegebenen, das Münchner Haus zu schließen: "Letztlich hat sich gezeigt, dass großflächiger Möbelhandel in der Innenstadt kein Modell für die Zukunft ist."

Gewerkschafter Nagel fühlt sich jedoch in seiner Angst bestätigt. Er ärgert sich, dass der Firmenteil, der als Deutschlandzentrale gilt und für den Helmuth Götz spricht, zwar öffentlich sagt, man komme für die Mitarbeiter auf. Gleichzeitig weigere sich aber diese in Würzburg ansässige Gesellschaft namens BDSK, einen Vertreter an den Verhandlungstisch zu setzen. "Die Gewerkschaft ist nur auf Stimmungsmache aus und nicht auf konstruktive Lösungen im Sinne der Arbeitnehmer", entgegnet dem Helmuth Götz.

Handelsregister-Einträge zeigen, dass XXXLutz das Haus bereits vor einem Jahr einer neuen Mutter-Gesellschaft unterstellt hatte. Zum Geschäftsführer bestellte man den Münchner Hausleiter - Geschäftsführer der so abgelösten Gesellschaften war zuvor Alois Kobler, einer der führenden Köpfe der BDSK und vieler anderer Lutz-Gesellschaften. Für Dirk Nagel ist das ein Beleg dafür, dass die Schließung des Hauses seit einem Jahr vorbereitet worden sein könnte. Über die Umstrukturierung informierte man nämlich den Münchner Betriebsrat erst im August 2013.

Darüber, dass der Hausleiter dort schon seit Monaten Geschäftsführer war, erfuhr der Betriebsrat nichts - und somit auch nicht über die Folgen: München war ein gutes Stück vom Mutterunternehmen abgerückt. Und die Haftung liegt eben nicht mehr dort, sondern bei einer weitläufig verbundenen Tochter. Helmuth Götz begründet die Umstrukturierung anders: Geschäftsführerverantwortung auf die örtlichen Führungskräfte zu übertragen helfe, "die Durchsetzung und Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen in den Filialen weiter zu verbessern und Entscheidungsprozesse vor Ort zu beschleunigen".

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