Wunschzettel der Planer:Stockender Verkehr

Streik bei der Münchner S-Bahn, 2010

Für die Pendler in der Region München gehören überfüllte Züge und Staus auf den Straßen zum Alltag.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das Projekt einer zweiten Stammstrecke kommt nicht voran, neue Verbindungen zwischen U- und S-Bahn in der Region München existieren nur auf dem Papier. Dabei gibt es gute Ideen. Ein Überblick über die Projekte - von der Stammstrecke bis zur Seilbahn.

Von Marco Völklein

"Eigentlich brauchen wir alles", sagt Münchens Stadtbaurätin und oberste Verkehrsplanerin Elisabeth Merk - "zweite Stammstrecke, neue U-Bahnen, Trambahntangenten, die Stadt-Umland-Bahn." Die Stadt und der Großraum werden wachsen in den nächsten Jahren - um den Verkehrskollaps zu verhindern, gibt es eine Vielzahl von Projekten.

Das S-Bahn-Problem

Der zweite S-Bahn-Tunnel ist das Dauerstreitthema - und an ihm hängen viele weitere Projekte, unter anderem der neue Hauptbahnhof. Der kann erst gebaut werden, wenn die zweite Röhre gegraben wurde. Zwar erwarten die Planer im kommenden Jahr weitere Genehmigungen, doch die Finanzierung des Milliarden-Projekts ist weiter offen.

Deshalb plädieren die Tunnelgegner dafür, das Geld in andere Maßnahmen zu stecken: etwa den zusätzlichen Halt für Regionalzüge an der Poccistraße sowie de n Bau der Sendlinger Spange - einer Querverbindung von Laim nach Sendling und zum Ostbahnhof, damit bei Problemen im Stammstreckentunnel S-Bahnen besser umgeleitet werden können.

Die Flughafenanbindung

Eng verbunden mit dem Tunnel ist der viergleisige Ausbau der S 8-Trasse zum Flughafen. Der Stadtrat hat beschlossen, das Ganze in einem Tunnel zu vergraben - für 500 bis 700 Millionen Euro. Ob der kommt, ist angesichts der Summe fraglich.

Weiter ist das Projekt der Neufahrner Kurve, mit dem Ostbayern per Bahn an den Flughafen angebunden werden soll. Das 83-Millionen-Euro-Projekt ist mittlerweile rechtsgültig genehmigt. Für 2018 ist die Inbetriebnahme terminiert.

Lange nicht so weit sind die beiden anderen Projekte am Flughafen: der Erdinger Ringschluss und die Walpertskirchner Spange. Beide sind nötig, um Züge irgendwann mal vom Airport nach Mühldorf führen zu können und damit diesen Raum besser anzubinden, aus dem viele Arbeitnehmer in den Großraum München drängen.

Um das zu realisieren, müsste die bislang eingleisige Bahnstrecke München-Mühldorf ausgebaut werden. Auch hier kommen Bund und Freistaat nur in Trippelschritten voran.

Die U-Bahn-Pläne

Für MVG-Chef Herbert König ist es eines der drängendsten Probleme: Mit einer neuen Innenstadt-Linie, genannt U 9, könnten die aus allen Nähten platzenden Linien U 3 und U 6 entlastet werden. Das Projekt steht aber noch am Anfang, derzeit wird eine erste Machbarkeitsstudie erstellt. Die Finanzierung ist unklar: Da die Innenstadt schon sehr gut erschlossen ist, dürfte es schwierig werden, die nötige Kosten-Nutzen-Relation zu erreichen.

Das gilt auch für andere U-Bahn-Pläne, etwa die U 5-Verlängerung nach Pasing, die in Konkurrenz zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke steht. Dennoch machen sich CSU und FDP dafür stark, weil sie die U 5 gerne weiter ins Neubaugebiet Freiham verlängern würden.

Ganz ähnlich die Situation im Osten: Auch die U 4-Verlängerung nach Englschalking führt durch eher dünn besiedeltes Gebiet, könnte aber sinnvoll sein, um das geplante Neubaugebiet östlich der S 8-Trasse an das U-Bahn-Netz anzuschließen. Solche Ideen sind aber noch in weiter Ferne.

Konkreter dagegen sind die Pläne zur U 6-Verlängerung nach Martinsried. Hier streiten sich der Freistaat und die Gemeinde Planegg noch darüber, wer die Risiken des 70-Millionen-Euro-Projekts trägt.

Die Trambahnen

Weil neue U-Bahnen teuer sind, will Rot-Grün neue Viertel lieber mit der Tram erschließen - etwa mit der Tram-Querspange im Münchner Norden, wo die bestehende 23er verlängert und mit einer Querverbindung zwischen den U-Bahnhöfen Am Hart und Kieferngarten ergänzt werden soll.

Im Westen soll die 19er-Tram von Pasing ins Neubaugebiet Freiham verlängert werden, um das Areal in Nord-Süd-Richtung zu erschließen und an die nahen S-Bahn-Stationen anzubinden. Möglich auch, dass im Osten eines Tages eine Linie von der St.-Emmeram-Tram am Cosimabad abbiegt zum S-Bahnhof Englschalking und von dort weiter in das Neubaugebiet östlich der S 8.

Zudem macht sich Rot-Grün stark für die Trambahn-Westtangente in der Fürstenrieder Straße - gegen den erbitterten Widerstand von CSU und FDP sowie einer Anwohner-Bürgerinitiative. Widerstand gibt es auch bei der Tram durch den Englischen Garten, die Schwabing und Bogenhausen verbinden könnte.

Konkrete Pläne (und keine Gegner) gibt es dagegen für die Steinhausen-Tram, die womöglich Ende 2015 in Betrieb gehen könnte - und dann vom Max-Weber-Platz nach Berg am Laim führen soll.

Die Straßentunnel

Im Bau befindet sich derzeit derTunnel Südwest am Luise-Kiesselbach-Platz. In Betrieb gehen wird der knapp 400 Millionen Euro teure Bau voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2015.

Bereits jetzt allerdings wird über neue Straßentunnel heftig gestritten: Eine Bürgerinitiative macht sich für eine Untertunnelung des Englischen Gartens stark. Anwohner fordern weitere Straßentunnel an der Tegernseer Landstraße und der Chiemgaustraße in Giesing sowie an der Landshuter Allee in Neuhausen, um die Belastungen durch Lärm und Dreck zu mindern. Alle Tunnel zusammengenommen würden wohl mehr als eine Milliarde Euro kosten. Im Sommer will der Stadtrat entscheiden, ob überhaupt, und wenn ja, welche neuen Straßentunnel in welcher Reihenfolge gebaut werden. Rot-Grün sieht die Pläne skeptisch - auch wegen der hohen Folgekosten etwa für den Unterhalt. CSU und FDP plädieren dagegen vehement für zusätzliche Röhren.

Die Autobahnen

Vorerst auf Eis liegt der geplante Autobahn-Südring - Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wollte es sich mit den Wählern nicht verscherzen. Allerdings werben vor allem Vertreter aus den Kommunen nördlich von München weiter für den Ringschluss, um so die A 99 im Norden zu entlasten.

Denn dort wächst der Verkehr stetig. Gerne würde daher die Autobahndirektion Südbayern den geplanten achtstreifigen Ausbau der A 99-Ost voranbringen. Doch auch hier fehlt es vor allem am Geld. Ähnlich sieht es beim sechsstreifigen Ausbau der A 92 zwischen Feldmoching und Neufahrn aus.

In weiter Ferne liegt zudem die Idee einer Einhausung der Lindauer Autobahn. Zwar machen sich CSU und FDP im Stadtrat immer wieder dafür stark. Doch SPD und Grüne bremsen - und verweisen auf den Freistaat. Der wäre eigentlich zuständig.

Die Stadtviertelprojekte

Vorerst gescheitert ist der seit Jahrzehnten geplante und heftig umstrittene Durchstich der Stäblistraße zur A 95 in Forstenried. Die Regierung von Oberbayern hatte dem Projekt im Frühjahr die Genehmigung verweigert - unter anderem, weil Anwohner entlang der geplanten Neubautrasse mit deutlich mehr Verkehr belastet würden.

Aus ganz ähnlichen Gründen gibt es auch bei der Anbindung der Schleißheimer Straße an die A 99 im Münchner Norden und bei der geplanten Umfahrung Kirchtruderings Streit zwischen Planern und Anwohnern.

Bei der Südanbindung Perlach dagegen zoffen sich die Landeshauptstadt und die Gemeinde Neubiberg.

In Starnberg wiederum scheiterte der geplante Innenstadt-Tunnel der B 2 bislang vor allem an der fehlenden Finanzierung für das 163-Millionen-Euro-Projekt.

Nur eine erste Idee ist eine Seilbahn, die von der U-Bahn-Station Thalkirchen über den Tierpark das Isar-Hochufer hinauf zum Tiroler Platz in Harlaching führen könnte. Sie soll im Münchner Süden eine Lücke im Nahverkehrsnetz schließen.

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