"Wunschkonzert" in den Kammerspielen:Frau Rasch auf verlorenem Posten

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Erst träumt sie sich eine Liebe und ein schönes Leben herbei, dann bringt sich Frau Rasch um. David Heiligers Inszenierung von Franz Xaver Kroetz "Wunschkonzert" bleibt ein ödes Spiel.

Eva-Elisabeth Fischer

Das Fräulein Rasch ist zu Frau Rasch geworden. Im Jahr 2012 weiß man wahrscheinlich nicht mehr, was ein Fräulein ist. 1973, als das "Wunschkonzert" von Franz Xaver Kroetz uraufgeführt wurde, war das anders. Besagtes Fräulein Rasch ist Mitte 40 und hat - man sagte das damals so bös' - keinen abgekriegt. Sie lebt allein in ihrer Wohnung, die sie pedantisch in Ordnung hält.

Fräulein oder Frau? Annette Paulmann als stumme Mitvierzigerin mit hohem Frustpotenzial. (Foto: Conny Mirbach)

Beim abendlichen "Wunschkonzert" von Fred Rauch träumt sie sich bei Schnulzen wahrscheinlich eine Liebe und ein schönes Leben herbei. Dann bringt sie sich ganz still und ordentlich um. Mit diesem gut einstündigen Stummspiel in der Regie des Autors fand die erschreckend präzise, in ihrer nichtigen Lebenstragik herzergreifende Heidy Forster als das zum Tode einsame Fräulein Rasch Mitte der 70er auch international Triumphe.

Frau Rasch, gespielt von Annette Paulmann im Werkraum der Kammerspiele, kommt erst zum Zuge, nachdem die Regieanweisungen aus dem Off vorgelesen sind und man als Zuschauer schon alles weiß. Paulmann, ausgestattet mit einer stattlichen Büste und einem eher bräsigen Naturell, frönt in ihrem Wohnkasten akribisch ihrem Putz- und Ordnungswahn.

Sie hört kein Wunschkonzert, sondern zappt sich durch Tiersendungen in der Glotze und liest Geo statt den Stern. Weil sie aber nichts hört, was ihre Träume beflügelt, sondern zu irgendwelchen Beats mit den Füßen wippt, weiß man nicht, ob sich in ihrem Kopf oder Herzen überhaupt etwas abspielt.

Stattdessen muss sie ihren Holzwohnkasten herumschieben, um irgendwelcher überflüssiger Perspektivwechsel und dekonstruktivistischer Ansichten willen, und durch eine Klappe heraus und hinein kriechen. Was sie tut, wird mittels zweier Livekameras auf die Außenhaut ihres Containers projiziert.

Regisseur David Heiligers bezweckt offenbar, ein bisschen Tempo ins 85-minütige öde Spiel durch Aktionismus und allerlei Mätzchen zu bringen, welche, man wundert sich, auch noch herzlich belacht werden. Jene Augenblicke, da bei Frau Rasch Gefühl und beim Zuschauer Irritation aufkommen, ihr busenbebendes Schluchzen beim unvermittelten Abendgebet zum Beispiel, vergeigt er ebenso wie die gesamte Inszenierung.

Vor diesem "Wunschkonzert" wusste man nicht, wer David Heiligers ist. Das wird sich nicht ändern. Und die hohle Frau Rasch, die haben wir schon während der Vorstellung vergessen.

© SZ vom 25.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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