Würmtal:Mit der Kraft der Sonne

Die Grünen möchten eine Kiesgrube zwischen Gräfelfing und Planegg in einen Wärmespeicher für die Wintermonate umwandeln. Bei einem Infoabend erklären Experten die technischen Voraussetzungen

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Eine riesige Kiesgrube, gefüllt mit Wasser und Bauschutt, dient als Wärmespeicher: Die Sonne liefert die Energie, die das Füllmaterial im Sommer aufheizt, die Wärme wird gespeichert und in den Wintermonaten entnommen. Die Idee hat Charme: Die Wärmegewinnung ist CO₂-neutral, den Brennstoff - die Sonne - gibt es umsonst. In Dänemark ist diese Art der saisonalen Wärmespeicherung längst verbreitet, im Würmtal träumen die Planegger Grüne Gruppe 21 und die Gräfelfinger Grünen davon. Die Grube gibt es bereits an der Ortsgrenze zwischen Gräfelfing und Planegg. Am Montagabend haben die Grünen Experten ins Gräfelfinger Bürgerhaus geladen, um zu zeigen, wie die Wärmespeicherung funktioniert.

Eine Kiesgrube als Wärmespeicher könnte nicht nur ein innovativer Beitrag zur Energiewende sein, das Thema eignet sich auch für den Wahlkampf: Die grüne Gruppe 21 in Planegg und die Grünen/Unabhängige Liste in Gräfelfing haben sich zusammengetan, um ihre Idee im Bürgerhaus vorzustellen. Martin Feldner aus Gräfelfing und Angelika Lawo aus Planegg präsentierten sich bei der gut besuchten Veranstaltung als grüne Bürgermeister-Kandidaten, die hinter dem Projekt stehen. Als Referenten war Professor Gerhard Mengedoht geladen, der Solares Bauen an der Universität in Ulm lehrt und der außerdem auf der Liste der Gräfelfinger Grünen auf Platz sechs für den Gemeinderat kandidiert, und Christian Stadler, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung des dänischen Solarthermie-Anlagen-Herstellers Arcon-Sunmark.

Wohnviertel Ackermannbogen in München, 2010

Nicht nur ein Rodelhügel: Am Ackermannbogen steckt ein Wärmespeicher in der Hügellandschaft. Das Pilotprojekt wurde 2006 gestartet.

(Foto: SZ-Archiv/Robert Haas)

Die Idee des Erdbeckenspeichers basiert auf der Solarthermie: der Nutzung von Sonnenenergie, um damit Wärme zu erzeugen. Wie effizient das sein kann, zeigte Gerhard Mengedoht an seinem eigenen Haus auf: Der Ingenieur hat neben sein Haus in Lochham im Jahr 2013 einen Turm gebaut, auf dem Sonnenkollektoren und eine Photovoltaik-Anlage Platz finden. Der Turm mit Wasserspeicher fungiert als Wärme- und Stromlieferant für das im Schatten liegende Wohnhaus. Mit diesem Nahwärmesystem konnte Mengedoht seinen Gasverbrauch um die Hälfte reduzieren. Die Herausforderung bei der Nutzung der Solarthermie sei die Speicherung, erklärte er. Die Dänen seien dabei Vorreiter, "die können das".

Die Kiesgrube zwischen Martinsried und Gräfelfing ist in den Augen der Grünen ein idealer Standort für so ein Projekt. Die Grube, gut isoliert und gefüllt mit einem 300 Millionen Liter umfassenden Gemisch an Erde, Bauschutt und Wasser, könnte als Erdbeckenspeicher dienen. Das Wasser würde aus verschiedenen Energiequellen im Sommer erwärmt. Das im Planegger Flächennutzungsplan vorgesehene Solarfeld kommt in Frage, aber auch Energie aus der geplanten Geothermie und aus Blockheizkraftwerken. Ebenso könnte die Abwärme aus Klimaanlagen und Verarbeitungsprozessen in den umliegenden Gewerbegebieten genutzt werden. Gleichzeitig kommen die Firmen im Winter als Abnehmer der Wärme aus dem Erdbeckenspeicher in Frage. Die Grube wiederum könnte abgedeckt werden, "oben drauf könnten Schafe grasen", so Feldners Vision. Tatsächlich könnten bei solchen Anlagen Energie- und Ökokonzepte "verheiratet werden", erklärte Stadler. Die Flächen um eine Solarthermieanlage herum blieben weitgehend unberührt und dienten als Lebensraum für Tiere und Insekten. Stadler hält die Kiesgrube als Startpunkt für einen Wärmespeicher für geeignet: "Es ist perfekt. Sie haben das Loch bereits."

Inwiefern sich die Idee realisieren lässt und ob sie wirtschaftlich ist, konnte an dem Abend nicht geklärt werden. Ziel der Veranstalter ist es, in den neu gewählten Gemeinderatsgremien Mitstreiter für das Projekt zu gewinnen und letztlich zumindest eine Machbarkeitsstudie in Auftrag zu geben.

Wie sinnvoll und effizient eine solche Lösung ist, könnten die Erfahrungen aus einem 2006 in der Münchner Siedlung am Ackermannbogen gestarteten Pilotprojekt zur solaren Nahwärme zumindest ein Stück weit einschätzbar machen. Unter dem Rodelhügel versteckt sich ein sechs Millionen Liter fassender Wasserspeicher, mit dessen Hilfe 320 Wohnungen über Rohrleitungen das ganze Jahr über mit Warmwasser versorgt und bis in den Januar hinein zusätzlich beheizt werden können. 3000 Quadratmeter Solarkollektoren auf drei großen Wohnblocks liefern im Sommer die Energie zur Erhitzung des Wassers auf bis zu 90 Grad im Reservoir unter der Erde. Im Winter dann kehrt sich das Ganze um: Die Wärme wird aus dem Speicher entnommen und in die angeschlossenen vier Wohnblocks und acht Stadthäuser transportiert. Bis zu 45 Prozent des Energiebedarfs können so gewonnen werden - den Rest übernimmt die Fernwärme. Doch die teuren Investitionen lohnten sich am Ackermannbogen nur wegen der damals gewährten Zuschüsse.

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