Süddeutsche Zeitung

Würmtal:Locus sanctus

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Für sein Ausstellungsgroßprojekt "Glaube-Liebe-Hoffnung" führt der Kunstkreis Gräfelfing durch Kirchen, Kapellen und Aussegnungshallen. 30 renommierte Künstler erkunden dort ihr Verhältnis zum sakralen Raum

Von Annette Jäger

Kirchen sind Orte der Besinnung, der Ruhe, der Spiritualität. In den kommenden Wochen, bis 15. August, werden sie auch zu Orten der Kunst. Unter dem Titel "Glaube-Liebe-Hoffnung" zeigen 30 Künstler auf Einladung des Kunstkreises Gräfelfing zeitgenössische Werke an sakralen Orten. In Kirchen, Kapellen und Aussegnungshallen in Gräfelfing, Lochham und Planegg sind von Samstag, 23. Juni, an fast 100 Kunstwerke zu sehen. Begleitend gibt es ein sehr breites Programm mit Vorträgen, Konzerten, Lesungen und Performances. "Es wird ein Kultursommer", kündigt Bettina Kurrle, Vorsitzende des Kunstkreises, dieses mittlerweile sechste Großprojekt des Vereins an.

Der Kunstkreis Gräfelfing hat ein Faible für ausgefallene Ausstellungsorte: Ein Kieswerk war 2011 Schauplatz für Kunst, 2015 war es dann ein verwunschener Bauernhof mitten in Gräfelfing samt Gewächshäusern, Schuppen, Brunnen und Wiesen. Jetzt werden also sakrale Orte bespielt. Gräfelfing hat einige davon: eine barocke Kapelle am Waldrand, einen modernen Kirchenbau wie St. Stefan im Ortszentrum, ein Wegkreuz an der Bahnhofstraße, eine denkmalgeschützte wie auch eine moderne Aussegnungshalle. Die an der Ortsgrenze zu Planegg liegende, sehr besondere Waldkirche sowie die kleine Kirche St. Georg, die idyllisch auf einer Würminsel gelegen ist, werden ebenfalls miteinbezogen. "Es ist ein Kulturschatz direkt vor der Haustür", sagt Kurrle. Die ausgestellte Kunst soll für die Besucher ein Anlass sein, in die Kirchen zu gehen und diese Orte völlig neu zu erleben. Das Großprojekt wird von einem Team von 15 Ehrenamtlichen im Kunstkreis gestemmt.

Der Kunstkreis hat 30 überregionale Künstlerinnen und Künstler aufgefordert, sich mit dem Thema "Glaube-Liebe-Hoffnung" auseinanderzusetzen. Diese haben die Ausstellungsstätten besichtigt und manche Werke extra für die jeweiligen sakralen Orte konzipiert. Malerei, Skulptur, Fotografie, Installationen, Medienkunst, Interventionen, Klang und Licht sind zwischen Altar, Kirchenbänken und Kreuzen zu sehen. Manche Künstler setzen sich in ihren Arbeiten auch konkret mit dem Kirchenmobiliar auseinander.

Wie bei jeder großen Ausstellung ist es dem Kunstkreis wieder gelungen, angesagte Namen nach Gräfelfing zu holen. Darunter ist der internationale angesehene Pasinger Foto- und Videokünstler Christoph Brech, der in der Waldkirche eine Video-Klang-Installation zeigt. Der Bildhauer Werner Mally wird in der Michaelskirche das Kirchenmobiliar umräumen und so neue Blickpunkte schaffen. Am selben Ort sind Arbeiten der dänischen Künstlerin Sofie Bird Møller zu sehen, die sich in einer Grafikserie mit einer Bibelbebilderung auseinandersetzt. Beeindruckend wird auch die aus Organza-Seide gearbeitete Himmelsleiter von Sheila Furlan in der Kirche St. Johannes der Täufer sein.

Erst war die Kunst da, dann folgte die Idee, Musik, Vorträge, Literatur, Tanz und Workshops in die Kirchen dazu zu holen, berichtet Bettina Kurrle. Mehr als 20 Programmpunkte sind zusammengekommen. So gestaltet etwa am Sonntag, 24. Juni, Christoph Brech um 10.10 Uhr einen Kunstgottesdienst in der Waldkirche. Auch die Gräfelfinger Gelegenheitsschreiber Grägs sind mit einer szenischen Lesung zu Ödön von Hórvaths Drama "Glaube Liebe Hoffnung" dabei, am Freitag, 13. Juli, um 18.30 Uhr in der Michaelskirche. Ein Höhepunkt wird die Verleihung des vierten Gräfelfinger Kunstpreises in der neuen Aussegnungshalle am Freitag, 20. Juli, 19 Uhr, sein mit einem Konzert des Chors Capella Nova München und Momentmalerei der Künstlerin Anja Verbeek von Loewis. Am Freitag, 27. Juli, sind die Kirchen in einer "Langen Nacht der Kirchen" von 21 Uhr bis Mitternacht geöffnet, bei der die Kunstwerke illuminiert werden. Ein Programm zu Andacht und Besinnung ist vorgesehen.

Für Besucher wird es eine Herausforderung sein, angesichts der weiten Wege die gesamte Ausstellung in einem Durchlauf zu besichtigen. Der Kunstkreis bietet deshalb Bustouren an: Die Ausstellung ist in zwei kunsthistorisch begleitete Touren aufgeteilt, die donnerstags und an den meisten Sonntagen jeweils sechs Ausstellungsorte anfahren. Die Touren starten am S-Bahnhof Gräfelfing beim Info-Point, um 15 Uhr (Tour 1) und um 16.30 Uhr (Tour 2). Auch auf dem Fahrrad lassen sich die sakralen Orte erkunden, es gibt zwei organisierte Touren, am Sonntag, 22. Juli, und am Sonntag, 5. August, jeweils um 15 Uhr, Start ist am S-Bahnhof. Wer sich auf eigene Faust aufmachen will, kann die sakralen Orte immer von Donnerstag bis Sonntag von 15 bis 18 Uhr besuchen. Ein Programmheft liegt in allen Kirchen aus oder ist im Internet abrufbar unter www.glaube-liebe-hoffnung.com.

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SZ vom 20.06.2018
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