Kritik:Familie der Zukunft

"World Wo*Men" - eine iranisch-deutsche Koproduktion im Schwere Reiter.

Von Egbert Tholl, München

Sadrollah Aghakhani lebt im Iran und sagt im Videointerview, früge man seine Frau, dann würde die sagen, er sei egoistisch und tyrannisch. Er erzählt. Von seiner Kindheit. 14 Geschwister, fünf starben früh, zeitweilig lebte die Famile, bis zu zwölf Menschen, in einem Zimmer von 15 Quadratmetern Größe. Mit 13 fing er an zu arbeiten, immer arbeiten, damit es dann auch der eigenen Familie gut gehen könne. Er hat drei Kinder, die jüngste Tochter studiert gerade Medizin. "Meine Tyrannei war nur für ihre Zukunft."

"World Wo*Men" im Schwere Reiter ist ein Projekt, das den Rahmen einer freien Produktion ungeheuer ausdehnt. Der iranische Regisseur Pooyan Bagherzadeh, die Regisseurin Kerstin Lenhart und Mirella Oestreicher als Entwicklerin des Gesamtkonzepts untersuchen, was Familie ist, sein wird. Recherche trifft auf Utopie. Den Kern dieser iranisch-deutschen Koproduktion - man mag sich gar nicht ausmalen, welche Logistik, welche Findigkeit eine solche in diesen Zeiten erfordert - bilden 16 Interviews, acht geführt in Deutschland, acht im Irak. Kulturelle Unterschiede werden nivelliert, es geht um die Frage, wie Familie, kleinste Zelle der Gesellschaft, in der Zukunft aussehen wird.

Drei Routen, drei Gruppen, jede sieht etwas anderes. Leider jeweils nur zwei der Interviews, die anderen kann man im Netz nachschauen. Der Aufwand ist enorm, die Friedrich-Ebert-Stiftung half. Man trifft auf vier Darstellende. Auf Niloofar Nedaei aus Teheran, die eine DJane mimt, an der Grenze dessen, was in ihrer Heimat erlaubt ist und hier eher brav wirkt. Auf Oury Diallo, Amiin Manian und die strahlende Ines Hollinger, bei der man seine Ängste deponieren kann. Die Vier sind emotionale Verstärker, dazu eine Prise Esoterik und fabelhaftes Sounddesign von Xpherekube. Man treibt, annähernd fluid, durch Bild-, Ton- und Gedankenwelten. Ergebnis, danach: intensive Gespräche über die eigene Familie und die der anderen Zuschauer.

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