Woolworth kommt zurück:Billige Maschen

Einst gehörten die Woolworth-Läden zum Stadtbild, sogar in der Fußgängerzone war die Krimskrams-Kaufhauskette vertreten. Dann kam der Niedergang. Jetzt wollen die neuen Eigentümer die Marke in München wieder zum Erfolg machen. Drei Filialen gibt es schon, bald sollen es 20 sein.

Ralf Scharnitzky

Woolworth

In Laim hat gerade der dritte neue Woolworth-Laden in München eröffnet.

(Foto: Jakob Berr)

Der Mann hat's durchaus eilig. Sein Geschäft hat nämlich gerade einen guten Lauf. Das war jahrelang nicht so. Deshalb muss man den Schwung, der auch mit der EU-Schuldenkrise zusammenhängt, nutzen. Drei Filialen gibt es schon, in drei bis fünf Jahren sollen es in München wieder 20 Standorte sein - je schneller, desto besser. Dieter Schindel, der sich auskennt in der Welt des Handels, sagt über seinen Job: "Was wir machen, ist retro und auch ein bisschen langweilig."

Und damit hat er durchaus Recht. Der 49-Jährige ist dabei, einem Fossil aus eigentlich vergangen geglaubten Krimskrams-Kaufhauszeiten neues Leben einzuhauchen. Schindel ist Geschäftsführender Gesellschafter eines Unternehmens, das in Deutschland einen Bekanntheitsgrad von knapp unter 100 Prozent hat: Er leitet die Woolworth GmbH, die mit dem Slogan wirbt: "Das billigste Kaufhaus seit 1879!" Und er will die Landeshauptstadt mit seinen Billigangeboten zurückerobern, mit seinen Kaufhäusern in der bayerischen Metropole wieder so stark werden wie in den 70er und 80er-Jahren.

Mit der einst schillernden Marke, mit der es Firmengründer Frank Woolworth im 19. Jahrhundert in den USA zum Millionär brachte, ging es seit der Jahrtausendwende bergab. Ein britischer Investor hatte die deutschen Häuser erworben, nachdem die Läden im Stammland dicht gemacht hatten. Doch die Kurve zeigte weiter nach unten, die Billigkaufhäuser litten unter der immer größer werdenden Konkurrenz durch Billiganbieter im Textil-, Haushaltswaren- und Drogeriebereich. Auch die hohen Mieten in den zum Teil sehr guten Geschäftslagen machten dem Unternehmen zu schaffen.

Betroffen waren auch die zahlreichen Häuser in München, darunter das Aushängeschild des Unternehmens in der Kaufingerstraße. Anfang 2000 wollte der Billiganbieter deshalb weg von den Wühltischen und sein Image aufpolieren. Der hässliche Nachkriegsbau sollte grundlegend verändert werden.

Vor allem der von vielen Münchnern als hässlich empfundene Eingangsbereich mit den beiden leer stehenden roten Imbissbuden sollte ein neues Gesicht bekommen. Doch daraus wurde nichts. Der damalige Generalbevollmächtigte Ulrich Schillert ließ aus der Frankfurter Zentrale verlauten: "Dazu muss man die Filiale acht Monate schließen. Und damit tun wir uns schwer." Denn das Münchner Haus war das umsatzstärkste des kränkelnden Konzerns.

Eine Ära war zu Ende

Gut ein Jahr später, im März 2001, war dann ohnehin Schluss: Der Restposten-Anbieter räumte seine Verkaufsfläche. Eine Ära war zu Ende - seit 1947 hatte Woolworth in der Kaufingerstraße Billigwaren verkauft. Und es ging noch weiter bergab: 2009 schlitterten die Briten in die Insolvenz - auch die Häuser am Stachus und in der Leopoldstraße verschwanden aus dem Stadtbild. Lediglich im Olympia-Einkaufszentrum fristete eine Filiale noch einige Jahre ein - im Vergleich zu früheren Auftritten - verstecktes Dasein.

Beinahe wäre die Kette, deren deutsche Tochtergesellschaft 1926 im Berliner Hotel Adlon gegründet worden war, in ganz Deutschland untergegangen. Doch dann stieg die H. H. Holding GmbH mit Sitz in Bönen in Nordrhein-Westfalen ein. Ein Unternehmen, hinter dem der Gründer und Mitinhaber der Textilkette Kik und anderer Billigketten wie Tedi steckt: Stefan Heinig.

Ein ebenso öffentlichkeitsscheuer Mann wie Kik-Mitbesitzer und Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub, der ebenfalls ins Geschäft einstieg und die Anfänge der neuen Woolworth GmbH begleitete. Der Insolvenzverwalter hatte da das Filialnetz bereits auf 158 Standorte halbiert und mit den Vermietern günstigere Konditionen ausgehandelt.

Weltstadtkaufhaus oder Billigkette?

Jetzt hat Woolworth die Wende geschafft und Haub ist im Sommer ausgestiegen. 79,5 Prozent der Anteile hält jetzt die H. H. Holding, 20,5 Prozent verteilen sich aufs Management. Seit dem Neustart im Juli 2010 gibt es wieder mehr als 200 Filialen und das Unternehmen ist deutschlandweit auf Wachstumskurs - unter der Führung von Schindel, der früher unter anderem für Kik arbeitete und den Mehrheitseigner aus diesen Zeiten bestens kennt: "Wir sind aber weder verwandt noch verschwägert", sagt Schindel, der mit zehn Prozent am Unternehmen beteiligt ist.

Der Geschäftsführende Gesellschafter will mit seinen Kaufhäusern in möglichst vielen Münchner Bezirken mit hoher Wohndichte wieder zum Stadtbild gehören. Neuperlach würde sogar zwei Filialen vertragen, glaubt Schindel. Seit 2010 hat der Manager jedes Jahr ein neues Geschäft in der Landeshauptstadt eröffnet: Erst in der Schleißheimer Straße in Feldmoching-Hasenbergl, dann in der Stockacher Straße in Aubing und vor wenigen Tagen in der Fürstenrieder Straße in Laim. Mitte 2013 soll in der Tegernseer Landstraße in Giesing Eröffnung gefeiert werden.

Doch in diesem Tempo kann es nicht weiter gehen - zu langsam. Die Zeitvorgabe von drei bis fünf Jahren für 20 Filialen ist so nicht einzuhalten. "Es ist allerdings nicht gerade einfach, in München Läden in unserer Größe zu vernünftigen Mietpreisen zu bekommen", sagt Schindel.

Breitere Gänge, neues Mobiliar, mehr Licht

In der Laimer Filiale, direkt am U-Bahnhof gelegen, testet Woolworth ein neues Konzept: breitere Gänge, neues Mobiliar, mehr Licht und neue Farben. "Ein Prototyp", sagt Schindel. Mit einer Befragung soll nach ein paar Wochen die Akzeptanz beim Kunden geklärt werden: "Dann werden wir die Fehler, die wir wahrscheinlich gemacht haben, ausmerzen und unsere neuen Filialen entsprechend planen."

Der neue Woolworth hat auch sonst mit dem alten Unternehmen nicht mehr viel gemein. Das Sortiment wurde stark zusammengestrichen. "Woolworth wusste nicht, was es sein wollte, hochwertiges Weltstadtkaufhaus oder Billigkette", sagt Schindel. Jetzt ist die Strategie wieder klar: Billigkette. Offenbar mit Erfolg: Die Geschäfte gehen gut - viele Menschen gehen hin: "Weil sie gerne in der Nachbarschaft einkaufen und weil wir viele Sachen anbieten, die sonst in Kaufhäusern immer weniger verkauft werden." Kurzwaren, Wäsche und Haushaltsartikel beispielsweise. Oder Spiel- und Schreibwaren.

Seine Zielgruppe hat der 49-Jährige klar definiert: Menschen, die älter als 55 Jahre sind, die wenig Geld haben und ihre Einkäufe am liebsten gleich um die Ecke erledigen.

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