Zwischen Ökologie und Ökonomie:Tauziehen um einen Fluss

Zwischen Ökologie und Ökonomie: Gut 200 Meter in die Tiefe stürzt das Wasser vom Walchensee über sechs Rohre herab ins Walchenseekraftwerk, das am Kochelsee liegt. Um die nötige Wassermenge für die Stromerzeugung zu bekommen, werden Isar und Rißbach angezapft und das Wasser in den Walchensee geleitet.

Gut 200 Meter in die Tiefe stürzt das Wasser vom Walchensee über sechs Rohre herab ins Walchenseekraftwerk, das am Kochelsee liegt. Um die nötige Wassermenge für die Stromerzeugung zu bekommen, werden Isar und Rißbach angezapft und das Wasser in den Walchensee geleitet.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Für das Walchenseekraftwerk laufen 2030 die Wasserrechte aus. Der Verein "Rettet die Isar" sieht darin die Chance, den Rißbach zu schützen - doch die Kraftwerksbetreiber brauchen sein Wasser zur ökologischen Stromerzeugung.

Von Alexandra Vecchiato

Vor 100 Jahren wurde der Bau des sogenannten Wasserschlosses begonnen. Bis heute erzeugt das Walchenseekraftwerk am Kochelsee Strom aus Wasserkraft. Das soll so bleiben, sagt Karl Probst, Vorsitzender des Vereins "Rettet die Isar". Ende September 2030 laufen die Wasserrechte für das Kraftwerk aus. Der Betreiber Uniper muss über diese mit dem Freistaat Bayern neu verhandeln. An einen Weiterbetrieb über 2030 hinaus sei das Unternehmen definitiv interessiert, erklärte Theodoros Reumschüssel, Pressesprecher Wasserkraft Deutschland bei Uniper. Für Probst und seine Mitstreiter eröffnen die Verhandlungen die Chance auf ökologische Verbesserungen.

Konkret geht es um den Rißbach, aus dem Wasser für das Kraftwerk entnommen und in den Walchensee geleitet wird. Der Eingriff ist dem Verein zu massiv. Er plädiert für eine Erhöhung der Restwasser-Menge. Weil es besser ist, miteinander statt übereinander zu reden, haben sich Vertreter beider Seiten kürzlich an einen Tisch gesetzt. Das Walchenseekraftwerk sei ein "ganz wichtiges Element" der Energieversorgung, sagte Probst bei dem Treffen in Kochel am See. Doch gebe es auch Schattenseiten. "Wir sind uns einig, dass das Kraftwerk weiterlaufen und wirtschaftlich betrieben werden soll", betonte der Vereinsvorsitzende. Doch sei seiner Ansicht nach die europäische Wasserrichtlinie nicht zu 100 Prozent erfüllt. Der Rißbach gleiche mehr einer Steinwüste denn einem Wildfluss. Flora und Fauna würden sich dort nur ändern, wenn weniger Wasser für die Stromerzeugung abgezapft werde, ist sich der Verein sicher. Dieser Punkt müsse in den anstehenden Verhandlungen um die Wasserrechte Berücksichtigung finden, sagte Probst - wohlwissend, dass nicht der Verein bei den Gesprächen das Sagen haben wird. Allerdings hat "Rettet die Isar" bereits einen großen Erfolg zu verbuchen. Als er 1974 als Notgemeinschaft gegründet wurde, lief an 320 Tagen im Jahr wegen der Ableitungen zum Walchensee zwischen Krün und Vorderriß kein Wasser in der Isar. Das änderte sich 1990. Das Walchenseekraftwerk musste mehr Wasser in den Fluss lassen, die Landschaft änderte sich entsprechend.

Zwischen Ökologie und Ökonomie: Vor dem Austausch führte Theodoros Reumschüssel von Uniper (l.) die Mitglieder des Vereins "Rettet die Isar" durch das Wasserschloss.

Vor dem Austausch führte Theodoros Reumschüssel von Uniper (l.) die Mitglieder des Vereins "Rettet die Isar" durch das Wasserschloss.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Was für "Rettet die Isar" ein ökologischer Sieg ist, stellt für den Kraftwerksbetreiber einen "empfindlichen Einschnitt" dar. Dieses Mehr an Wasser in der Isar, sagte Reumschüssel, hätte circa 20 Prozent weniger Stromerzeugung zur Folge. Am Rißbach würden etablierte Trockenstandorte verschwinden, sollte auch dort weniger Wasser entnommen werden. Und es ergäben sich weitere Erzeugungseinbußen. Was für das Unternehmen auf dem "schwierigen Markt" der Energieerzeugung schwer wegzustecken sei. Für ihn seien die Eingriffe in die Flüsse und Bäche zwischen Krün und Lenggries akzeptabel, würde doch das entnommene Wasser dreifach genutzt: zum einen an den Kraftwerken Obernach (Isar) und Niedernach (Rißbach), zum anderen im Walchenseekraftwerk und letztlich im Kraftwerk Schönmühl bei Penzberg. Dieser Argumentation wollte Probst nicht folgen. Allein eine Kohlendioxid-freie Erzeugung von Strom, mit der Uniper werbe, habe nichts mit "echtem Ökostrom" zu tun, so Probst.

Sorgen äußerte der Verein wegen der künftigen Ausrichtung des Energieerzeugers. Uniper ist das Unternehmen, in das der Energiekonzern Eon seine Energieerzeugung auf fossiler Basis ausgelagert hat. Den Eon-Anteil an Uniper hat 2018 das finnische Unternehmen Fortum übernommen, dem nachgesagt wird, Uniper zerschlagen zu wollen. Diese Sorge sei unbegründet, sagte Uniper-Bauleiter Franz-Xaver Schweiger. "Wir wollen die Wasserrechte für weitere 30 Jahre." Allerdings bedeute das langwierige Verfahren über die neuen Wasserrechte eine Planungsunsicherheit. Zwar seien Betrieb- und Anlagesicherheit gewährleistet, Investitionen in das Walchenseekraftwerk indes lägen auf Eis. Welche das sind, wollte Reumschüssel auf Nachfrage nicht beantworten.

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