Zur Weihnachtszeit:Schmackhafte Tradition

Schauen, riechen, kosten und jeder ist ein bisschen anders: Die Bäcker-Innung hat die diesjährigen Stollen getestet. 33 der 58 geschichtsträchtigen Hefekuchen werden mit dem Prädikat "sehr gut" ausgezeichnet. 14 erhalten zudem ein Gold-Label

Von Henri Hoschar, Königsdorf

Manche verweisen in ihrem Namen auf Mozart, andere auf ihre Inhaltsstoffe wie Butter und Marzipan - und wieder andere geben sich ganz klassisch zur Weihnachtszeit: Bei der alljährlich durchgeführten Stollenprüfung der Bäckerinnung Miesbach-Bad Tölz-Wolfratshausen gab es heuer viel zu sehen und noch mehr zu schmecken. Die Verkündung der Prüfungsergebnisse fand allerdings dieses Jahr aufgrund der Pandemie nur in kleinem Kreis in der Königsdorfer Jugendsiedlung Hochland statt. Zwölf Bäckereien haben an der freiwilligen Qualitätskontrolle teilgenommen, die insgesamt 58 Stollen zum Test einreichten. Davon wurden 33 mit der Bewertung "sehr gut" versehen. Auch wurde insgesamt 14 Stollen die begehrte Gold-Auszeichnung verliehen. Hierfür mussten die Stollen drei Jahre in Folge das Prädikat "sehr gut" erhalten haben. 24 weitere Stollen wurden heuer als "gut" eingeschätzt. Lediglich ein Backwerk wurde nicht prämiert, trotz seiner mit 82 von 100 Punkten immer noch stattlichen Bewertung.

Stollenprüfung 2020

Viele verschiedene Rezepte führen zum Stollen-Genuss.

(Foto: Manfred Neubauer)

Manfred Stiefel, Sachverständiger des Deutschen Brotinstituts, erklärte die Herangehensweise bei der Prüfung der Stollen. Er gehe dabei "von außen nach innen vor". Das heißt, zuerst wird das Aussehen und die Form bewertet. Dies seien wichtige Kriterien, da das Gebäck äußerlich ansprechend sein müsse, um sich im Laden gegen die Konkurrenz durchzusetzen. Im Innenleben gehe es dann vor allem um Geruch und Geschmack, aber auch die gleichmäßige Verteilung und Ausgewogenheit der Zutaten sei wichtig. Persönliche Vorlieben müsse man bei dem Job ausblenden, so der Fachmann. Es gehe nur darum, ob der vom Bäcker gewünschte Geschmack auch zu erkennen sei. Wichtig sei, dass die Hefekuchen ihren jeweiligen einzigartigen Charakter behalten. Denn: "Jeder Bäcker hat sein eigenes Rezept und eigene Vorstellungen."

Stollenprüfung 2020

Prüfer Manfred Stiefel (links) und Obermeister Konrad Stelmaszek (rechts) haben die Hefekuchen in Königsdorf mit fast allen Sinnen getestet.

(Foto: Manfred Neubauer)

Stiefel weiß, wovon er spricht - allein in der diesjährigen Saison testete der gebürtige Berliner insgesamt 903 Stollen. Trotz dieser beträchtlichen Zahl könne er immer noch am Weihnachtsabend mit Genuss ein Stück des Gebäcks essen, wie er betonte.

Der Stollen, den man heutzutage eher mit Opulenz und Feiertags-Völlerei verbindet, hatte tatsächlich eher bescheidende Anfänge. Ursprünglich ein Gemisch aus Wasser, Mehl und Hefe, war der Stollen in Dresden und Umland in der Adventszeit als Fastengebäck bekannt. Aufgrund der Fastenzeit durfte keine Butter verwendet werden, weshalb die mittelalterlichen Bäcker auf Rübenöl auswichen. Das Internet-Lexikon Wikipedia spricht deshalb von einem "tranigen Geschmack" des Gebäcks. Das änderte sich erst 1491 mit dem sogenannten "Butterbrief" des damaligen Papstes Innozenz VIII., der die Verwendung von Butter und Milch auch während der Fastenzeit legitimierte.

Stollenprüfung 2020

Auch in diesem Jahr gab es eine Stollenbewertung der Bäckerinnung.

(Foto: Manfred Neubauer)

Das spätmittelalterliche Backwerk entwickelte sich zum "königlichen Gebäck". Seit 1560 wurden den jeweiligen Regenten Stollen zum Weihnachtsfest geschenkt. Einen Schub in der Popularität erlangte der Hefekuchen im 18. Jahrhundert, als der sächsische Kurfürst August der Starke sich eigens für ein Festmahl ein etwa 1,8 Tonnen schweres Exemplar fertigen ließ. 100 Bäckermeister und Gesellen sollen der Überlieferung nach aus 3600 Eiern, 326 Kannen Milch sowie eine Tonne Weizenmehl den Riesenstollen gefertigt haben. Wie schweißtreibend die Knetarbeit gewesen sein muss, ist leider nicht überliefert.

Auch wenn die körperlichen Voraussetzungen aufgrund der technischen Neuerungen im Bäckergewerbe mittlerweile nicht mehr derart hoch sind, fällt es dem Handwerkszweig immer noch schwer, Bewerber zu locken, weiß Konrad Stelmaszek, Obermeister der Bäckerinnung. Man kämpfe zum Beispiel noch immer gegen das negative Image vom frühen Aufstehen. Für Kunden aber gibt es neben der geprüften Qualität der Stollen noch eine weitere positive Nachricht: Die Bäckereien in Landkreis und Region bleiben für ihre Kunden geöffnet, daran ändern auch Lockdown und Pandemie nichts.

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