Zum Doppeljubiläum:"Rock 'n' Roller gehen nicht in Rente"

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Rockmusiker Peter Maffay in seinem Tutzinger Red-Rooster-Studio. "Jetzt!" ist auch der Titel seines neuen Albums. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Peter Maffay feiert am 30. August seinen 70. Geburtstag und auch sein 50-jähriges Bühnenjubiläum

Von Otto Fritscher, Tutzing

Lässig kommt er daher. Auch wenn er in der Freizeit auf die sonst übliche Lederjacke verzichtet. Er hat sie an diesem schönen Sommervormittag gegen einen schwarzen Trainingsanzug getauscht, darunter ein Guns'n'Roses-T-Shirt, auch in Schwarz, ganz Rocker. Peter Maffay kommt offensichtlich vom Sport, Radfahren, ein bisschen Laufen, manchmal Fitness-Studio, wie er später erzählt. Seit 50 Jahren steht Maffay auf der Bühne, und am 30. August wird er 70 Jahre alt - ein Doppeljubiläum, das er mit einer neuen CD (Titel: "Jetzt!") und einem Geburtstagskonzert am Vorabend in Berlin feiert. Um Mitternacht will er auf der Bühne stehen, mit seiner bewährten Band in Saiten und Tasten greifen und die 14 neuen Songs und einige mehr abfeuern oder abfeiern. Live übertragen wird das Konzert zudem in einige Kinos in ganz Deutschland.

"50 Jahre auf der Bühne, dafür rühre ich natürlich schon ein bisschen mehr die Werbetrommel als sonst", sagt Maffay. Tatsächlich herrscht an diesen Tagen ein beträchtlicher Medienrummel, es gibt einen Making-of-Film über die neue CD zu sehen, und dann Zeit für ein Gespräch.

Seit den Achtzigerjahren wohnt und arbeitet Maffay in Tutzing. "Ich fühle mich hier am Starnberger See sehr wohl", sagt er. Als junger Mann habe er die Großstadt bevorzugt, Berlin und Hamburg eben, "aber jetzt genieße ich die Atmosphäre, die Landschaft und auch die Menschen". In der Tat trifft man ihn ab und zu in einem der Lokale am See, wo er mit seiner Lebensgefährtin und Kind ohne Selfie-Anfrage irgendwelcher Gäste ungestört ratschen kann, bevor er sich mit Kinderwagen und Mountainbike auf den Heimweg macht. "Ich möchte nicht in die Exotik kommen, dass vor meinem Haus zwei mit dunklen Sonnenbrillen bewaffnete Bodyguards stehen", sagt er. Wenn man "das Zwischending zwischen Landleben und Großstadt" suche, sei man in Tutzing richtig. "Mein Herz schlägt mehr für Grün" - ob das politisch gemeint ist, bleibt offen. Politisch ist er ohne Zweifel immer noch.

"Welche Reise haben wir gemacht? Was hat uns geformt?" Diesen Fragen geht Maffay in der Film-Doku über seine Karriere nach. Auf jeden Fall ist er keiner, der sich selbst untreu geworden wäre. Mit harten Rockriffs singt er gegen US-Präsident Donald Trump an, ohne diesen beim Namen zu nennen, und gegen rechte Populisten. Alte Fans werden sich an "Eiszeit" erinnern, eine der Hymnen der Friedensbewegung, die damals in Mutlangen gegen die Aufrüstung mit Pershing-2-Raketen und gegen die WAA in Wackersdorf kämpfte. Heute ist die Welt vielleicht noch mehr aus den Angeln als damals und die Populisten und Demagogen gefährlicher als seit vielen Jahrzehnten. Kann da bei einem wie Maffay nicht Resignation aufkommen? Er denkt kurz nach: "Nein. Am liebsten wäre es mir natürlich, ich hätte ,Eiszeit' irgendwann aus meinem Repertoire streichen können, aber es ist immer noch aktuell. Und aufgeben, nein, aufgeben, das ist nicht meine Sache."

Wie geht er an die Konzeption eines neuen Albums ran? Vor eineinhalb Jahren haben die ersten Überlegungen angefangen, über Zielrichtung und Aussage. Es sollte kein normales Best-of-Album werden, wie es viele andere Künstler bei Jubiläen schon herausgebracht haben. "Jedes Mal wenn ein Album ansteht, kommen die Akteure, also die Band und ich zusammen, und dann muss ich ein bisschen auspacken und ein Konzept meinen Jungs vorstellen, das überzeugend ist. Wir wollten nicht die Vergangenheit behandeln, die Zukunft erforschen können wir nicht, lasst uns über jetzt reden," erklärt Maffay seinen Anspruch. Und: "Als Musiker muss man nicht permanent politische Statements erzeugen, aber dass man es gelegentlich sehr deutlich tut, ist ein Muss. Wenn man sich die Konfliktsituation zwischen USA und Iran reinzieht, hat sich ja nicht viel verändert. Es verstreichen ein paar Jahrzehnte, und man steht wieder vor dem selben Thema." Ist da eine Prise Resignation dabei? Nein, so lange man Energie habe, dürfe man nicht aufgeben, sondern müsse etwas verändern wollen. "Vor allem wenn man Kinder hat. Ich habe einen Sohn, eine Tochter, da kann man nicht resignieren."

Zurück zur Musik. "Er ist der härteste Boss, den ich je hatte", sagt Gitarrist Carl Carlton in dem Clip über das Entstehen von "Jetzt!". Doch das relativiert eine Aussage Maffays wieder: "Wir wollen Musik spielen und nicht erkämpfen." Er will weiter spielen - und so liegt es für Maffay nahe, dass "Jetzt!" nicht sein letztes Album sein wird. Und er werde sich weiter um seine kindertherapeutischen Einrichtungen in Jägersbrunn, am Dietlhofer See, in Spanien und Rumänien kümmern. "Rock'n'Roller gehen nicht in Rente", sagt er. Stattdessen geht Maffay im Frühjahr wieder auf Tour. "Ich bilde mir ein, dass wir das hinkriegen. Wenn nicht, werde ich Ihre Frage, ob ich ans Aufhören denke, anders beantworten." Die Band tritt vier, fünf Mal die Woche auf, spielt mindestens zweieinhalb Stunden. Das werde physisch und mental eine Herausforderung.

Wie schreibt Maffay seine Songs? "Nein, ich sitze nicht in der Badewanne und hoffe auf einen Geistesblitz. Ein neues Album, das ist Handwerk, man schraubt sich da so hinein." Und der kreative Höhepunkt ergebe sich im Dialog mit der Band. Angeblich hatte Maffay fertiges Material für sieben Stunden auf seinem Handy. Ruhestand klingt anders.

© SZ vom 29.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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