Seit 17 Jahren ragt die transparente Trainingshalle für die Bergwacht auf der Flinthöhe empor, seit drei Jahren steht daneben auch die neue Rettungswache. Knapp 200 Meter trennen das große und das kleine Gebäude, dazwischen gab es bisher nur Kies und Erde. Das ändert sich nun. In der Lücke ist die Baugrube schon ausgehoben für einen rund 18,1 Millionen Euro teuren Neubau: das Bayerische Zentrum für Alpine Sicherheit.
„Das ist ein bedeutender Tag für die Bergwacht und die gesamte bayerische Sicherheitsarchitektur“, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Freitag beim ersten Spatenstich. Dies unterstrich Thomas Glauber (Freie Wähler). Es sei ein guter Tag, dass diese Lücke gefüllt werde, sagte der bayerische Umweltminister: „Es ist richtig, es ist wichtig.“

Das dreistöckige Multifunktionsgebäude soll in Holzhybridbauweise entstehen und bis 2027 fertiggestellt sein. Das Grundstück auf der Flinthöhe befindet sich auf Gaißacher Flur. Von den Kosten trägt der Freistaat den Löwenanteil mit 15 Millionen Euro, die restlichen gut drei Millionen Euro übernimmt die Stiftung Bergwacht. Das Erdgeschoss des Neubaus ist für Fahrzeuge, Gebäudetechnik, Logistik und Beschaffung vorgesehen. Der erste Stock beherbergt ein Foyer, Schulungs- und Veranstaltungsräume, Büros, Ausstellungsflächen und einen Shop.
In der zweiten Etage sind eine Übernachtungseinheit, Sozialräume und weitere Büros geplant, außerdem soll dort die Ausbildung und die Koordination des Katastrophenschutzes stattfinden. Vor allem aber: Der Bayerische Lawinenwarndienst hat dort künftig seinen Dienstsitz. Dieser Schulterschluss in einem Gebäude sei wichtig, um sich schnell zu verständigen, betonte Glauber. Und dies nicht nur verbal, sondern auch über Gesichtsausdruck und Körpersprache. „Das ist anders als bei Videokonferenzen.“
Durch das neuen Zentrum werde „die Marke Bergwacht weiter gestärkt“, sagt Thomas Lobensteiner
Das Bild beim ersten Spatenstich wurde von den Uniformen diverser Rettungsorganisationen geprägt. Feuerwehr, Polizei, Bundeswehr, Wasserwacht, Luftretter, Bergwacht. Thomas Lobensteiner brauchte denn auch gut zehn Minuten, um in seiner Begrüßungsrede neben den Ministern, Landrat und Bürgermeistern alle Vertreter der Blaulichtfamilie aufzuführen. Durch das neue Zentrum werde „die Marke Bergwacht weiter gestärkt“, sagte der Vorsitzende der Bergwacht Bayern. Aber nicht nur dies: Es biete auch eine „unverzichtbare Vernetzungsplattform für unsere Partner im rettungsdienstlichen Aufgabenspektrum“. Mit ihnen wolle man gemeinsam „eine Sicherheitskultur aufbauen“, so Lobensteiner.

Wochenlang hatte man den Termin für den Baubeginn unter allen Beteiligten abgestimmt. Nur einer fehlte dann doch: Ministerpräsident Markus Söder (CSU) weilte am Freitag bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin. Das neue Zentrum bezeichnete Innenminister Herrmann als notwendig, weil so manche Einsätze heutzutage nicht mehr nur von einer, sondern mehreren Rettungsorganisationen bewältigt werden müssen. Und weil die Einsatzlagen komplexer werden. Deshalb sei es wichtig, sich gemeinsam weiterzuentwickeln. Nachdrücklich wies Herrmann darauf hin, dass es ehrenamtliche Kräfte seien, die alles stehen und liegen ließen, um andere Menschen zu retten - dies aber in einer hochprofessionellen Weise.
Die Bergwacht ist für Herrmann ein zentraler Baustein im Sicherheitssystem. Viele Touristen, aus ganz Deutschland und anderen Teilen der Welt, kämen nach Bayern und schätzten die Berge. „Grundsätzlich freuen wir uns, wenn sie sich hier wohlfühlen.“ Manche gerieten im Gebirge aber unverschuldet in Not, andere hätten „noch nicht den richtigen Umgang“ mit der alpinen Natur. Dann sei die Bergwacht ein „starker Partner, der helfen kann“, sagte Herrmann.
Gleichwohl seien 15 Millionen Euro „keine Selbstverständlichkeit“, so der Innenminister. Der Freistaat, der diese Summe nicht auf Pump, sondern aus dem Haushalt finanziere, müsse schließlich auch noch andere Aufgaben erledigen - als Beispiele nannte Herrmann unter anderem Krankenhäuser und Schulen. Aber: „Das Thema Sicherheit hat im bayerischen Landtag seit jeher einen hohen Stellenwert gehabt, und ich wünsche mir, dass er im nächsten Bundestag eine genauso hohe Priorität bekommt.“

Für Manfred Welzel ist das neue Zentrum für alpine Sicherheit ein „bahnbrechendes, wegweisendes, innovatives und originelles Leuchtturmprojekt“. Die Stiftung Bergwacht als Bauherr nehme damit die Verantwortung für die ehrenamtlichen Einsatzkräfte und für ihre Sicherheit wahr, sagte der Vorsitzende des Stiftungsrates. In einem Notfall gebe es drei Optionen. Die erste: Rette sich, wer kann. Die zweite: Rette, wer es kann. Die dritte: Wer es nicht kann, spende. Von ihrem Kostenanteil von 3,1 Millionen Euro hat die Stiftung die Hälfte beisammen. „Wir brauchen noch 1,5 Millionen Euro“, sagte Welzel.
Der gebürtige Rheinländer garnierte seine Rede mutig mit ein paar Sätzen in gebrochenem Bairisch, zum Gaudium der vielen Uniformierten. Und zu Herrmanns Kurzweil: „Als Integrationsminister sage ich, dass wir Rheinländer in Bayern gut integrieren und sie schon, fast, Bairisch sprechen.“