Zahlungsmoral der Regierung:Offene Rechnungen

Lebenshilfe

Verärgert über die Regierung zeigten sich Bernd Angermann, Martin Lechner und Franz Gulder (v. li.) von der Lebenshilfe Bad Tölz-Wolfratshausen.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Lebenshilfe Bad Tölz-Wolfratshausen wartet seit Jahren auf Erstattungen des Freistaats für den Aufwand an der Von-Rothmund-Schule in Höhe von rund einer halben Million Euro.

Von Klaus Schieder

Die Lebenshilfe Bad Tölz-Wolfratshausen hat ein großes Problem: Die Zahlungsmoral der Regierung von Oberbayern lässt arg zu wünschen übrig. Die gemeinnützige Einrichtung für Menschen mit Behinderungen muss als privater Träger in Vorleistung gehen, um den Schulaufwand wie Personal- oder auch Fahrtkosten für die Von-Rothmund-Schule in Bad Tölz zu bezahlen. Diese Ausgaben bekommt sie dann zwar von der Regierung erstattet - aber das dauert inzwischen mehrere Jahre lang. "Diese Art der Nicht-Bezahlung hält normalerweise kein Betrieb aus", kritisiert Bernd Angermann, zweiter Vorsitzender der Lebenshilfe.

Eine offene Rechnung stamme noch aus dem Jahr 2012, sagt Franz Gulder, Geschäftsführer der Lebenshilfe gGmbh, die für das operative Geschäft zuständig ist. Seit 2014 sei nichts mehr abgerechnet worden. Die alten Forderungen summierten sich derzeit auf gut 500 000 Euro, bis Ende vorigen Jahres hätten sie sogar bei mehr als einer Million Euro gelegen. Im Frühjahr gab es zumindest Abschlagszahlungen. Eine unersprießliche Folge: Die zweite Partnerklasse in Reichersbeuern, die "von Vielen gewünscht" sei und zwischen 50 000 und 100 000 Euro koste, könne man momentan nicht in Angriff nehmen, sagt Martin Lechner, Vorsitzender der Lebenshilfe.

Ausdrücklich verweist Lechner darauf, dass die Lebenshilfe im Landkreis "in Treuhänderschaft der öffentlichen Hand" tätig sei. Ansonsten wäre der Landkreis der Sachaufwandsträger der Von-Rothmund-Schule für Kinder mit geistigen Behinderungen. Diese Förderschule in Bad Tölz führe man anerkanntermaßen "in hoher Qualität", außerdem rechne man stets sauber ab. "Da gibt es keine krummen Dinger", beteuert Lechner. Aber dafür werde man vom Staat nicht belohnt. "So kann man einen freien Träger ganz schön ins Schlingern bringen."

Völlig unverständlich ist für Angermann, dass diese Rückstände nicht in den Haushalt der Regierung von Oberbayern eingepreist werden. Von der Regierungspräsidentin habe man lediglich die Aussage bekommen, dass mit der nächsten Zahlung frühestens 2020 zu rechnen sei, berichtet er. Auch die Tatsache, dass die ehemalige Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) seit 2001 den Landesverband der Lebenshilfe führt, hat die Begleichung der ausstehenden Summen bislang nicht beschleunigt. Für Gulder ist es "kein kleines Problem", eine halbe Million Euro abzudecken, auch wenn dies für die Lebenshilfe Bad Tölz-Wolfratshausen nicht existenzgefährdend sei. Insgesamt, sagt er, sei die Situation der gemeinnützigen GmbH gut. Da allerdings immer wieder von milliardenschweren Überschüssen des Staates die Rede sei, frage er sich: "Warum zahlt man dann nicht die alten Schulden?"

Die Lebenshilfe könnte das ausstehende Geld gebrauchen. Auf der Prioritätenliste für dieses Jahr steht zum Beispiel der Brandschutz im alten Schulhaus an der Bairawieser Straße in Bad Tölz, in dem sich jetzt die Heilpädagogische Tagesstätte befindet - die Von-Rothmund-Schule ist vor einem Jahr in ihren circa acht Millionen Euro teuren Neubau nebenan gezogen. Ein zweiter Fluchtweg sei in dem Altbau nötig, ebenso neue Brandschutztüren und eine neue Brandmeldeanlage, so Gulder. Die Kosten dafür muss die Lebenshilfe alleine aufbringen. Ein weiteres Projekt ist der Umbau eines Hauses an der Schützenstraße in Bad Tölz. Dorthin sollen die Bewohner aus dem Haus Kastenmüller bis zum 6. August umziehen, im Erdgeschoss ist eine Tageseinrichtung für Senioren mit Behinderungen vorgesehen - die sogenannte "Tagesstruktur für Erwachsene nach Erwerbsleben", kurz: TEnE. Außerdem soll das Wohnheim am ehemaligen Prinzregent-Luitpold-Genesungsheim an der Bairawieser Straße neu gebaut werden. Und die Pizzeria an der Schützenstraße will die Lebenshilfe für die Regionale Offene Behindertenarbeit (ROB) umgestalten.

Die Lebenshilfe betreibt 14 Einrichtungen - Wohnheime, Kindertagesstätte, Heilpädagogische Tagesstätte und Schule - an acht Standorten im Landkreis. Zudem ist der Vorstand auch der rechtliche Vertreter für zwei Oberland-Werkstätten. Die Einrichtung beschäftigt etwa 300 hauptamtliche Angestellte. Die ehrenamtlichen Vorsitzenden seien somit fast so etwas wie "Konzernchefs", sagt Angermann. Dem Lebenshilfe-Verein gehörten derzeit circa 430 Mitglieder an.

Seit 2004 wird die Lebenshilfe Bad Tölz-Wolfratshausen von Lechner und Angermann geführt, die auch in der Mitgliederversammlung an diesem Freitag noch einmal für die nächsten zwei Jahre kandidieren werden. "Wir haben den Vorteil, dass wir doch über sehr viel Erfahrung verfügen", sagt Lechner. Zugleich wünscht er sich, mehr junge Mitglieder aufzunehmen - "in der Hoffnung, dass der eine oder andere von ihnen eine Führungsposition übernehmen will". Sonst bekommt die Lebenshilfe an der Spitze irgendwann noch ein Altersproblem.

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