XXXLutz:Mehr als nur Möbel

XXXLutz will das Mahler-Haus tatsächlich selbst nutzen und das Angebot womöglich ausweiten. Das Rathaus ist alarmiert: Ein Shopping-Center könnte den "Tod für die Marktstraße" bedeuten.

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen

"Mit Bestürzung" hat Wolfratshausens Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) die Nachricht vernommen, dass die österreichische Unternehmensgruppe XXXLutz plant, die Sortimente im ehemaligen Möbel-Mahler-Haus am Hans-Urmiller-Ring zu erweitern. Doch eine Aufweichung der Sortimentsbeschränkung im Gewerbegebiet soll es nicht geben: "Auf einen solchen Vorstoß wird sich die Stadt nicht einlassen", positioniert sich Heilinglechner schon im Vorfeld klar.

Auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung hatte der Sprecher der XXXL-Unternehmensgruppe Deutschland, Julian Viering, kürzlich erklärt, dass das Unternehmen "mit einem längeren Abstimmungsverfahren mit der Kommune" rechne, "weil die Sortimente in jedem Fall andere sein werden als nur Möbel". Damit erklärte XXXLutz erstmals, die Immobilie auch tatsächlich selbst nutzen und das Angebot womöglich ausweiten zu wollen. Erschrocken war Heilinglechner über diese Aussage, "weil bisher in den Gesprächen zwischen Vertretern von XXXLutz und der Stadt das Thema Sortimente noch gar nicht angesprochen worden war".

Seit vielen Jahren hat sich Wolfratshausen für das Gewerbegebiet eine Sortimentsbeschränkung auferlegt, damit die Betriebe am Stadtrand den Händlern in der Innenstadt möglichst nicht allzu viel Konkurrenz machen. Diese Sortimentsbeschränkung ist in den vergangenen Jahren immer wieder intensiv diskutiert worden, zuletzt 2014 bei der Erweiterung eines Baumarktes. Umstritten ist, ob die Sortimentsbeschränkung der Innenstadt überhaupt helfen kann und ob die vielen genehmigten Ausnahmen, etwa für Möbel Mahler, die geltenden Regelungen nicht längst obsolet gemacht haben. Zudem steht die Frage im Raum nach den ungenehmigten Ausnahmen. Die gestehen sich manche Betriebe selbst zu und unterminieren damit den beabsichtigten Schutz des Einzelhandels in der Innenstadt.

Natürlich sei es schwer, die Sortimente trennscharf zu halten und die Einhaltung der Beschränkungen auch entsprechend zu überwachen, was Aufgabe des Landratsamtes sei, sagt Wolfratshausens Zweiter Bürgermeister Fritz Schnaller (SPD). Doch darin läge nicht die Problematik, sondern in einer grundsätzlichen Freigabe der Sortimente: Dann nämlich, sagt Schnaller, könnte in dem ehemaligen Möbel-Mahler-Haus ein "Shop-in-Shop-Zentrum" ähnlich einer Shopping-Mall entstehen. "Und das wiederum wäre der Tod für unsere Marktstraße", befürchtet er.

Die Wolfratshauser Liste

Im Einzelhandelskonzept der CIMA aus dem Jahr 2014 findet sich die "ortsspezifische Liste zur Differenzierung von zentrenrelevanten und nicht zentrenrelevanten Sortimenten". Seit der Beschlussfassung durch die Räte ist sie Teil der Bebauungspläne und dient dem Ziel, die Ansiedlung von Einzelhandel hinsichtlich seiner Verträglichkeit zu steuern, oder kurz gesagt: um die Innenstadt mit seiner Marktstruktur und seinem Sortiment zu schützen. Diese "Wolfratshauser Liste" genannte Sortierung weist folgende Sortimente auf, die zentrenrelevant sind, also nicht im Gewerbegebiet käuflich zu erwerben sein sollen: Arzneimittel, orthopädische und medizinische Produkte, Baby- und Kinderartikel, Bekleidung, Brillen und -zubehör, Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, Drogerie- und Parfümeriewaren, Foto, Filme und Zubehör, Glas, Porzellan, Keramik, Geschenkartikel, Haushaltswaren, Haus- und Heimtextilien, Bettwaren, Hobby- und Sammelgüter wie etwa Briefmarken oder Musikinstrumente, Lederwaren, Papier- und Schreibwaren sowie Bürobedarf. Ebenfalls nur im Zentrum erhältlich sein sollen Schuhe, Spielwaren, Sportartikel, Campingartikel sowie Uhren und Schmuck.

Als nicht zentrenrelevant deklariert und damit im Gewerbegebiet erlaubt feilzubieten sind lediglich Autoteile und -zubehör, Baumarktartikel und Baustoffe, Sanitärartikel und Boote. Darüber hinaus sind Elektronikartikel sowohl zur Unterhaltung wie für den Haushalt erlaubt, ebenso Fahrräder, Farben, Lacke, Tapeten, Teppiche, Bodenbeläge, Gartenartikel und -bedarf, Leuchtmittel und Zubehör, Möbel und Küchen sowie Zooartikel, Tiere, Tiernahrung und Zubehör zu ihrer Pflege. cjk

Es gehe also bei der Zukunft der Immobilie um nicht weniger als eine elementare Grundsatzfrage, die sich die Räte stellen müssen, wenn XXXLutz sein Nutzungskonzept vorlegt: "Wollen wir, dass unser Zentrum weiterlebt oder wollen wir weiter Zentren auf der grünen Wiese Vorschub leisten?" Es gehe bei der Sortimentsbeschränkung nicht um einzelne Geschäfte im Markt, betont er, "sondern um den Erhalt die Struktur als Gesamtes, also einen Markt mit kleinen, vielfältigen Läden". Für ihn stehe deshalb von vorneherein fest: "Die Ausweisung als Sondergebiet muss bleiben, sonst verlieren wir den wesentlichen Teil, das Herz unserer schönen und liebenswerten Stadt!" Für ihn gibt noch ein weiteres Argument, die Sortimentsbeschränkung nicht aufzuweichen: "Mit ihr steht und fällt auch die Städtebauförderung."

Die Zukunft der 30 000 Quadratmeter großen Immobilie am Hans-Urmiller-Ring treibt auch den Verein Lebendige Altstadt (LAW) um. Weder der Makler Ernst Gröbmair noch die Vorsitzende Dietlind Diepen glauben daran, dass XXXLutz dort überhaupt ein Einrichtungshaus aufmachen will. "Sieht man sich die Entwicklungen an, ist der Möbelhandel jener Sektor, der sich am stärksten ins Internet verlagert", sagen sie. Deshalb müsse man dringend wachsam bleiben, damit nicht in Salamitaktik nach und nach eine Shopping-Mall entstehe. "Wir werden uns mit dem Thema intensiv auseinandersetzen", kündigen sie an.

"Frühestens im März oder April" will die XXXLutz-Unternehmensgruppe allerdings ihr künftiges Nutzungskonzept vorlegen. Möglicherweise, mutmaßt Heilinglechner, könnte sich die Aussage über die "anderen Sortimente als Möbel" auch auf die laufenden Verhandlungen mit Media Markt beziehen. Das will Viering jedoch auf Nachfrage nicht bestätigen: "Wir sprechen nur im eigenen Namen und in diesem Fall ganz grundsätzlich von Sortimenten." In den kommenden Tagen, sagt Heilinglechner, habe er allerdings selbst einen Termin mit Media-Markt-Vertretern. Was XXXLutz und dessen Pläne angehe, "müssen wir sicher wachsam bleiben, aber jetzt gilt erst mal ihre nächsten Schritte abzuwarten, um zu erfahren, was sie eigentlich vorhaben."

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