Wolfratshauser Spielewettkampf:Zug um Zug zum Glück

Wolfratshauser Spielewettkampf: Ein bisschen wie das richtige Leben ist das "Mensch ärgere Dich nicht"-Spiel, weil jeder immer gewinnen oder verlieren kann.

Ein bisschen wie das richtige Leben ist das "Mensch ärgere Dich nicht"-Spiel, weil jeder immer gewinnen oder verlieren kann.

(Foto: Hartmut Pöstges)

In Wolfratshausen würfeln 40 Spieler um den Titel bei der 5. Stadtmeisterschaft im "Mensch ärgere Dich nicht"

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Der Name des Spiels ist Programm. Denn grämen könnte man sich im Prinzip natürlich schon, wenn man mit der Gunst des Würfels erfolgreich unterwegs war bis dicht vor das eigene Häuschen und nur noch eine Zwei oder eine Drei gebraucht hätte. Dann aber kommt das grüne Püppchen aus dem Hinterhalt herbeispaziert und schmeißt einen raus, unmittelbar vor dem rettenden Ufer. Endstation, alles wieder auf Anfang. "Mensch ärgere Dich nicht", das ist ein bisschen wie das richtige Leben, und vielleicht macht es ja auch deshalb so viel Spaß, weil jeder immer gewinnen oder verlieren kann und obendrein ein bisschen gutmütige Schadenfreude erlaubt ist. Mit organisatorischem Geschick und moderner Technik lässt sich dieser uralte Klassiker unter den Familen-Brettspielen sogar zum Turnier steigern - so einmal mehr geschehen bei der "5. Wolfratshauser Stadtmeisterschaft", zu der sich auf Einladung der Evangelischen Gemeinschaft am Wochenende 40 hoch motivierte Teilnehmer eingefunden haben. Vertreten waren alle Altersstufen: Kinder, Jugendliche und auch fortgeschrittene Senioren nutzten die Gelegenheit, sich dem grauen Novembertag für ein paar unbeschwerte Stunden zu entziehen und bei der Gelegenheit noch ein opulentes Kuchenbüffet zu frequentieren. Davor aber war absolute Konzentration angesagt: Während des Einzelrunden war nur ein einziges Geräusch zu vernehmen: das hölzerne Klackern der Würfel, die auf Tischen tanzten. Nebenher geplaudert wurde da nicht.

"Natürlich ist das ein Glücksspiel", sagt Organisator Willibald Diwo, der bei Internetrecherchen draufgekommen ist, dass in dieser Disziplin ungeachtet der hohen Zufallsrate nationale Wettbewerbe, ja sogar Weltmeisterschaften ausgetragen werden. Entdeckt hat Diwo bei seinen Vorbereitungen allerlei Kurioses: Dass es beispielsweise einen "Mensch ärgere Dich nicht"-Unterwasser-Rekord gibt, der bei 36 Stunden liegt, dass das größte Spielbrett 36 Quadratmeter groß ist und dass der Dauerrekord bei 204 Stunden liegt. Weiterhin haben seine Nachforschungen ergeben, dass das Spiel jährlich etwa 100 000 Mal verkauft wird, es mittlerweile zu einer weltweiten Auflage von mehr als 90 Millionen gebracht hat und als typisch deutscher Alltagsgegenstand in einem Pekinger Kunstmuseum ausgestellt ist.

Unter Turnierbedingungen muss sich die Glücksfee allerdings in ein Korsett schnüren lassen, so auch in Wolfratshausen: Die jeweiligen, an den zehn Spieltischen erzielten Ergebnisse wurden jeweils zu einem Punktesystem umgerechnet, die Grundlage für einzelne Listen waren. Nach jeder Runde bekamen es die Gäste mit neuen Mitspielern an anderen Tischen zu tun. Dieses Punkte- und Rotationssystem funktioniert nur mit einem ausgetüftelten Computerprogramm, das Endspiel der Finalisten wird schließlich mit einer über dem Brett installierten Kamera auf eine Leinwand übertragen. Sieger wurde Martin Kraft - wie schon im vergangenen Jahr. Er hatte schon vorher das Gefühl, dass er wieder gewinnen würde. Seine Trophäe ist konsequenterweise ein Wanderpokal. Denn das Glück kommt und geht wie es will. Besonders grausam war es zu einem Spieler, der am Ende einer Runde immer noch alle vier Männchen im Depot versammelt hatte - dasselbe Los hatte ihn auch beim letzten Turnier schon getroffen. Unterlegene wie er bekommen jeweils Trostpreise, auch wenn sie gar nicht untröstlich sind. Dem entsprechend war die Stimmung am Ende des Turniers aufgeräumt. Monika Magerl, eine der Teilnehmerinnen, schwärmte, dass das gemeinsame Sich nicht Ärgern einen "tolle Sache" sei. Sie war das dritte Mal dabei und hat beobachtet, dass die Zahl der Gäste seither generationsübergreifend wächst. Gewonnen hat sie noch nie, was ihrer Begeisterung aber keinen Abbruch tut. "Der olympische Gedanke zählt."

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