Wolfratshauser Politik:Gegen Online-Plattform

Wolfratshauser Politik: Der Dialogprozess zur Marktstraße (das Bild zeigt die Abschlussveranstaltung), gilt als Meilenstein der Bürgerbeteiligung in Wolfratshausen. Die soll nun weiter so aussehen wie gehabt.

Der Dialogprozess zur Marktstraße (das Bild zeigt die Abschlussveranstaltung), gilt als Meilenstein der Bürgerbeteiligung in Wolfratshausen. Die soll nun weiter so aussehen wie gehabt.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Stadtrat lehnt einen Antrag der Grünen, die Bürgerbeteiligungssoftware Consul im Gremium vorstellen zu lassen, mit großer Mehrheit ab. Befürchtet werden Verzerrungen und der Ausschluss von Senioren.

Von Konstantin Kaip

Dass die Bürgerbeteiligung so gut wie allen Parteien und Gruppierungen in Wolfratshausen wichtig ist, hat der Wahlkampf zur Kommunalwahl im vergangenen Jahr gezeigt. Bei der Frage, wie sie ausgebaut werden soll, gibt es offenbar jedoch Diskrepanzen. Dies wurde in der jüngsten Stadtratssitzung offenkundig, als es um die Plattform Consul ging, mit der sich Bürger online an der Politik ihrer jeweiligen Kommune beteiligen können.

Die Grünen, die darin eine Chance sahen, hatten in einem Antrag gefordert, ein Referent des Vereins "Mehr Demokratie" solle die Open-Source-Plattform im Stadtrat vorstellen. "Gerade in Zeiten der Pandemie ist es nötiger denn je, direkte Beteiligungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene digital anzubieten", heißt es in der Begründung. Mehr über die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligungsplattform wird man allerdings nicht erfahren. Der Antrag wurde mit 16 zu acht Stimmen abgelehnt.

Consul soll laut "Mehr Demokratie" vor allem ein Diskussionsforum sein, aus dem sich Vorschläge entwickeln, über die Bürger dann abstimmen können. Beim Erreichen eines bestimmten Votums kann das jeweilige kommunalpolitische Gremium verpflichtet werden, das Thema zu behandeln. Die Software wurde in Spanien entwickelt und zuerst in Madrid angewendet. Inzwischen ist sie in mehr als 100 Städten weltweit im Einsatz, etwa in New York, Buenos Aires und Paris. In Deutschland hat sie unter anderem Detmold etabliert, auch in München soll sie eingeführt werden. Über das Ausmaß der tatsächlichen digitalen Teilhabe soll der Stadtrat dort nach einer Probephase entscheiden.

Wolfratshauser Politik: Vor Influencern im Internet, die Eigeninteressen verfolgten, warnte Manfred Fleischer (Wolfratshauser Liste).

Vor Influencern im Internet, die Eigeninteressen verfolgten, warnte Manfred Fleischer (Wolfratshauser Liste).

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Für Wolfratshausen hält die Mehrheit im Stadtrat das Beteiligungswerkzeug indes für ungeeignet und sieht auch keinen Bedarf, mehr über die Möglichkeiten zu erfahren. "Ich bin selber ein großer Anhänger von direkter Demokratie", sagte Manfred Fleischer (Wolfratshauser Liste). "Es ist wichtig, dass sich die Bürger bei uns einbringen können." Wolfratshausen sei allerdings keine Millionen-Metropole. "Bei uns kennt man die Stadträte noch persönlich und hat Kontakte." Im Internet bestehe indes nicht nur die Gefahr, dass von "Influencern die Eigeninteressen maskiert gepusht werden". Die Online-Plattform könne auch ein "Rückschlag für die direkte Demokratie" sein, weil sie diejenigen, die im Umgang mit dem Internet weniger firm seien - maßgeblich Senioren - ausschließe.

In einer lebhaften Debatte teilten viele Stadträte Fleischers Zweifel. Großes Unbehagen verursachte auch die von den Grünen im Antrag angesprochene Möglichkeit, dass die Bürger über die Plattform auch Ausgabenvorschläge für Teile des städtischen Budgets machen können. Fleischer sah darin einen "Eingriff in die Finanzhoheit der Stadt". BVW-Fraktionssprecher Josef Praller verwies auf die Bürgerversammlung, die bereits die Möglichkeit biete, eigene Anträge zur Abstimmung zu stellen. Und Fritz Meixner (SPD) wies auf den digitalen Beteiligungsprozess zur Altstadtumgestaltung hin, der von einer Hochschule betreut wurde und auch bei anderen Themen zur Verfügung stehe. Er gab zu bedenken, dass eine neue Plattform auch gepflegt werden müsse und für die Stadtverwaltung einen Personalaufwand darstelle.

Die Grünen konnten sich auch mit ihrem Argument, dass es ja nur um die Vorstellung der Plattform als Entscheidungsgrundlage gehe, nicht durchsetzen. Am Ende stimmten neben ihnen nur Patrick Lechner (FDP) und Manfred Menke (SPD) für ihren Antrag.

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