Süddeutsche Zeitung

Wolfratshauser Museum:Zwei Achsen und alle Sinne

Im neuen Wolfratshauser Ausstellungshaus sollen ein Zeitstrahl und die Loisach Orientierung geben. Die Räume sollen die Lebenswelten der Stadt mit ausgesuchten Exponaten und interaktiven Stationen erzählen.

Von Konstantin Kaip

Die Sanierung des Gebäudes am Untermarkt 10 in Wolfratshausen schreitet sichtbar voran. Nun wird auch deutlich, wie das neue Museum im Inneren aussehen soll, das dort im Obergeschoss entsteht. Der beauftragte Gestalter Tobias von Wolffersdorff hat am Donnerstag im Kulturausschuss seinen Vorentwurf vorgestellt. Durch das Museum sollen zwei Achsen führen: Ein Zeitstrahl, der die 1000-jährige Geschichte Wolfratshausens erzählt, und die Loisach, um die sich in offen gestalteten Räumen die Lebenswelten der Stadt in den Themen Vereine, Gewerbe, Flößerei, Religion und Sommer-/Winterfrische gruppieren, erzählt anhand von ausgesuchten Exponaten, Texten, Bildern und interaktiven Stationen.

Die beiden Achsen sorgten für Orientierung, erklärte von Wolffersdorff. Allerdings gebe es "keinen Zwangsrundgang", man könne sich im Museum frei bewegen. Der Zeitstrahl beginne beim Jahr 1000 am Ende der Treppe im Obergeschoss, wo ein Stadtmodell und die Urkunde, auf der Wolfratshausen erstmalig erwähnt wird, ausgestellt würden. Der Strahl soll kein Jahr auslassen und noch bis 2050 erweiterbar sein. "Das Museum soll immer in Bewegung bleiben und gelebt werden können", sagte der Gestalter. Am Ende des Zeitstrahls gelange man in einen museumspädagogischen Raum, der als interaktive "Stadtwerkstatt" Besuchern die Möglichkeit gebe, das Museum mitzugestalten. Das Thema Vereine soll sich dann in einem Raum mit runder Sitzbank wiederfinden, der Vereinsgeschichten anhand von alten Fotos, Exponaten wie einer antiken Hantel, Gesangsbüchern und Hörbeispielen des Chors erzählt, ergänzt von einer Medienstation mit Interviews heutiger Bürger.

Ein wichtiger Teil des Museums sei dem Gewerbe gewidmet. Dieser erzähle die Wirtschaftsgeschichte der Stadt, mit Ausstellungsstücken wie einem Gemälde der alten Glashütte oder einem Mühlstein, präsentiere aber in einer immer wieder neu bestückbaren Station auch die aktuellen Gewerbebetriebe. Eine wichtige Rolle spielten auch Humpl- und Haderbräu, sowie der Geigerladen, dessen Originaleinrichtung wieder einen eigenen Raum erhalten soll. Ebenso essenziell ist die Flößerei, der zwei Räume gewidmet werden: Im ersten soll ein Erker zu einem begehbaren Floß werden, über zwei Ecken soll die "Kalte Angst" thematisiert werden, die berüchtigte 90-Grad-Kurve auf dem Fluss. Auch das Thema Vergnügen solle dort mit der harten Arbeit der einstigen Flößer kontrastiert werden. Ein weiterer Raum zeige das Leben der Flößer, mit Bildern eines Flößerhauses und einer mehr als vier Meter breiten Flößerfahne in einer Vitrine. Zum Themenfeld Religion werde die Statue des Heiligen Nantwein in einem Schrein ausgestellt, in "bewusst dunkel gehaltener" Kirchenatmosphäre. Der letzte Raum widme sich schließlich der Sommer- und Winterfrische, die einst Persönlichkeiten wie Rainer Maria Rilke in Wolfratshausen gepflegt haben. Auch der Wintersport und die Isartalbahn würden dort thematisiert, sagte von Wolffersdorff. Und: "Vor einem wunderbaren Foto von einem Gartenpavillon wollen wir eine sommerliche Gartenatmosphäre erzeugen - mit Liegestuhl und einer Hörstation zum Thema."

Die Stadträte lobten das moderne, ansprechende Konzept. Damit würden "alle Sinne angesprochen", sagte Ulrike Krischke (BVW). Sie wünschte sich jedoch, ebenso wie Jennifer Layton (Grüne), auch einen Fokus auf die "dunklere Geschichte" der NS-Zeit und einen Verweis auf den Erinnerungsort Badehaus in Waldram. Museumsleiterin Evelyn Vogel erklärte, dass anhand einer alten Sprengstoffkiste, die von den Nazis zur Sprengung der Loisachbrücke vorgesehen war, die Geschichte vom Kriegsende in der Stadt erzählt werde. Zudem widme sich eine Medienstation auch Hertha Spatz und dem jüdischen Leben in der Stadt. Die Bemerkung von Helmuth Holzheu (BVW), dass deutlich weniger Exponate gezeigt würden als früher, werte er als "Kompliment", sagte von Wolffersdorff. "Es macht anscheinend einen aufgeräumten Eindruck", sagte er. "Die Zeiten, in denen man Museen vollgestopft hat, sind vorbei." Laut Vogel werden nicht ausgestellte Bilder im Depot des Stadtarchivs gelagert, alle anderen Exponate im Dachgeschoss des Museums. Im Erdgeschoss gibt es zudem einen 40 Quadratmeter großen Multifunktionsraum, in dem Sonderausstellungen stattfinden können.

Die Stadträte beschlossen einstimmig, das Büro Thöner von Wolffersdorff mit der Entwurfsplanung zu beauftragen. Zudem soll das Münchner Büro für Museumsberatung, von dem das grundlegende Feinkonzept stammt, dieses nun inhaltlich umsetzen. Das Museum soll voraussichtlich im Herbst 2022 eröffnen. Kosten soll es insgesamt knapp eine Million Euro. Laut von Wolffersdorff liegt man im Kostenrahmen.

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Quelle:
SZ vom 12.06.2021
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