Seit fast drei Monaten müssen die Wolfratshauser mit einer Ruine in ihrer Altstadt leben: Der Abriss des ehemaligen Isar-Kaufhauses wurde im Juni vom Landratsamt wegen statischer Bedenken gestoppt und im Juli per Gerichtsbeschluss in einem Eilverfahren komplett eingefroren. Das Verwaltungsgericht gab einem Nachbarn Recht, dass der dort geplante Neubau mit Laden und Wohnungen die nötigen Abstandsflächen nicht einhalte, und verhängte aufschiebende Wirkung. Die betraf Neubau und Abriss, weil beides vom Landratsamt gemeinsam genehmigt worden war. Nun hat das Gericht den Beschluss modifiziert und die aufschiebende Wirkung für den Abriss aufgehoben. Der darf also fortgesetzt werden.
Grund zum Aufatmen aber gibt es nicht. Denn die Nachricht klingt besser als sie eigentlich ist. Wann es wirklich weitergehen kann auf der Baustelle, bleibt offen. Zwar sind laut Kreisbaumeister Andreas Hainz auch die statischen Bedenken durch einen Prüfingenieur ausgeräumt worden. Allerdings müsse sich der Investor nach wie vor mit den Eigentümern des Nachbarhauses am Untermarkt 5 einigen, das direkt an das einstige Kaufhaus anschließt. Denn für die Absicherung sind laut Hainz Eingriffe in die gemeinsame Wand nötig - der Nachbar müsse sich einverstanden erklären, die Verankerungen für die Stützkonstruktion anbringen zu lassen. Frank Maiberger, Projektleiter bei der Untermarkt 7-11 GmbH, die den Neubau plant, erklärt zwar, dass das nicht unbedingt nötig sei. Schließlich habe man immer noch einen Plan B in der Tasche, die Wand auch ohne Eingriffe von außen zu stützen. Das aber würde Abriss und auch Neubau verzögern und deutlich teurer machen - um mindestens fünf Monate und einen "hohen sechsstelligen Betrag", wie Maiberger sagt. Man sei daher nach wie vor mit den Nachbarn im Gespräch und versuche, eine Einigung zu erzielen.
Das Thema ist komplex. Schließlich sind drei Hauptverfahren beim Verwaltungsgericht anhängig, von drei Nachbarn, die gegen die Baugenehmigung geklagt haben. Und zu den Klägern gehören auch die Besitzer von Haus Nummer 5. Bislang hat der Richter nur in einem Eilverfahren entschieden, die Bauherren haben dagegen beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde eingereicht. Der muss nun entscheiden muss, ob die aufschiebende Wirkung für den Neubau Bestand hat. Bis dahin ruhen die drei Hauptverfahren.
Um die Zusammenhänge zu erläutern, hatten Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) und Landrat Josef Niedermaier (FW) zusammen mit Hainz und der Baujuristin des Landratsamts Maya Mantel am Montag zu einem Pressegespräch ins Wolfratshauser Rathaus eingeladen. Außer der formellen Abrisserlaubnis hatten sie aber keine frohe Botschaft im Gepäck.
Niedermaier nannte die Sachlage den "größten anzunehmenden Unfall" für Wolfratshausen. "Wir vernehmen den Ärger. Aber in einem Rechtsstaat kann man nicht verhindern, was jetzt passiert." Die Ruine sei nicht nur unansehnlich, sondern auch geschäftsschädigend für die umliegenden Läden, sagte Heilinglechner. Er wolle nun "eine Art Mediation" mit den Klägern versuchen, um sie zur Einigung mit dem Investor zu bringen. Ein Gesprächstermin mit einem Nachbarn stehe schon. Das Objekt präge die Altstadt, die nun "eine Lanze im Herzen" habe, sagte Landrat Niedermaier. "Wir müssen schauen, dass man eine Einigung findet, damit diese Wunde so schnell wie möglich geschlossen wird."
Die versucht auch der Investor noch zu erzielen. Wann es mit dem Abbruch weitergeht, kann Projektleiter Maiberger nicht sagen. Zumindest Straße und Gehweg wolle man wenn möglich bald freiräumen. "Es ist unser Ziel, dass der Christkindlmarkt stattfinden kann."