Wolfratshauser Entwicklung:"Wir gehen nicht weg"

Das Blumen- und Fruchthaus Bartl in Wolfratshausen sollte für das "Loisachcenter" auf dem Kraft-Areal weichen. Claudia Baran aber hat ein Verkaufsangebot abgelehnt. Sie und ihre Tochter, die den Laden betreibt, wollen bleiben.

Von Konstantin Kaip

Claudia Baran hat ihr gesamtes Berufsleben im Blumen- und Fruchthaus Bartl verbracht. Das Geschäft an der Sauerlacher Straße 27 in Wolfratshausen, das ihren Mädchennamen trägt, hat sie mit 18 Jahren von ihren Eltern übernommen. Nach dem Tod ihres Mannes vor zweieinhalb Jahren hat sie es an ihre jüngste Tochter übergeben. Claudia Baran aber ist nach wie vor täglich im Laden, begrüßt und berät Stammkunden, verkauft ihnen Blumen, Gemüse und Obst. Das weiße Häuschen ist ihr Lebensmittelpunkt: Gemeinsam mit ihrer Tochter lebt sie in der kleinen Wohnung über dem Laden, der nur ein Jahr jünger ist als sie. "Ich werde heuer 60", sagt die Frau mit der grauen Kurzhaarfrisur und Brille. "Das Geschäft dann nächstes Jahr."

Das kleine Haus neben der Isar-Apotheke mit seinen Parkplätzen davor hat für die Stammkunden eine gute Lage, steht jedoch einem großen Vorhaben etwas im Weg: Es grenzt direkt an das sogenannte Kraft-Areal, auf dem ein Einkaufszentrum entstehen soll: Zwölf Meter hoch, zirka 30 Meter breit und bis zu 180 Meter lang soll das zweistöckige "Loisachcenter" nach den ersten Plänen werden, mit 6500 Quadratmetern Verkaufsfläche für zwei Supermärkte, einen Elektromarkt, eine Bäckerei, einen Kiosk und ein Textilgeschäft. Für die Kunden soll darunter eine Tiefgarage mit 310 Stellplätzen entstehen. Und deren Ein-und Ausfahrt zur Sauerlacher Straße sollte über Barans Grundstück führen.

Der Grünwalder Investor Rainer Scherbaum, der das Einkaufszentrum bauen will, hätte das Blumen- und Fruchthaus Bartl daher am liebsten abreißen lassen. Im Herbst 2016, wenige Monate nach dem Tod ihres Mannes, habe ein vom Investor beauftragter Immobilienmakler bei ihr im Laden vorbeigeschaut, um ihr ein Angebot zu machen, erzählt Baran - zu einem "lächerlichen Preis", wie sie sagt. 500 000 Euro hätte sie für das Grundstück mit Haus geboten bekommen. "Davon kriegt man in Wolfratshausen keine Vierzimmerwohnung. Und schon gar kein Haus mit Laden."

Wolfratshauser Entwicklung: Claudia Barans Laden in Wolfratshausen grenzt direkt an das sogenannte Kraft-Areal. Verkaufen will sie deshalb aber nicht.

Claudia Barans Laden in Wolfratshausen grenzt direkt an das sogenannte Kraft-Areal. Verkaufen will sie deshalb aber nicht.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Harald Mosler, Vorstandsvorsitzender der Josef und Luise Kraft-Stiftung, die wiederum alleiniger Gesellschafter der Kraft Baustoffe GmbH ist, der das Grundstück gehört, will die Summe nicht kommentieren. Man habe Baran ein "außerordentlich großzügiges Angebot" gemacht, sagt der Rechtsanwalt. Da sie nicht verkaufen wolle, sei das Thema "für uns erledigt". Zwar wäre laut Mosler bei einem Verkauf die "städtebaulich viel bessere Lösung" möglich gewesen. "Wir kommen aber auch ohne das Grundstück aus." Ähnliches hört man auch von der Stadt, die für den Bebauungsplan zuständig ist, der für das Vorhaben geändert werden soll. Für das Einkaufscenter sei Barans Areal "nicht zwingend notwendig", sagt Bauamtsleiterin Susanne Leonhard. "Man kommt sich nicht in die Quere."

Baran und ihre Tochter jedenfalls wollen bleiben und den Laden weiterführen. "Es steht zu 100 Prozent fest, dass wir nicht weggehen", sagt die Wolfratshauserin. Angst vor Konkurrenz wegen der geplanten Läden im "Loisachcenter" habe sie nicht. "Unsere Kunden kommen speziell zu uns, weil sie frisches Obst und Gemüse wollen. Sie kaufen das nicht im Supermarkt." Sorge mache ihr jedoch die Verkehrszunahme. Schließlich sei die Sauerlacher Straße bereits jetzt morgens und am späten Nachmittag heillos überlastet. Ein Supermarkt in der Gegend sei schon wichtig, sagt die 59-Jährige. Schließlich gebe es dort viele ältere Menschen, die einen Nahversorger gebrauchen könnten. Früher habe es gegenüber einen Discounter gegeben, in unmittelbarer Nähe einen Metzger und eine Bäckerei. "Das war eine tolle Ecke hier", sagt Baran. Beim geplanten Einkaufszentrum würde sie sich aber, wie übrigens viele ihrer Kunden auch, kleinere Dimensionen wünschen und dafür mehr als die im Norden des Grundstücks geplanten 16 Wohnungen.

Ähnliche Kritikpunkte enthalten auch die mehr als 80 Einwendungen, die zum Entwurf des neuen Bebauungsplans bei der Stadt eingegangen sind: Das Einkaufszentrum am Bahnhof sei überdimensioniert, entziehe der Innenstadt Kaufkraft und führe zu einer nicht verkraftbaren Verkehrszunahme; stattdessen sollten mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden. Der Stadtrat, der die Bebauungsplanänderung mit großer Mehrheit beschlossen hatte, wird sich in einer Sondersitzung am Dienstag, 26. Februar, noch einmal mit dem Thema befassen. Ziel ist laut Leonhard ein Grundsatzbeschluss zur Fortsetzung des Bebauungsplanverfahrens. Danach sollen die Einwendungen thematisch "in relativ kurzer Zeit" bearbeitet werden.

Wolfratshauser Entwicklung: Dritte Generation: Claudia Barans Tochter Alexandra führt heute das Blumen- und Fruchthaus Bartl.

Dritte Generation: Claudia Barans Tochter Alexandra führt heute das Blumen- und Fruchthaus Bartl.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Es ist gut möglich, dass das "Loisachcenter" doch nicht ganz so groß ausfällt wie anfangs verkündet. "Es wird auf jeden Fall ein Nahversorgungszentrum kommen", sagt Mosler. Denkbar sei aber für den Investor inzwischen auch eine "kleinere Lösung" mit mehr Wohnbebauung. Die Kraft-Stiftung, deren Zweck die "Förderung mittelloser und unterstützungswürdiger alter Menschen" ist, werde dafür sorgen, dass ein Teil der Wohnungen "in einem wirtschaftlich sinnvollen Rahmen" mit Förderung vergeben werde.

Claudia Baran wird die Entwicklung aufmerksam verfolgen. Verärgert ist sie vor allem über die Vertreter der Stadt, wie sie sagt. Bürgermeister Klaus Heilinglechner und Wirtschaftsreferent Helmut Forster (beide BVW) seien zwar einmal bei ihr gewesen. Da habe sie aber Kunden und keine Zeit für Gespräche gehabt. Gemeldet hätten sie sich danach nicht mehr. "Ich fühle mich übergangen", sagt Baran. "Sie wissen ja, dass wir ein kleines Unternehmen sind und viel Arbeit haben. Es wäre schön gewesen, wenn wenigsten noch ein Anruf gekommen wäre." Sie hätte sich gewünscht, früher von den Plänen zu erfahren. "Ich bin schon ein bisschen enttäuscht, wie mit uns Kleinen umgegangen wird."

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