Gastronomie und Musik:Regen, Ritter, Rock 'n' Roll

Gastronomie und Musik: Alejandra Marini im neuen Wolfratshauser Rathaus-Café, das sich eindrucksvoll als Treffpunkt im Zentrum präsentiert.

Alejandra Marini im neuen Wolfratshauser Rathaus-Café, das sich eindrucksvoll als Treffpunkt im Zentrum präsentiert.

(Foto: Manfred Neubauer)

Das dritte Wolfratshauser Wirtefest entwickelt auch bei schlechtem Wetter eine mitreißende Dynamik - und zeigt eine lebendige Kneipenkultur mit neuem Mittelpunkt im Zentrum.

Von Arnold Zimprich

Das Ehepaar Keller sitzt bei Leberkäse und Kartoffelsalat unter einem Zeltdach auf dem Wolfratshauser Marienplatz. Es beginnt zu hageln, die Band Painted Desert, die im offiziellen Wirtefest-Flyer der Stadt in eine angemalte Nachspeise verwandelt wurde, spielt mit Songs von The Police und den Eagles gegen Kälte und Niederschlag an. "Bei Woodstock ham's dann alle plärrt: no Rain!" ruft Bandleader Niko Waldherr trotzig. Kurz darauf spielt er mit seiner Band noch den Eagles-Hit "Take it Easy" - ein gutes Motto für das Wirtefest, das nach zweijähriger pandemiebedingter Pause wieder steigt, traditionell am Tag des Wiesn-Anstichs. Die Kellers jedenfalls lassen sich vom kalten Niederschlag kaum beeindrucken. "Nur um die Bands tut uns es leid, dass die bei diesem Wetter auf- und abbauen müssen."

Als der Zweite Bürgermeister Günther Eibl (CSU) das dritte Wolfratshauser Wirtefest um Punkt 17 Uhr vor der Loisachhalle eröffnet, verteilt Andreas Kutter vom städtischen Kulturreferat noch eifrig die liebevoll gestalteten Hefte, in der die 17 Spielorte verzeichnet sind. Den musikalischen Auftakt macht der Corpo Bandistico aus Wolfratshausens Partnerstadt Manzano. Sogar Manzanos Bürgermeister Piero Furlani ist angereist. Die ehemalige SPD-Stadträtin und Vorsitzende des Partnerschaftsvereins Roswitha Beyer erinnert daran, wie die Freundschaft zu Manzano aus einer Not heraus geboren wurde: Die Stadt im Friaul wurde 1976 von einem verheerenden Erdbeben heimgesucht, eine vom jüngst verstorbenen Wolfratshauser Wilfried Weigand mitorganisierte BRK-Delegation half damals. "Es ist so wichtig Freundschaft zu halten in diesen Zeiten" sagt Furlani und auch Eibl betont, wie schön es ist, dass das Wirtefest trotz aller Krisen stattfinden kann. Als auch ein paar Tränen fließen, ist es Zeit für Aufmunterung, die der Corpo mit Blasmusik und italienischen Gassenhauern wie "Azzurro" liefert.

Gastronomie und Musik: Der Corpo Bandistico aus der italienischen Partnerstadt Manzano gibt den musikalischen Auftakt vor der Loisachhalle.

Der Corpo Bandistico aus der italienischen Partnerstadt Manzano gibt den musikalischen Auftakt vor der Loisachhalle.

(Foto: Manfred Neubauer)

An der Abzweigung der Humplgasse vom Obermarkt steht ein Ritter in voller Montur, die Doppelaxt fest im Griff, das Visier heruntergeklappt. Kalt sei ihm aber auch bei knapp 10 Grad nicht, versichert Florian Fischer vom Wolfratshauer Burgverein "Lupi Albi" - und verweist auf seine warme Ritterunterwäsche. Außerdem kommt er bei jedem Schritt ins Schwitzen. Seine Rüstung wiege schließlich "inklusive Kettenhemd etwa 30 Kilogramm". Fischer will die Wirtefest-Besucher damit auf die Burgschenke aufmerksam machen, in der die Band Brachmond aus Fürstenfeldbruck auftritt. Mit Erfolg: Der Zulauf ist dort bereits um halb sieben so groß, dass man nur einen kurzen Blick auf Dudelsackspieler Valentin Seipt werfen kann. Wer in dem fröhlichen Gedränge das Thema Corona vergessen hat, wird in den vom Omnibus-Club München gestellten Oldtimer-Shuttlebussen wieder daran erinnert. Dort herrscht, anders als in den Bars und Wirtshäusern, strenge Maskenpflicht.

Gastronomie und Musik: Oldtimer als Shuttle-Bus: Im Halbe-Stunden-Takt kutschieren Fahrzeuge des Omnibus-Clubs die Gäste von Kneipe zu Kneipe.

Oldtimer als Shuttle-Bus: Im Halbe-Stunden-Takt kutschieren Fahrzeuge des Omnibus-Clubs die Gäste von Kneipe zu Kneipe.

(Foto: Manfred Neubauer)

Im kleinen Gastraum der Pralinenmanufaktur Bernhofer im Obermarkt, wo die jodelnde Dragqueen Sushi Glas im Dirndl auftritt und mit Blick auf den verlockenden Thekeninhalt singt, dass sie "wieder so einen Hunger" hat, sitzt man angenehm beschaulich. Im neu eröffneten Rathauscafé am Loisachufer tummeln sich indes bereits rund 80 Besucher, die Alejandra Marini mit argentinisch-spanischem Rhythmen zum Mitwippen bringt. Der Geräuschpegel ist beeindruckend, die Neugier war groß auf das in vornehmer Zurückhaltung mit Sichtbeton-Decke und großformatigen Fotografien gestaltete Café, das sich erstmals der Wolfratshauser Öffentlichkeit präsentiert und gleich zeigt, dass es zum lebendigen Treffpunkt des Stadtzentrums werden kann.

Als der Regen um 19 Uhr nachlässt, hat sich die Innenstadt schon gut gefüllt, trotz noch immer kühler Temperaturen. Am Bergkarmerhof hoch über der Stadt unter einem Zeltdach vorm Café Herzblut spielt derweil Mista Wicked erwärmenden Reggae. In der Zeppelin Bar im Gewerbegebiet, die Sepp Schwarzenbach für das Wirtefest noch einmal geöffnet hat, bevor endgültig Schluss ist, ist es deutlich wärmer, der Abend hat aber noch nicht begonnen. Von 20 Uhr an sollten dort Miss Pearl & Packed Rich und die Greenery Force auftreten. Um zwanzig nach Acht ist die Bühne noch leer, ein paar versprengte Gäste sitzen im Nachtlokal. Als der Chef eine halbe Stunde später eintrifft, wird er von der Belegschaft stürmisch begrüßt.

Gastronomie und Musik: Patrick Granado alias Sushi Glas tritt als Drag-Queen in der Pralinenmanufaktur Bernhofer auf.

Patrick Granado alias Sushi Glas tritt als Drag-Queen in der Pralinenmanufaktur Bernhofer auf.

(Foto: Manfred Neubauer)

Dann erstmal weiter nach Waldram, wo im Gasthof zur Post die Band Merged spielt. Weil die aber gerade Pause hat, geht es nach einer kurzen Stärkung gleich weiter zum Gasthof Aujäger und den Bonny Tones. Und die machen das Wirtshaus in der Pupplinger Au zu einem Hexenkessel. Bandleader Maxi Nachtmann und Konsorten haben das Publikum im Griff, die Leute tanzen, der Gastraum tobt zu Stücken wie Jerry Lee Lewis "Great Balls of Fire", der guten alten "Schickeria" der Spider Murphy Gang und Chuck Berrys "Roll over Beethoven". Und Gastmusiker Viktor Vollmer beeindruckt mit Ray Charles' "I don't need a doctor" auch seinen gerade angekommenen Vater Titus. Nach knapp sechs Stunden Wirtefest hat man ein beeindruckendes Bild von der vielfältigen gastronomischen Landschaft Wolfratshausens gewonnen und kann zufrieden nach Hause gehen. Auch wenn der Abend für viele erst losgeht.

Gastronomie und Musik: Spaß trotz Regen: Die Band "Painted Desert" bei ihrem Auftritt auf dem Marienplatz.

Spaß trotz Regen: Die Band "Painted Desert" bei ihrem Auftritt auf dem Marienplatz.

(Foto: Manfred Neubauer)
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