"Ich fühle mich beinahe, als wäre ich nach Hause gekommen", zeigt sich Bella Rubin sichtlich gerührt, als sie die Bühne des Erinnerungsorts Badehaus betritt. Am 21. Dezember 1945 wurde Rubin als eines der ersten "Föhrenwald-Babys" geboren. Nun ist die heute 76-Jährige aus Tel Aviv nach Waldram, in das ehemalige Lager Föhrenwald, zurückgekehrt, um die Geschichte ihrer Familie zu erzählen - und die hat es schon bis nach Hollywood geschafft.
In "Unbeugsam" versetzt Regisseur und Drehbuchautor Edward Zwick die Zuschauer in das Jahr 1941. Mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Ostpolen begann auch dort die Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung. Unter den Fliehenden waren die Brüder Tuvia, Zus, Asael und Aron Bielski - die Onkel von Bella Rubin. In den Wäldern des heutigen Belarus gründeten die vier Brüder die "Bielski-Brigade" und bauten ein geheimes Geflüchtetenlager auf. Mit der Zeit schlossen sich ihnen immer mehr von den Nationalsozialisten Verfolgte an. Bis zum Ende der deutschen Besatzung im Jahr 1944 retteten die Brüder so mehr als 1200 Menschen vor dem Tod. Die Geschichte von Rubins Familie sei, so der stellvertretende Leiter des Badehaus-Vereins Jonathan Coenen, also ein ermutigendes und lehrreiches Beispiel dafür, wie man sich gegen ein diktatorisches Unrechtsregime wehren kann und es dabei schafft, zu überleben und Leben zu retten.
"Es ist für uns alle aus unterschiedlichsten Gründen schwer, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen", betonte Bella Rubin zu Beginn der Vorstellung von "Unbeugsam" im Badehaus am Samstag. Es sei aber auch eine Gelegenheit, um sich mit ihr auszusöhnen. "Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber wir können die Zukunft beeinflussen." Deswegen sei es so wichtig, zu solchen Anlässen zusammenzukommen. Ähnlich sah das auch Coenen: "Es geht uns um zwei Dinge: Erstens wollen wir, dass die Besucher mehr über die Geschichte von Föhrenwald und seine Bewohner erfahren, zweitens wollen wir die erschreckenden Parallelen zu heute, zur Situation in der Ukraine, aufzeigen." Denn auch im Badehaus kämpfe man für Frieden und Freiheit.
Im anschließenden Gespräch mit Vereinsbeirätin Elisabeth Voigt erklärte Rubin, "Unbeugsam" habe es durchaus geschafft, den Geist der Bielski-Familie zu vermitteln. Da es sich aber nun mal um eine Hollywood-Produktion handelt, seien einige Dinge idealisiert worden. Zum Beispiel habe es, anders als im Film, nie eine Hochzeit im belarussischen Waldlager gegeben, aber durchaus ein Paar, welches auch ein gemeinsames Kind zur Welt brachte: Rubins Cousine Assi Weinstein. Auch die Beziehung zwischen den Partisanen-Brüdern, einer davon verkörpert von Daniel Craig, sei realistisch porträtiert worden. "Ich bin mit ihnen allen in New York aufgewachsen, ich kannte sie", sagte Rubin. Deshalb wisse sie auch um die Unterschiede zwischen Edward Zwicks Verfilmung, der Buchvorlage von Nechama Tec und der wahren Geschichte ihrer Eltern und Onkel.
An die Familienzusammenführung nach Kriegsende in den Vereinigten Staaten hat Bella Rubin sehr schöne Erinnerungen. Alle paar Jahre sei "einer neuer Bielski" hinzugestoßen. "Sie haben lustige, heldenhafte Geschichten erzählt und viel getrunken." Die Kinder seien herumgelaufen, hätten gespielt und den Geschichten der Eltern gelauscht. "Ich bin unter Helden aufgewachsen", erinnerte sich Rubin. Erst später sei sie in der Lage gewesen, die bewegte Familiengeschichte in ihrer Gänze zu reflektieren. "Unsere Eltern haben nie über die Grausamkeit oder die Gewalt gesprochen", erklärte sie. Stattdessen hätten sie davon berichtet, wie sie um das Lagerfeuer saßen, Kartoffeln gegessen und sich im Schnee gewaschen haben. "Ich habe das alles aufgesogen und darüber geschrieben, um ihre Geschichten am Leben zu halten", sagte die 76-Jährige. Auch Rubins Kinder und Enkel seien sich der Geschichte ihrer Vorfahren bewusst: "Wir haben ihnen alles erzählt."
Bella Rubin verbrachte die ersten vier Jahre ihres Lebens in Föhrenwald. Noch immer wisse sie, wie ihre Großmutter sie im Lager badete, wie ihr Großvater mit ihr gespielt und ihre große Schwester Lola auf sie aufgepasst hatte. Ihre älteste Erinnerung aus dieser Zeit: der Schnee im Wald. "Heute morgen bin ich aufgewacht und habe wieder Schnee gesehen. Ich war so begeistert, denn in Tel Aviv schneit es nie", erzählte sie lächelnd.
Ein ausführliches Zeitzeugeninterview mit Bella Rubin findet sich im Archiv des Erinnerungsorts Badehaus und im vom Badehaus-Verein herausgegebenen Buch "LebensBilder - Porträts aus dem jüdischen DP-Lager Föhrenwald".