Wolfratshausen:Tief durchatmen

Wolfratshausen: Wenn es einmal schnell gehen muss, ist die Notaufnahme der Wolfratshauser Kreisklinik rund um die Uhr geöffnet.

Wenn es einmal schnell gehen muss, ist die Notaufnahme der Wolfratshauser Kreisklinik rund um die Uhr geöffnet.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die Kreisklinik in Wolfratshausen feiert 50-jähriges Bestehen. Das Haus steht gut da - muss aber das Millionen-Defizit in den Griff kriegen.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Ihre neueste Errungenschaft hat die Kreisklinik Wolfratshausen erst vor wenigen Tagen vorgestellt: zwei Beatmungsgeräte, die mit Hilfe einer großzügigen Spende des Unternehmers Hans-Wolfgang Tyczka angeschafft wurden. Sie werden auf der neuen Intensivstation für das so genannte Weaning eingesetzt. Diese in Wolfratshausen neue Disziplin bezeichnet eine langsame Entwöhnung: Langzeitbeatmete Patienten lernen mit den hochsensiblen Geräten Schritt für Schritt, wieder selbst zu atmen.

Seit drei Jahren schreibt die Klinik rote Zahlen

Ein perfektes Bild für die Kreisklinik selbst, die an diesem Samstag ihr 50-jähriges Bestehen feiert. Die ist schließlich in gewisser Weise selbst ein Fall für das Weaning: Will der Betrieb als Kreisklinik bestehen, muss er sich vom Beatmungsgerät des Kreishaushalts entwöhnen. Denn die Klinik schreibt rote Zahlen: 2013 gab es erstmals ein Defizit - in Höhe von 1,3 Millionen Euro. 2014 lag der Verlust bei knapp einer Million, ebenso im vergangenen Jahr. Defizite, die der Landkreis als Träger ausgleichen muss. Die Diagnose vom Aufsichtsratsvorsitzenden und Landrat Josef Niedermaier (FW) fällt diesbezüglich recht deutlich aus: "Das geht ein paar Jahre", sagt er. "Aber dauerhaft ein Defizit auszugleichen ist schwierig." Nicht nur wegen der Finanzen, sondern auch "in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht": Schließlich befinde sich die Kreisklinik in einer Region, die medizinisch überversorgt sei. Anders als auf dem flachen Land sei es daher nahezu unmöglich, eine Klinik, die nicht ausgelastet ist, langfristig zu subventionieren. "Der Gesundheitsmarkt im Großraum München ist teuflisch", sagt Niedermaier.

Gesunden soll die Kreisklinik, seit 14 Jahren eine gemeinnützige GmbH, mit den zahlreichen Innovationen der vergangenen Jahre wie dem interdisziplinären Bauchzentrum und der Pneumologie. Und mit dem neuen Gesundheitszentrum, das die Schütz-Gruppe auf dem Areal des Klinikparks bauen will. Von der psychiatrischen Tagesklinik des Bezirks Oberbayern, die bereits im Krankenhausplan des Freistaats enthalten ist, und mehreren niedergelassenen Ärzten, die die Bauherren dort unterbringen wollen, erhoffen sich Kreistag und Aufsichtsrat Synergieeffekte für das Krankenhaus, das mit zirka 7500 stationären Behandlungen im Jahr unter dem Maximum seiner Möglichkeiten liegt.

Krankheitsbilder mit hohem Schweregrad bringen mehr Geld von den Kassen

Eine Hoffnung liegt im Weaning: Oberarzt Dr. Klaus-Peter Uehlein, der seit einem Jahr die Pneumologie leitet, zeigte bei der Vorstellung der Beatmungsgeräte auch den Weg auf, den die Kreisklinik künftig beschreiten will. Denn die aufwendige Therapie betreiben nur wenige Häuser in Bayern. Spender Tyczka sprach von einem "Alleinstellungsmerkmal" für die Wolfratshauser Klinik. Der Geschäftsführer der Kreisklinik Hubertus Hollmann spricht lieber von einem "gesunden Mix": Grundversorgung alleine reiche heute nicht mehr aus, um ein Krankenhaus wirtschaftlich zu betreiben, sagt er. Daher müsse man Spezialbereiche finden, die dazu beitragen, die Defizite anderer Abteilungen auszugleichen. Die Beatmungsmedizin, die in Wolfratshausen laut Uehlein gut ausgelastet ist und Hollmann zu Folge "sehr gut" anläuft, kann da ein wertvoller Baustein sein. Vor allem weil es um Krankheitsbilder mit hohem Schweregrad geht, die nach der im Gesundheitssystem geltenden Fallkostenpauschale deutlich mehr Geld von den Kassen bringen als andere Diagnosen.

Mehr will Hollmann dazu nicht sagen - jedenfalls nicht vor Samstagabend: Schließlich feiert da die Kreisklinik ihr 50-jähriges Bestehen mit einem Galarevueabend in der Loisachhalle (Beginn: 19.30 Uhr). Der Abend soll vor allem ein Dankeschön sein, sagt Hollmann - an die Politiker, die das Haus in all den Jahren unterstützt haben, an Spender, aber vor allem an die Mitarbeiter. Zusammen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Niedermaier und dem ärztlichen Direktor, Chefarzt Dr. Stefan Schmidbauer, wolle er dort "geschlossen auftreten", erklärt Hollmann. Vorab wolle er daher weder über die Defizite sprechen, die die Klinik seit drei Jahren macht, noch über Strategien zur Konsolidierung. "Ein Krankenhaus", sagt der Geschäftsführer nur, "ist heute ein Gesundheitsunternehmen mit den gleichen Spielregeln wie andere Unternehmen auch".

Jubiläum unter dem Damoklesschwert der Privatisierung

1966, als das neue Kreiskrankenhaus am Moosbauerweg in Betrieb ging, war das noch anders. Genau wie die Dimensionen der medizinischen Grundversorgung: 13 Millionen D-Mark hat der Bau den damaligen Landkreis Wolfratshausen gekostet - in etwa so viel wie nun die neue Intensivstation, die im Januar 2016 in Betrieb ging. 35 Millionen Euro haben der Freistaat und der Landkreis inzwischen in die Kreisklinik investiert: 2002 bekam sie ein neues Bettenhaus, dann wurden der alte Bettentrakt, OP, und Funktionsbereich erneuert. 2014 wurde die neue Endoskopie eröffnet, und mit der neuen Intensivstation wurde die Sanierung schließlich abgeschlossen, pünktlich zum Jubiläum. Von der technischen und der baulichen Ausstattung sei nun "alles topp", sagt Hollmann. Ideale Voraussetzungen also für die 320 Mitarbeiter und für die Patienten. Noch nie, das kann man sagen, stand die Kreisklinik Wolfratshausen so gut da wie jetzt. Doch das Damoklesschwert der Privatisierung, das schon zahlreiche andere Häuser getroffen hat, wird auch am Samstag über den Gala-Gästen in der Loisachhalle hängen.

Dass etwa die Hälfte aller Krankenhäuser in Bayern Defizite macht, hilft wenig, auch wenn es zeigt, dass das ganze System krankt: Die Kassen zahlen den Kliniken Fallpauschalen, die jedoch nicht im gleichen Maße steigen, wie die Kosten für Personal und Ausstattung. Gerade kleine Häuser sind dadurch gefährdet. "Es ist eine Schere, die da aufgeht", sagt der Vorsitzende des Vereins "Freunde der Kreisklinik", Gerhard Hasreiter, der als CSU-Kreisrat auch im Aufsichtsrat des Klinikums sitzt. "Wir als Verein versuchen, die Schere ein wenig zu schließen." Mehr als 600 000 Euro hat der Förderverein seit seiner Gründung 1993 schon für die Klinik gesammelt. Geld, das unter anderem in die Palliativstation, in die zwei Demenzbetten im Haus - und in die neuen Beatmungsgeräte geflossen ist. "Wir konnten schon viele Verbesserungen außerhalb des Klinikbudgets erreichen", sagt Hasreiter.

"Die Trägerschaft ist sekundär", sagt Landrat Niedermaier

Auch Reiner Berchtold, für die SPD im Kreistag und im Aufsichtsrat der Klinik, spürt deutliche Fortschritte: "Der Ruf ist besser geworden, auch durch die Ärzte, die gewonnen werden konnten", sagt der ehemalige Bürgermeister von Wolfratshausen. Als Beispiel nennt er die Geburtenzahlen in der Klinik, die nach dem Negativrekord von 154 im Jahr 2011 im vergangenen Jahr wieder bei 238 lagen. Das sei "ein Zeichen, dass sich da was zum Positiven entwickelt." Berchtold ist zuversichtlich: "Wenn die Klinik modern bleibt, und die Ärzte mit Spezialbereichen Schwerpunkte abdecken, dann schaffen wir das in Wolfratshausen", sagt er. Und ergänzt: "zumindest plus minus Null rauszugehen". Denn für ihn, macht Berchtold klar, sei die Kreisklinik auch kein Wirtschaftsbetrieb, sondern "eine Sache der Daseinsvorsorge". Und ein wichtiger Arbeitgeber. Für das Personal sei es entscheidend, dass der Kreis Träger bleibe, sagt Berchtold. "Man bekommt ja im Klinikausschuss mit, dass andere Häuser durchaus andere Tarife zahlen." Eine Reduzierung der Personalkosten komme aber nicht in Frage, wenn man die Qualität halten wolle. "Die Diskussion über eine Privatisierung möchte ich mir nicht ausmalen", sagt Berchtold. "Da kannst du es dir ausrechnen, dass das Haus über Kurz oder Lang wegrationalisiert wird."

Niedermaier sieht das etwas anders: "Die Trägerschaft ist sekundär", sagt der Landrat. Auch ein privater Träger werde die Grundversorgung abdecken. Die sei schließlich im Krankenhausplan Voraussetzung für die Fördermittel des Freistaats, die etwa auch die Asklepios-Klinik in Bad Tölz erhalte. "Entscheidend ist, dass der Gesundheitsstandort Wolfratshausen eine Klinik behalten kann", betont Niedermaier. Und dafür sei das Gesundheitszentrum mit der Tagesklinik des Bezirks ein entscheidender Faktor. Noch wichtiger aber seien die Patienten, sagt Niedermaier. Bei dem marktwirtschaftlichen Umfeld, in dem das Krankenhaussystem angekommen sei, sei das eben auch nicht anders als bei einem Supermarkt: Die Bürger des nördlichen Landkreises müssten sich auf dem hart umkämpften Gesundheitsmarkt auch für die eigene Kreisklinik entscheiden. Das wolle man auch am Samstag unterstreichen: "Alle sollten wissen, welchen Schatz man da in Wolfratshausen hat, und ihn auch nutzen."

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