Kommunale Klimapolitik:Umweltreferent hält Brandrede

Kommunale Klimapolitik: Hans Schmidt, Umweltreferent im Wolfratshauser Stadtrat, sieht sich als Mahner in Sachen Klimaschutz.

Hans Schmidt, Umweltreferent im Wolfratshauser Stadtrat, sieht sich als Mahner in Sachen Klimaschutz.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Grüne Hans Schmidt nutzt seinen jährlichen Bericht im Wolfratshauser Stadtrat für eine Auflistung von Versäumnissen und Forderungen in Sachen Klimaschutz. Dass er kein Wort zu dem Erreichten verliert, irritiert viele im Gremium.

Von Konstantin Kaip

Der Wolfratshauser Stadtrat nimmt den Klimawandel ernst, das ist zumindest protokollarisch erfasst. Schließlich hat das Gremium 2019 mehrheitlich den Klimanotstand ausgerufen, Beschlüsse sollen seitdem, so die Leitlinie, stets im Hinblick auf ihre Auswirkungen aufs Klima gefasst werden. Die Aktivisten von "WOR For Future", die seit mehr als einem Jahr stumm vor den Stadtratssitzungen mit Transparenten protestieren, sehen den Grundsatzbeschluss aber noch nicht umgesetzt. Sie fordern, dass die Kommune mehr, wenn nicht gar alles in ihrer Macht stehende, tut, um den Klimawandel aufzuhalten.

Bei der jüngsten Sitzung haben sie nun Unterstützung eines Stadtratsmitglieds erhalten: Der Grüne Hans Schmidt, seit der Kommunalwahl Umweltreferent im Gremium, nutzte seinen Rechenschaftsbericht für eine Brandrede. Wolfratshausen sei in Sachen Klimaschutz kaum vorangekommen, bilanzierte er, zählte zahlreiche Versäumnisse auf und forderte viele Maßnahmen. Bei seinen Stadtratskollegen sorgte sein Vortrag vor allem für Irritationen. Sie bemängelten, dass Schmidt in seinem Bericht kein Wort zu dem verlor, was der Stadtrat in Sachen Klimaschutz angeschoben habe - und bezweifelten, ob derlei Mahntiraden mit Forderungen nach Restriktionen geeignet seien, um die Bürger bei dem wichtigen Thema mitzunehmen.

Schmidt, selbst aktiv bei "Grandparents For Future", hatte seine Rede wohl unter den Eindrücken des heftigen Gewittersturms geschrieben, der in der Nacht zuvor die Feuerwehr auf Trab gehalten und mehrere große Bäume im Stadtgebiet umgeworfen hatte. "Das Unwetter heute Nacht hat gezeigt, dass die Natur nicht mit sich spaßen lässt, dass sie nicht zu Verhandlungen bereit ist, sondern immer extremer auf die Erhöhung der Temperatur reagiert", begann er seinen Bericht, in dem sich dann gleichsam ein Gewitter an Kritikpunkten und Forderungen entlud. Auch die Kommune - "Kommunalparlament, Verwaltung und Bürgerschaft" - müssten den "grundlegenden Wechsel gestalten", der zum Aufhalten der Klimakatastrophe nötig sei, sagte Schmidt.

Der Stadtrat habe "im Oktober 2016 einen ambitionierten Energienutzungsplan einstimmig verabschiedet". Demnach sollte die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien heute 92 Prozent des Bedarfs decken, die Wärmeerzeugung neun Prozent. "WOR for Future" habe errechnet, dass aber erst circa 16 Prozent des Strombedarfs regenerativ erzeugt wird. "Wir sind also kaum vorangekommen." Zahlen zur Wärmeerzeugung und zur gesamtstädtischen Einsparung von Strom und Wärme lägen nicht vor. Die neue Kita am Steghiaslweg sei "explizit mit dem Ziel in Auftrag gegeben" worden, dass auf dem Dach keine PV-Anlage installiert werden solle. Bedauerlich außerdem: Seit Februar stünden für die Förderung von Balkonkraftwerken und umweltschonenden Batteriespeichern 40 000 Euro im Haushalt, die nicht abgerufen werden könnten, weil die Förderrichtlinie zwar seit Oktober 2021 beschlussfähig sei, aber noch nicht auf der Tagesordnung stehe.

Die Ausrufung des Klimanotstands 2019 "sollte nicht nur eine Entscheidung mit Signalwirkung und ein Bekenntnis zu den kommenden Generationen sein, sondern die Grundlage bilden, um Klimaschutzmaßnahmen in Wolfratshausen schneller umzusetzen und dafür benötigte Geldmittel umzuwidmen". Seine Aufgabe als Referent sehe er darin, Stadtrat, Bürgermeister und Verwaltung "immer wieder auf diese beiden Grundsatzbeschlüsse hinzuweisen", sagte Schmidt - "auch wenn ich mich manchmal unbeliebt mache". Schließlich gehe es "um nichts anderes als um eine lebenswerte Zukunft für die kommenden Generationen".

Die Liste von insgesamt 17 Forderungen in den Themenfeldern Strom und Wärme, Verkehr, und Klimaanpassung, die Schmidt daraufhin vortrug, unterbrach Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) mit der Feststellung, dass es eigentlich um einen Bericht des Referenten zum letzten Jahr gehe und nicht um ein "Wunschkonzert". Zudem verbat er sich Schmidts Kritik an der Verwaltung. Diese führe nur aus, was der Stadtrat beschließe. Schmidt ließ sich davon nicht aus dem Konzept bringen und trug seine zweiseitige Rede bis zum Ende vor, an dem er Heilinglechner als Bürgermeister in die besondere Pflicht nahm, "die beiden Grundsatzbeschlüsse des Stadtrats in konkretes Verwaltungshandeln umzusetzen".

Er habe noch nie einen Referentenbericht kommentiert, sagte BVW-Sprecher Josef Praller nach dem Vortrag. Aber er habe auch noch nie einen solchen Bericht gehört. "Hier nur den mahnenden Finger zu heben und zu sagen, was wir alles nicht machen, geht einfach nicht." Als Umweltreferent, der vom Stadtrat einen "Vertrauensvorschuss" bekommen habe, habe Schmidt "keinen einzigen Punkt vorgebracht darüber, was wir geschafft haben", sagte Praller. "Das ist nicht aussagekräftig für mich." Auch habe Schmidt den Klimanotstands-Beschluss nicht vollständig zitiert. "Wir haben nie beschlossen, dass wir auf Teufel komm raus das Klima hier retten wollen oder können." Im Übrigen, so Praller, könne man ohne positive Emotionen "die Leute nicht mitnehmen".

Das sahen auch andere Stadträte so. "Wolfratshausen ist sicher in der Bringschuld", sagte Manfred Menke (SPD). "Aber es muss auch Ziel sein, das nicht als Monstranz vor sich herzutragen, sondern die Leute mitzunehmen." Mit "Angstmache und Zwang" gelinge das nicht, fand auch Patrick Lechner (FDP). Und Fritz Schnaller (SPD) erklärte zum Klimaschutz: "Die Verantwortung liegt bei jedem von uns." Für die Arbeitsgruppe zum Thema im Stadtrat sei es wichtig, überschaubare Handlungsfelder zu schaffen, die man schrittwiese abarbeiten könne. Dem Umweltreferenten Schmidt gab er den Rat: "weniger Vorwürfe, dafür mehr versuchen, die Mitarbeit vieler, vielleicht sogar aller, zu gewinnen".

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