Europäisches Engagement:Aus der Geschichte für den Frieden lernen

Europäisches Engagement: Jürgen Göbel erhält die Bürgermedaille 2022 der Stadt Wolfratshausen.

Jürgen Göbel erhält die Bürgermedaille 2022 der Stadt Wolfratshausen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Jahrzehntelang hat sich Jürgen Göbel für die Europa-Union im Kreis engagiert. Nach der Europa-Medaille des Freistaats erhält er dafür nun die Bürgermedaille der Stadt Wolfratshausen.

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Als radikalen Verfechter von Frieden und Freiheit bezeichnet sich Jürgen Göbel wohl deshalb so deutlich, weil er selbst erfahren hat, wozu Gewalt führen kann. Der Diplom-Ingenieur für Bergbau war noch ein kleines Kind, als sein Vater kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges als Soldat umkam. Die Mutter starb ebenfalls relativ jung, vermutlich auch, weil sie den Tod ihres Mannes nur schwer verkraftete. Mit 18 Jahren wurde Göbel Vollwaise. Vieles, was ihn bewege, lasse sich aus dieser Erfahrung erklären, schildert der inzwischen 82-jährige Göbel. "Aus der Geschichte sollte jeder etwas lernen." Er selbst ist daher 1979 in die Europa-Union eingetreten, war seit Mitte der 1980er-Jahre bis 2016 Vorsitzender im Kreisverband und bis 2021 noch im Bezirksverband Oberbayern engagiert. Für sein jahrzehntelanges Engagement zur europäischen Völkerverständigung zeichnet ihn nun die Stadt Wolfratshausen mit der Bürgermedaille aus.

Die Kommune würdigt, dass Jürgen Göbel unter anderem Vorträge und innereuropäische Bildungsreisen organisierte, sich aktiv im Partnerschaftsverein Barbezieux-Wolfratshausen einbrachte. "Für mich ist das die Erkenntnis, dass nicht alles falsch und sinnlos war, was ich im Leben so angestellt habe", sagt Göbel über die Ehrung. Das erfülle ihn mit Freude und Dankbarkeit. Auch ein "kleiner Prozentsatz Stolz" schwinge mit.

Allerdings räumt Göbel ein, dass es oft schwer gewesen sei, der Bevölkerung die Europäische Union (EU) mit ihrem Projekt eines in Frieden und Freiheit vereinten Kontinents wirklich nahezubringen. Dafür macht er auch verantwortlich, dass teils zu negativ über die Europäische Union und ihre Institutionen berichtet werde. Für den Kreisverband der Europa-Union mit seinen nur etwa 70 Mitgliedern seien zudem die Mittel begrenzt gewesen, namhafte Referenten für Veranstaltungen zu finden. Statt zu sehr auf das Finanzielle zu schauen, müssten die Werte Europas bis hin zu den Menschenrechten im Vordergrund stehen, sagt Göbel. Womöglich stärke der Ukraine-Krieg - so brutal dieser Konflikt sei - die Bereitschaft der EU-Mitgliedsländer, noch intensiver zusammenzuarbeiten.

Europa ist für Göbel trotzdem auf "einem guten Weg". Das haben ihm auch die Konflikte des Vorderen Orients und Nahen Ostens bewusst gemacht. In der Region war der im hessischen Dillenburg geborene Göbel als Vertriebsleiter für die Gämmerler Kieswerke beruflich tätig. In Algerien sei er 1979 auf einen Flyer des Europarat-Generalsekretärs Georg Kahn-Ackermann aufmerksam geworden, der auch Kreisvorsitzender der Europa-Union gewesen sei. Darin habe dieser glühend für das Projekt des vereinten Europas geworben. Im Urlaub habe er im selben Jahr Kahn-Ackermann in dessen Haus in Ammerland persönlich getroffen und sei selbst in die Europa-Union eingetreten, so Göbel. Auf Kreisebene habe er sich zu engagieren begonnen, als er 1982 aus Algerien wieder nach Wolfratshausen zurückgekehrt sei.

Fassungslos macht Göbel, wie es im 21. Jahrhundert zu einem Krieg wie in der Ukraine kommen konnte. Dem gelte es das großartige Friedenswerk Europas entgegenzustellen. Alleine eine Seite in die Ecke des Bösen zu stellen, sei aber auch keine Lösung, findet er.

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