Porträt:„Ich bin eine Mannschaftsspielerin“

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Mehr als 50 Jahre für den Sport: Die Tischtennisspielerin Karen Hellwig in der Turnhalle der Isardammschule Geretsried. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Zum fünften Mal würdigt die Stadt Wolfratshausen die Tischtennisspielerin Karen Hellwig als Sportlerin des Jahres. Vor dem Training erklärt sie, was sie am Sport fasziniert und warum sie immer weitermacht.

Von Paul Schäufele, Geretsried

In schönem, regelmäßig flottem Rhythmus fliegt der Ball hin und her, dabei Geräusche machend wie ein Metronom, das einen kleinen Hänger hat. Die Bewegungen der Spielerin und des Spielers sind sicher, wie nebenbei lässt man die Polyester-Hohlkugel über die harte Tischplatte fliegen. Nur manchmal macht sich eine selbständig – „Oh, da kommt der alte Mann nicht mehr hin“, heißt es da von rechts. Keine drei Sekunden und das Spiel wird wieder aufgenommen, konzentriert, mit Lust am Spiel und Freude am Gewinnen. Seit mehr als fünfzig Jahren widmet sich Karen Hellwig dem Tischtennis und denkt nicht daran, aufzuhören.

Man meint es dem Gesichtsausdruck anzusehen: Wenn Karen Hellwig den Tischtennisschläger – zuvor noch mit ihrem Atem in der kühlen Sporthalle der Geretsrieder Isardammschule aufgewärmt – in der Hand hält, ist sie ganz bei der Sache, ernst fokussiert, verfolgt mit Augen und Geist, was sich vor ihr abspielt. Ansonsten lacht sie viel, ist im Gespräch aber nicht weniger schlagfertig als an der Tischtennis-Platte. Sport und Leben gehen Hand in Hand.

„Du findest immer Leute, mit denen du spielen kannst“

Das ist so, seit Karen Hellwig neun Jahre alt ist. Damals hat sie der ältere Bruder auf den Dachboden zum Training mitgenommen, wie die heute 63-Jährige lebhaft erzählt. Der Sprache hört man an, dass die Sportlerin zwar in München geboren wurde, aber in Norddeutschland aufgewachsen ist. Seit fast vierzig Jahren wohnen Hellwig und ihr Mann allerdings wieder im Oberland. Der Tischtennis-Sport ist immer dabei gewesen, einer der Faktoren, den Hellwig an dieser Sportart immer attraktiv fand: „Tischtennis kannst du überall spielen, du brauchst ja kaum Equipment. Und du findest immer Leute, mit denen du spielen kannst“, sagt sie.

Gefunden hat Hellwig diese Leute in mehreren Vereinen, in Ottobrunn, Schwabhausen und zuletzt beim SV Eurasburg-Beuerberg. „Ich bin eine Mannschaftsspielerin“, sagt Hellwig über sich. Das gelte auch fürs Leben abseits der Sporthalle. „Ich bin einfach gerne mit Menschen zusammen“, sagt sie. Dieses Lebensgefühl hat sich im Sport in mehreren Titeln, vor allem im Spiel als Doppel, in ihren Vereinen niedergeschlagen. Einen ihrer schönsten Momente als Sportlerin hat Hellwig so im Doppelspiel bei den Deutschen Meisterschaften erlebt: „In Völklingen war das. Da sind wir schon 0:2 hinten gelegen, aber ich habe gesagt ‚Einmal möchte ich ganz oben stehen‘. Dann haben wir doch 3:2 gewonnen“, erinnert sich Hellwig.

Sobald Hellwig den Schläger in der Hand hat... (Foto: Harry Wolfsbauer)
...ist sie hochkonzertriert. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Liste der Preise, die Hellwig in den ganzen Jahren ihrer sportlichen Aktivität erspielt hat, ist eindrucksvoll. Dennoch ist sie den Schritt in die Profi-Karriere, die zum Hauptberuf geworden wäre, nicht gegangen. „Ich glaube, wenn ich früher mehr gemacht hätte, dann hätte ich noch mehr schaffen können. Wenn ich jung im richtigen Verein gelandet wäre, dann auch. In mir brennt der Ehrgeiz!“, sagt sie und lacht. Ob sie heute manchmal bedauert, nicht in den Profi-Sport gewechselt zu haben? „Früher mal, aber jetzt nicht mehr.“ Dafür ist die Freude am aktiven Spiel selbst zu groß, der Spaß an der Schnelligkeit, der Reiz, die psychologische Stärke aufzubringen, um den Gegner schlagen zu können. „Man versucht ja, dem anderen den eigenen Stil aufzuzwingen, das ist eine mentale Sache“, sagt Hellwig. Das sei auch nicht immer einfach gewesen, gibt sie offen zu. Zeiten, in denen es schwierig war, sich dem Spiel und seinen Abläufen zu öffnen, kennt sie auch: „Solche Phasen hat jeder Spieler, klar.“

Dass sie jetzt ihre Punkte schon seit drei Jahren in einer Männermannschaft holt, stört sie wenig. Nachdem sich ihr alter Verein aufgelöst hat, sei sie nach Eurasburg eingeladen worden und habe diese Einladung angenommen, obwohl sie anfangs Zweifel hatte: „Männer spielen anders, athletischer vielleicht. Ich habe einfach gedacht, dass ich das nicht schaffe. Aber ich habe mich dadurch nochmal gesteigert“, sagt Hellwig. Die Zweifel kamen auch von früheren Erfahrungen, die gezeigt hatten, dass das Spiel gegen Männer nicht immer angenehm sein musste. „Vor Jahren war das noch so, dass sich Männer dann besonders angestrengt haben. Gegen eine Frau verlieren, das ging gar nicht! Das ist heute auch anders.“ Wobei Karen Hellwig vermutlich nie einen Mangel an Training mit dem anderen Geschlecht gehabt hat. Ihr Mann Michael spielte über Jahre hinweg ebenfalls erfolgreich Tischtennis und ist heute – wie Karen Hellwig auch – als Sportfunktionär tätig. Kennengelernt hat man sich beim Lieblingssport.

„Ich genieße das schon“, sagt Hellwig über ihre fünfte Ehrung

Für sportliche Leistungen in Wolfratshausen ist Karen Hellwig heuer zur Sportlerin des Jahres gekürt. Zum fünften Mal hat sie die Auszeichnung entgegennehmen dürfen, die nicht nur die beachtlichen sportlichen Leistungen ehrt, sondert auch ein Engagement und Feuer für einen aktiven, sich selbst einsetzenden Lebensstil, der inspiriert und über die eigene Sportart hinaus wirkt. „Ich genieße das schon“, sagt Karen Hellwig über die Ehrung. „Es ist eine Auszeichnung unserer Sportart und zeigt auch, dass man das in meinem Alter noch machen kann. Es ist schön, wenn das nach außen dringt.“

Ans Aufhören denkt sie deshalb nicht. „Wenn die Leistungen schlechter werden, dann gehe ich irgendwann in die zweite Mannschaft, dann in die dritte. Aber dass ich ganz aufhöre, kann ich mir nicht vorstellen.“ Man merkt es im Gespräch wie beim Spiel: In Karen Hellwig ist Energie, die umgesetzt werden muss.

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