Wolfratshausen:Smartes Biest

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Guido Keller hat sich einen Rennwagen gebaut: In seinem "Smart S 1000 RR" steckt Technik aus dem Motorradsport. Mit dem Flitzer will der Starnberger die Deutsche Bergmeisterschaft der Amateure gewinnen.

Von Peter Haacke, Wolfratshausen

Was kann man tun, um Deutscher Meister zu werden? Die Antwort auf diese Frage hofft der Starnberger Rennfahrer Guido Keller mit einem ebenso ungewöhnlichen wie innovativen Umbau gefunden zu haben: ein Auto mit dem Herzen eines Motorrads.

Vergangene Woche präsentierte Keller in Wolfratshausen ein Fahrzeug, das wohl einzigartig sein dürfte. Auf Basis eines kleinen, leichten Sportwagens kreierte er ein Rennfahrzeug, in das er den Motor eines 200 PS starken Motorrads verpflanzte. Nach zwei Jahren intensiver Arbeit entstand "The Beast" - ein Smart Roadster mit dem Antrieb einer BMW S 1000 RR.

Etwa 100 geladene Gäste - Projektpartner, Sponsoren, Freunde und Bekannte - verfolgten die Enthüllung des neuen Arbeitsgeräts von Keller, in dem enorme Feinarbeit steckt. "Auf meine alten Tage wollte ich noch mal mit den Besten zusammen arbeiten", sagte der 49-jährige Keller, der seit mehr als 30 Jahren Rennen fährt und sich selbst als "verrückten Vollblutmotorsportler" bezeichnet.

Kellers Werkstatt zieren unzählige Pokale, die der ehemalige Slalom-Europameister und Bergslalom-Spezialist vor allem mit diversen 3er-BMW, aber auch mit Autos wie Ford Puma oder Toyota Yaris erobert hat.

Jetzt also ein Smart. Der zweisitzige Roadster war einst Idee der Daimler AG, wurde aber nur von 2003 bis 2005 im lothringischen Hambach (Frankreich) produziert. Kotflügel, Türen, Fronthaube sowie Front- und Heckschürze bestanden aus Kunststoff, in der stärksten 100-PS-Version erreichte der nur 800 Kilogramm schwere Kleinwagen 190 Stundenkilometer. Doch ungünstige Preispolitik und technische Widrigkeiten verdarben das Geschäft; nach nur drei Jahren mit insgesamt 43 000 Exemplaren wurde die Produktion des smarten Roadsters eingestellt.

Am Anfang war nur die Fahrgastzelle. (Foto: Privat)

Keller erwarb die Basis für seinen Boliden für nur 450 Euro - ein silberfarbener Unfallwagen, an dem allerdings kaum etwas zu gebrauchen war. "Etwas Verrücktes" habe er machen wollen, sagt Keller, und zerlegte den Kleinwagen bis zur Unkenntlichkeit. Sein einziges Interesse galt dabei der Fahrgastzelle.

Zwar ähnelt der im Rennlook aufgebaute Roadster äußerlich der Serienversion. Tatsächlich aber ist es nur die Hülle. Im Fahrzeuginnern ist nichts mehr original, alles Interieur wurde entfernt. Die äußeren Kunststoffteile ersetzte Keller durch Carbon, Fahrwerk und Bremsen sind Rennsporttechnik pur. Es gibt keine Blinker, Lenkrad und Schalthebel wichen einer Steuereinheit mit Schaltwippen aus dem Formel-Sport; das Kupplungspedal wird nur noch zum Anfahren benötigt. Und als Antrieb wählte Keller den Vierzylinder-Motor einer BMW S 1000 RR - mit 200 PS bis heute Referenzklasse in der Liga der bis zu 300 Stundenkilometer schnellen Bikes, die auf öffentlichen Straßen fahren dürfen.

Der Arbeitsplatz in Kellers Beast ist spartanisch und für eine Einkaufsfahrt denkbar ungeeignet: Der Fahrersitz ist in die Mitte der Kabine platziert, die mit einem Gitterrohrrahmen verstärkt wurde. Im Cockpit vermelden lediglich Drehzahlmesser und ein paar Warnlampen den Zustand des Aggregats, einen Tachometer gibt es nicht. Eine martialisch aussehende Hutze auf dem Dach fächelt dem bis zu 14 000 Umdrehungen pro Minute werkelnden Motor kühle Luft zu, ein Loch in der Fronthaube versorgt die Wasserkühlung.

Der auf 600 Kilogramm abgespeckte Renner mit Mittelmotor fährt sich auf 15-Zoll-Reifen wie ein Kart: Je nach Übersetzung ist The Beast bis zu 230 Stundenkilometer schnell, ein Heckflügel soll für Anpressdruck sorgen. Doch auf Topspeed kommt es bei Slalom- oder Bergrennen gar nicht so sehr an: Entscheidend sind vielmehr Beschleunigung, Traktion und Handling, weiß Keller, der als Saisonziel den Titelgewinn der Deutschen Bergmeisterschaft der Amateure anpeilt.

Beim Rollout auf einem Flugplatz in Mühldorf vor wenigen Tagen hat "alles gepasst", sagte Keller bei der Präsentation. Ein Video dokumentiert den Probelauf des Renners, bei dem das Beast mit dem Klang einer zornigen Hornisse über die Piste rast. Das Projekt unterstützen Technikspezialisten wie Christian Allkofer, Autodesigner Flossmann oder die Motoren-Experten von Alpha Racing; hinzu kommen Sponsoren und Förderer.

In all die Freude über die Fertigstellung des Rennwagens mischte sich bei Keller aber auch Trauer: Hans Pfeffer, wichtiger Impulsgeber des Projekts und enger Freund Kellers, erlag während der Realisierung einer Krankheit. Dennoch richtet sich Kellers Blick nach vorn: Am 11. Mai startet die Serie zur Berglaufmeisterschaft 2019 mit insgesamt zwölf Rennen in Bockenau. Bis dahin soll getestet werden. Vor allem aber muss der Fahrer mit dem kleinen Beast klarkommen.

© SZ vom 04.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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