Starkbierfest in WolfratshausenHype, Hype, Hurra

Lesezeit: 5 Min.

Komisch kann´s in Wolfratshausen sein. Ob das beabsichtigt ist?  Wiggerl Gollwitzer als Waldorf (li.) und Franz Foitzek als Statler jedenfalls kommentierten alles von einem Logenplatz im Bergwald aus.
Komisch kann´s in Wolfratshausen sein. Ob das beabsichtigt ist?  Wiggerl Gollwitzer als Waldorf (li.) und Franz Foitzek als Statler jedenfalls kommentierten alles von einem Logenplatz im Bergwald aus. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das Starkbierfest der Loisachtaler Bauernbühne zeigt, dass es auch angesichts der Reallage immer noch zu Politikersatire reicht.

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen

Es galt natürlich wie immer vorher absolute Geheimhaltung. Kein Piep war vorab zu hören, wen oder was die Loisachtaler Bauernbühne (LBB) bei ihrem diesjährigen Singspiel aufs Korn nehmen würden. Das war insofern bemerkenswert, als sich der Vorhang am Freitagabend dann zu einem Stück mit dem Titel „Bergwaldgezwitscher“ hob und die Spatzen all das, was in Wolfratshausen so passiert - oder eben alles nicht passiert - sprichwörtlich von den Dächern pfiffen.

Die Bergwaldspatzen, ein Chor mit beeindruckender Spottkraft, untermalten das Geschehen musikalisch. Wiggerl Gollwitzer und Franz Foitzik mimten zwei grantige Rentner à la Waldorf und Statler aus der „Muppet Show“. Von ihrem erhöhten Logenplatz im Bergwald aus ließen sie kein gutes Haar an der Lokalpolitik. „Nix geht vorwärts in der Stadt“, lautete ihr Fazit, während sie das Geschehen unter ihnen mit bissigen Kommentaren garnierten: „Wolfratshausen ist die Nummer 1 im ganzen Oberland ... mit Verhindern, Aussitzen und Bürgerbegehren. Nicht zu vergessen, das allerbeste Steuergeldgrab: diese ewigen Gutachten.“

Volles Haus: Mehr als 580 Menschen lockte das Starkbierfest in die Wolfratshauser Loisachhalle.
Volles Haus: Mehr als 580 Menschen lockte das Starkbierfest in die Wolfratshauser Loisachhalle. (Foto: Hartmut Pöstges)

Um 20.15 Uhr – früher bekannt als die „beste Sendezeit“ – hatte sich der Vorhang gehoben. Zuvor hatte Bürgermeister Klaus Heilinglechner die Bühne betreten, bewaffnet mit einem Holzhammer und der Absicht, das erste Fass anzustechen. Nach drei kräftigen Schlägen – man munkelt, er habe dabei an so manchen Stadtratsbeschluss gedacht – floss der Gerstensaft, und in einem Anflug von musikalischer Inspiration schwang der Rathauschef kurzzeitig sogar den Dirigentenstab für die Stadtkapelle. Ein Bürgermeister eben, der alle Saiten bespielt. Und im Verlauf des folgenden Singspiels mit nur wenigen Seitenhieben davonkam.

Amüsiert: Bürgermeister Klaus Heilinglechner.
Amüsiert: Bürgermeister Klaus Heilinglechner. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ihre Kommentare streuten die Rentner relativ breit, sekundiert von einem Hausl (Tom Janoschi), der vor Ort allerlei durchzufeudeln hat: „Herrschaftszeiten, überall schaut's aus wie auf einer Müllhalde. Am allerschlimmsten ist es am Bahnhof“, moserte er. Die Rentner pflichteten ihm bei: „Seit die Toiletten dort geschlossen sind, bin ich gezwungen, wild zu biesln.“ Was in Ideen für einen neuen Slogan der Deutschen Bahn mündete: „Willst du nach Wolfratshausen reisen, geh vorher noch daheim zum sch... Also auf Häusl.“ Es kämen aber auch andere Slogans infrage, zum Beispiel: „Plane deine Reise zeitlich lang, denn manchmal kommst du gar nicht an.“

Tom Janoschi als Hausl muss ganz schön was wegputzen in der Stadt.
Tom Janoschi als Hausl muss ganz schön was wegputzen in der Stadt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Es knirscht also in der Stadt, was aber noch niemanden dazu gebracht hat,  sich für Höheres zu positionieren. Kein Wunder, es dauere schließlich noch bis zur Kommunalwahl, ein Jahr ist also noch Zeit für Sticheleien und parteipolitische Machtspielchen. Da fließe noch viel Wasser die Loisach runter - oder die ein oder andere Sturzflut durch den Bergwald. Aber: Sei erst einmal die Marktstraße richtig überflutet, dann könnte eine Idee von Alfred Fraas endlich verwirklicht werden: ein Shuttlefloß durch Wolfratshausen.

Noch einmal Bergwald: Was ist denn eigentlich mit der dortigen Bühne? Warum der Verein LAW diese unbedingt erhalten wolle, war dem Hausl schon klar: „Die haben sich gedacht, die Kosten für einen Abbruch kann man auch getrost in einen Wiederaufbau stecken. Immerhin sprechen wir hier von gut 50 000 Euro.“ Die Logenplätze der beiden Rentner übrigens waren gar nicht auf der gammeligen Bergwaldbühne. Die hatte ihnen die Seniorenbeauftragte Ulrike Krischke besorgt - die sei „unsere Bürgermeisterin - die Bürgermeisterin der Senioren-Herzen“, seufzten die beiden.

Starkregen? Sturzfluten? Nichts Schlimmes ohne auch was Gutes. Die Stadt ist schließlich mächtig im Fluss, da ließe sich die Gelegenheit vielleicht für ein Shuttlefloss durch die Stadt wahrnehmen ...
Starkregen? Sturzfluten? Nichts Schlimmes ohne auch was Gutes. Die Stadt ist schließlich mächtig im Fluss, da ließe sich die Gelegenheit vielleicht für ein Shuttlefloss durch die Stadt wahrnehmen ... (Foto: Hartmut Pöstges)

Das führte die Gruppe zu einem Galopp der Einordnungen der lokalpolitischen Lager, zumal es noch verdächtig ruhig sei um etwaige Bürgermeisterkandidaten. Nur die Bürgervereinigung habe längst ihren Kandidaten nominiert: „Der Neue ist der Alte“ - genau wie bei der CSU. Der Rest aber halte sich bedeckt: Der SPD seien „Parteispielchen, ständiges Vertragen und Verhindern egal, Hauptsache sie“. Die CSU sei für ganz was anderes, die Grünen seien sowieso grundsätzlich dagegen, die Bürgervereinigung sei nur für ihren Klaus und die Wolfratshauser Liste leide an altersbedingter Sturheit. Nicht zu vergessen, die Ein-Mann-Partei FDP.

Ein Rad, ein Rad, ein Königreich für ein Rad. Damit ließe sich die Innenstadt womöglich stromsparend beleuchten, wenn der Grünen-Stadtrat eh schon fährt: Markus Auer als Hans Schmidt (li.) und Tobias Zengerle als Patrick Lechner.
Ein Rad, ein Rad, ein Königreich für ein Rad. Damit ließe sich die Innenstadt womöglich stromsparend beleuchten, wenn der Grünen-Stadtrat eh schon fährt: Markus Auer als Hans Schmidt (li.) und Tobias Zengerle als Patrick Lechner. (Foto: Hartmut Pöstges)

Patrick Lechner (Tobias Zengerle), fristet als einziger FDP-Vertreter im Stadtrat ein einsames Dasein und würde eigentlich die Sitzungen gerne live streamen lassen  - ohne Erfolg bei seinen Ratskollegen. Dennoch deutete er seine einsame Position um in das royal anmutende „Patrick, der Erste“, der „Ideen und Innovationen bringe, die den Stadtsäckel rehabilitierten“ - was bei den grantelnden Rentnern auf wenig Glaube stieß: „Des kimmt vom Cannabis legalisieren.“

Teil der Konsolidierungs-Ideen von Lechner war der Grüne Stadtrat Hans Schmidt, der auf seinem Solar-Fahrrad vorbeiradelte. Die komplette Marktbeleuchtung könnte eigentlich klimafreundlich und energiesparend abgeschaltet werden. Stattdessen fahre eben Schmidt mit seinem Rad durch die Altstadt - immer hübsch rundherum - und beleuchte diese so.

Pfiffen es von den Dächern: die Bergwaldspatzen.
Pfiffen es von den Dächern: die Bergwaldspatzen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Auch die Nachbarstadt Geretsried blieb nicht von Spott verschont. Die ewige Diskussion um die S-Bahn-Verlängerung und Bürgermeister Michael Müllers Träume von einem eigenen Kfz-Kennzeichen sorgten für Lacher: „GER ist schon vergeben, GRD klingt wie ein Ossikennzeichen, wie wäre es mit MGR? Müllers Geretsried?“.  Sogar eine noch größere Vision wurden aufgegriffen: Müller träume vielleicht davon, Bad Tölz den Titel Kreisstadt abzuluchsen? „Jetzt wird einiges klarer. Deshalb lässt er in Geretsried bauen auf Teufel komm raus. Er braucht noch mehr Einwohner.“

Saskia Demel als Pflegerin mit einem Kennzeichen für Geretsried, MGR, kurz für "Müllers Geretsried".
Saskia Demel als Pflegerin mit einem Kennzeichen für Geretsried, MGR, kurz für "Müllers Geretsried". (Foto: Hartmut Pöstges)

Am Ende aber stand ganz quadratisch, praktisch, eine Lösung für die prekäre Finanzlage Wolfratshausens von einem Touristen (Kurt Züge) präsentiert: Die Loisachstadt verkaufe ja ihre eigene Flößerschokolade. Stichwort Schokolade, da war doch was, da gibt es doch diesen Hype, und zwar um Dubai-Schokolade, von der ein paar Gramm schon mal für 15 Euro über den Ladentisch gehen. Also warum nicht auf diesen Zug aufspringen? Der Verkauf von „Wolfratshauser Dubai-Schokolade“ für 15 Euro pro Tafel könnte die fehlenden 300 000 Euro locker in die Stadtkasse spülen.

Hype, Hype, Hurra: Kurt Züge als Neubürger präsentiert die Wolfratshauser Dubai-Schokolade.
Hype, Hype, Hurra: Kurt Züge als Neubürger präsentiert die Wolfratshauser Dubai-Schokolade. (Foto: Hartmut Pöstges)

Trotz aller Scherze endete der Abend mit einem ernsten Appell. Die LBB lobte den Zusammenhalt der Bürger und Stadträte angesichts rechtsextremer Vorfälle in der Stadt. Das klare Statement: „Was die Zukunft auch bringt, Wolfratshausen bleibt bunt!“ Und: „Lieber Bürgermeister, lieber Stadtrat, denkt auch politisch bunt und rückt endlich mal zusammen.“

Klarer Appell am Ende: Es geht nur zusammen.
Klarer Appell am Ende: Es geht nur zusammen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Nach knapp einer Stunde sangen die Bergwaldspatzen ihr Schlusslied, Feuerzeuge wurden geschwenkt, das Publikum erhob sich zum Applaus für die Loisachtaler Bauernbühne und ihre Regisseurin Monika Schwenger.

Starkbierfest Wolfratshausen 2025 Song "mei o mei" (Video: Claudia Koestler / oh)

Liedtext „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“

Schon sehr lange Zeit, wohl noch 'ne Ewigkeit / kreisen Autos durch die Stadt, weil's keinen Parkplatz hat. / Irgendwie dacht' irgendwer, es muss ein Parkdeck her / das ist doch nicht so schwer. / Doch bisher ist nix passiert / Wir träumen von 'nem Parkdeck, / da wird nichts mehr diskutiert.

Ihr werdet seh'n, ein cooles Parkdeck wird entsteh'n / irgendwie, irgendwo, irgendwann / das kommt bestimmt / wie viel Zeit auch noch verrinnt, irgendwie, irgendwo, irgendwann.

An einem fernen Tag / beim zwölften Planvorschlag / stimmen alle endlich zu / und dann geht es im Nu / irgendwie packt irgendwann irgendwer die Sache an / doch dauert's wohl noch lang. / Viele Male wurd' gedacht / wir kriegen unser Parkdeck / doch es kommt nicht über Nacht.

Man hat bis jetzt viel Kohle / in den Sand gesetzt / irgendwie, irgendwo, irgendwann / fragt doch den Fraas, der weiß zu allem immer was / irgendwie, irgendwo, irgendwann.

Man braucht nur Mut / und ein Geldscheißer wär' gut / irgendwie, irgendwo, irgendwann. Dann wird's entsteh'n / wie viele Jahre auch vergeh'n / irgendwie, irgendwo, irgendwann. Ihr werdet seh'n, ein cooles Parkdeck wird entsteh'n, irgendwie, irgendwo, irgendwann. Das kommt bestimmt, wie viel Zeit auch noch verrinnt / irgendwie, irgendwo, irgendwann.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: