Gesundheit und Aktivität im Alter:„Ich weiß jetzt, dass ich nicht die Einzige bin“

Lesezeit: 3 Min.

Die Seniorenmesse in der Loisachhalle Wolfratshausen lockte mit vielfältigen Informationen und Angeboten zahlreiche Besucher an. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Auf der Wolfratshauser Seniorenmesse dreht sich vieles um Hilfsangebote für Ältere, aber auch darum, möglichst lange fit zu bleiben. Die Besucher lernen, wie wichtig Vernetzung ist.

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Reden hilft. Das ist gerade Lebenspartnern oder Angehörigen, die Familienmitglieder pflegen oder unterstützen, noch viel zu wenig bewusst. Wie wichtig daher Veranstaltungen wie die Wolfratshauser Seniorenmesse sein können, zeigt sich am Samstagmittag ganz beispielhaft am Stand der Alzheimer Gesellschaft Isar-Loisachtal. Eine Frau hat sich gerade mit Schriftführerin Gabi Strauhal minutenlang über ihre demenzkranke Mutter unterhalten, um die sie sich kümmert, und klingt danach erleichtert. „Ich weiß jetzt, dass ich nicht die Einzige bin“, sagt sie und kündigt an, auf jeden Fall zu einem der nächsten Stammtische für pflegende Angehörige zu kommen. Die organisiert die örtliche Alzheimer Gesellschaft immer an den letzten Donnerstagabenden im Monat ab 18.30 Uhr im Geltinger Café Servus.

Im konkreten Fall sitzt die Mutter am liebsten allein auf dem Sofa in ihrer Wohnung. Die Seniorin im Alter von Anfang 80 will nicht mitkommen, wenn die Tochter sie zu Einkäufen oder Ausflügen mitnehmen will. Die Frau lehnt Hilfsmittel ab oder fragt viele Male hintereinander das Gleiche. Das sei psychisch belastend und anstrengend, so die Angehörige. Sichtlich hadert sie damit, ihre Mutter inzwischen zu kaum etwas bewegen zu können.

„Demenzerkrankte leben in ihrer eigenen Welt“, so Strauhal

Laut Strauhal lasse sich eben niemand zu seinem Glück zwingen. Gerade Angehörige müssten ihre Erwartungen reduzieren. „Demenzerkrankte leben in ihrer eigenen Welt“, sagt sie. Es sei wichtig, die Betroffenen nicht mit ihren Defiziten zu konfrontieren. Solange sich ihre Mutter nicht selbst gefährde, sei es vollkommen in Ordnung, wenn diese lieber in ihrer Wohnung bleiben wolle.

Weil die Bevölkerung generell altert, werden Hilfsangebote aller Art immer wichtiger. Daher zählen insbesondere Demenzerkrankungen auf der Wolfratshauser Seniorenmesse zu den Hauptthemen. So stellen auch die Malteser ihr Café Malta für Menschen mit beginnender Demenz am Wolfratshauser Untermarkt oder ihren Besuchs- und Begleitungsdienst für Senioren vor, die ein wenig Unterstützung brauchen. Aussteller informieren über Angebote der Tagespflege bis zu naturnahen Beerdigungen.

Gleichzeitig sind die heutigen Senioren wohl insgesamt eine der aktivsten Generationen. Unter den um die drei Dutzend Ausstellern finden sich daher zahlreiche, die beraten, wie ältere Menschen möglichst lange aktiv bleiben können. Das reicht bis zu den Computersenioren Bad Tölz-Wolfratshausen, die ältere Menschen unterstützen, das Internet und computergestützte Kommunikationsmedien möglichst breit bis hin zum Kontaktaustausch nutzen zu können.

Wer sich am Samstag und damit dem nach Freitag zweiten Tag der Seniorenmesse in der Loisachhalle umhört, erfährt von intensiven Gesprächen und vielen Besuchern. Oder etwa von Café-Malta-Leiterin Cathrin Pötzl, wie dringend Organisationen wie die Malteser für ihre Angebote Ehrenamtliche suchten.

Die Arbeitsagentur informiert über Berufstätigkeit im Rentenalter

Rat findet zudem, wer noch in höherem Alter beruflich aktiv sein will. In Zeiten des Fachkräftemangels werde die ältere Generation im Rentenalter zu einer immer wichtigeren Ressource, sagt Udo Kohnen, der die Geschäftsstelle der Rosenheimer Agentur für Arbeit in Bad Tölz leitet. „Viele Leute möchten oder müssen noch weiterarbeiten oder beides zusammen.“ Wie sich das auf die Rente, Krankenversicherung oder Steuern auswirke, wollten viele wissen. Auf der Seniorenmesse hätten er und sein Team schon einige interessante Gespräche geführt, etwa mit einer 75-jährigen Friseurmeisterin, die noch berufstätig sei, im Salon die Rolle mit ihrer einstigen Angestellten getauscht habe, die nun ihre Chefin sei.

Manche nutzen die Seniorenmesse aber auch als Multiplikatorforum. Eine 74-jährige Münchnerin fragt etwa bei den Ausstellern an, ob sie ihren Flyer für die Wohnungssuche auslegen darf. Ihr ist wegen Eigenbedarf gekündigt worden, die finanziellen Spielräume für die Miete seien begrenzt. Schon zwei Jahre suche sie vergeblich, sagt die alleinstehende Seniorin.

Zu den Ausstellern zählt ebenso der Wolfratshauser Verein Bürger für Bürger. Mit Angeboten wie der Freizeitbörse für gemeinsame Ausflüge oder dem Seniorentreff mit Sport- und Theatergruppen bietet der Verein Raum für soziales Miteinander. „Im Alter etwas gegen die Einsamkeit zu tun, ist wichtig“, sagt die Vorsitzende Eva Rühling. Ganz aktuell hat der Verein für das Projekt „Gemeinsam gegen Einsamkeit und Not in Alter“ Spenden gesammelt. So könne „Bürger für Bürger“ ab Oktober Menschen mit geringem Finanzbudget unterstützen, denen zum Monatsende etwa das Geld zum Einkaufen oder bei der Zuzahlung von Medikamenten fehle.

Selbst Schnürsenkelbinden kann im Alter herausfordernd werden

„Ich finde toll, wie das alles von der Stadt organisiert wird“, sagt eine Frau Ende 40. Sie ist mit ihrem Sohn zur Seniorenmesse gekommen, berichtet, dass ihre Schwiegermutter pflegebedürftig sei. Die Wolfratshauserin lässt sich von René Schoeffel vom Unternehmen SD & C in einen mit eingelegten Gewichten 17 Kilogramm schweren Anzug helfen, der die Beeinträchtigungen des Alters simuliert. Manschetten an den Gelenken machen es schwerer sich zu bewegen. Durch eine Spezialbrille lässt sich nur verschwommen und gelbstichig sehen. Damit wird es schon herausfordernd, die Schnürsenkel des Turnschuhs zu binden. Nur unscharf zu sehen, habe sie sehr irritiert, sagt die Wolfratshauserin. Insbesondere Kinder sollten aber wissen, wie beeinträchtigt sich etwa ihre Großeltern ohne Hilfsmittel fühlten.

Per Simulationsanzug kann man als junger Mensch oder pflegender Angehöriger erleben, wie beschwerlich selbst einfache Dinge wie Schuhe binden oder Geld abzählen im Alter sein kann. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Mehr Offenheit der Generationen, aufeinander zuzugehen, wünscht sich ein weiterer Besucher. Gerade Ältere sollten sich nicht in ihrer Wohnung verkriechen und Hilfsangebote nutzen und annehmen, sagt er.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: