Die Raritätenstube am Wolfratshauser Obermarkt ist eine Fundgrube für alle, die besondere Gegenstände mit einer besonderen Geschichte suchen. Wer dort durch die Gänge voller Porzellan, Besteck, Gemälde, Lampen, Möbel, Bücher und anderer mehr oder weniger preziöser Dinge stöbern will, muss sich aber beeilen: Denn Fritz und Ingrid Schnaller geben den Laden, der seit 45 Jahren zur Wolfratshauser Altstadt gehört, zum Jahresende auf. Bis dahin gibt es im Räumungsverkauf Nachlass auf die rund 7000 Raritäten, die sich dort angesammelt haben.
„Irgendwann ist es Zeit“, begründet Fritz Schnaller die Entscheidung. Zwar sei er seit mehr als zehn Jahren nur noch der „Alt-Praktikant“ im Laden, sagt der 78-Jährige lächelnd – Geschäftsführerin ist seine Ehefrau Ingrid. Nun wollten sie jedoch gemeinsam auch mal spontan verreisen oder in die Berge fahren und für längere Zeit die Enkel besuchen, die mit seiner Tochter in Norwegen leben. „Ich bin jetzt seit 62 Jahren in einem Arbeitsverhältnis“, sagt Schnaller. Es sei also Zeit für „ein bisschen Freiheiten“.
„An jedem Stück hängt auch ein bisschen Herzblut.“
Schnaller, der mehr als 25 Jahre lang im Wolfratshauser Stadtrat war, hatte sein Amt dort erst kürzlich an seine 51-jährige Frau abgetreten, die ihm auf der SPD-Liste nachfolgte. Nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik wirkt die Geschäftsaufgabe plausibel. Dass sie allerdings nicht leichten Herzens erfolgt wird nach wenigen Minuten im Laden deutlich: Wenn Schnaller erklärt, dass die holzverkleidete Registrierkasse, die bei ihm im Gang steht, eine der ersten überhaupt war, die auch elektrisch lief, oder wenn er fast zärtlich eine Schäfergruppe aus Porzellan in die Hand nimmt, um den Manufakturstempel auf der Unterseite zu zeigen und dabei betont, dass sie nach mehr als 200 Jahren völlig unbeschädigt sei, leuchten seine Augen. „An jedem Stück“, sagt er, „hängt auch ein bisschen Herzblut.“

Diese Liebe zu den schönen alten Dingen hat ihn einst zum Antiquitätenhändler werden lassen. „Ich bin aus Leidenschaft in diesem Beruf gekommen“, sagt Schnaller. 1979 entschied sich der Sammler, seine bis dahin erfolgreiche Karriere im Großanlagenbau bei Linde gegen einen eigenen Laden in der Wolfratshauser Altstadt zu tauschen. Angefangen habe er in einem dunklen ehemaligen Heizungsraum des Haderbräu, an zweieinhalb Tagen pro Woche, erinnert sich Schnaller. Der rasche Erfolg habe ihn dann doch überrascht. „Nach nicht einmal zehn Wochen war ich ausverkauft. Es war fast peinlich.“
Das Erfolgsrezept seines Ladens erklärt sich der 78-Jährige so: „Jedes Produkt erzählt eine Geschichte, wo es herkommt, wie es handwerklich hergestellt wurde und so weiter. Und diese Geschichte erzählen wir unseren Kunden. Oft auch mehrmals, wenn sie nachfragen, weil sie es nicht vergessen wollen.“ Einen Großteil des Umsatzes mache die Raritätenstube mit Kunden aus ganz Deutschland. Viele hätten seinen Laden im Urlaub entdeckt, erzählt Schnaller, und kämen jedes Jahr wieder, um sich mit Weihnachtsgeschenken einzudecken. Seine Sachkenntnis und Wertschätzung habe auch immer wieder für Nachschub gesorgt. Sammler brächten ihre Nachlässe vorbei, wenn sie ins Altersheim müssten, berichtet er. „Die Aussage ist: Sie müssen schauen, dass Sie Leute finden, die wieder Freude haben an den Dingen.“

Dass Fritz Schnaller diesen Auftrag auch in seinen letzten Händlertagen noch ernst nimmt, zeigt sich, als er mitten im Räumungsverkauf einer Kundin noch ein paar Porzellanteile der Marke Rosenthal abkauft. Auch wenn er ihr einen eher symbolischen Betrag anbietet, willigt die Dame ein. „Meine Frau und ich betreiben das aus Gründen der Nachhaltigkeit“, erklärt ihr Schnaller. „Die Leute schmeißen alles weg und kaufen dann Made in China. Das kann nicht sein!“
In Schnallers Regalen gibt es auch noch Dinge, an denen heute weit weniger Menschen eine Freude haben als in den Anfangsjahren des Geschäfts: ein paar antike Porzellanpuppen zum Beispiel, die vor 30 Jahren noch ein Vermögen brachten, deren Sammlerinnen aber zur aussterbenden Art gehören. Oder ein paar schöne gebundene Bücher, für die sich laut Schnaller kaum noch jemand interessiert. „Früher hatte ich den ganzen Flur voller Bücherregale und 40 bis 50 Bücherkunden, die alle zwei Monate kamen“, sagt er. „Jetzt habe ich keinen mehr.“
Hohe Qualität ist immer gefragt
Auch die Bauernschränke, die ihm einst noch von der Bordsteinkante weggekauft wurden, seien heute Ladenhüter. „Die Leidenschaft für alte Dinge obliegt gewissen Wellen“, weiß der 78-Jährige. Er ist sich aber sicher: „Dinge mit hoher Qualität, die einfach gut gemacht sind, werden immer gefragt sein.“
Von vielen Kunden muss sich Schnaller derzeit Beschwerden anhören – wegen der angekündigten Schließung. Wie es mit dem Laden danach weitergeht, kann er ihnen nicht sagen. „Schön wäre es, jemanden zu finden, der das Geschäft mit Herzblut weiterbetreibt.“ Kandidaten für die Nachfolge gebe es aber bislang keine. Aus eigener Erfahrung kann Schnaller allen Sammlern die Entscheidung, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen, nur empfehlen. „Ich hab’s keinen Tag bereut.“