Das Bauvorhaben, das die Kliniken des Bezirks Oberbayern (KBO) auf dem Grundstück des ehemaligen Forstamts an der Königsdorfer Straße realisieren wollen, ist nicht nur für den Klinikstandort Wolfratshausen wichtig, sondern auch für die seelische Gesundheit der gesamten Bevölkerung im Nordlandkreis: Zwei psychiatrische Tageskliniken - eine für Erwachsene und eine für Kinder und Jugendliche - sollen dort in einem großen, dreistöckigen Gebäude entstehen. Für beide Einrichtungen soll es zugehörige Ambulanzen geben, zur Tagesklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie zudem eine kleine Schule. "Mit den Tageskliniken bieten wir der Bevölkerung ein niederschwelliges Angebot", erklärt dazu KBO-Sprecherin Michaela Suchy. Bei frühzeitiger Nutzung mache dieses "einen späteren stationären Aufenthalt nicht oder zumindest nicht in jedem Falle erforderlich".
Die in Wolfratshausen geplanten Tageskliniken entsprechen den Planungsgrundsätzen des Bezirks Oberbayern, die 1981 gefasst und 2017 fortgeschrieben wurden. Ziel der KBO sei es, "Menschen mit einer psychischen Erkrankung möglichst ambulant, vor allem aber individuell und passgenau zu versorgen und neben der medizinischen Genesung die größtmögliche Selbstständigkeit und Teilhabe an der Gesellschaft zu erreichen", erklärt Suchy. Die Regionalisierung der Psychiatrie schreite kontinuierlich voran, mittlerweile gebe es mehr als 50 Standorte der KBO in Oberbayern. In Wolfratshausen und der näheren Umgebung sei bislang jedoch "keine angemessene Versorgung" gewährleistet. Für Erwachsene befänden sich die nächsten Einrichtungen in München, Rosenheim und Hausham. Für Kinder und Jugendliche gebe es zwar seit einigen Jahren eine Ambulanz des Heckscher Klinikums am Obermarkt. Diese allein sei aber "für die Versorgung der minderjährigen Bevölkerung in diesem Landkreis ebenfalls nicht ausreichend", so Suchy.
Die beiden neuen Einrichtungen an der Königsdorfer Straße sollen jeweils von KBO-Tochterunternehmen betrieben werden und den vom Freistaat für Wolfratshausen anerkannten Bedarf decken: Die Tagesklinik für Erwachsene mit 20 Plätzen realisieren die Lech-Mangfallkliniken, die für Kinder und Jugendliche das Heckscher Klinikum. Eine ähnliche Kooperation der beiden Häuser gibt es bereits in Landsberg am Lech. Die Tageskliniken sind für psychisch Kranke gedacht, für die eine ambulante Behandlung nicht mehr ausreichend, eine vollstationäre Aufnahme aber nicht erforderlich ist. Sie besuchen die Einrichtungen tagsüber von Montag bis Freitag und verbringen die übrige Zeit in ihrer gewohnten Umgebung.
Zum Behandlungsspektrum gehören laut KBO psychische Erkrankungen wie affektive Störungen (zum Beispiel Depressionen), Lernstörungen, ADHS, Essstörungen, Suchterkrankungen, akute seelische Lebenskrisen, Angst- und Zwangserkrankungen, Borderline-Störungen und psychische Erkrankungen im höheren Lebensalter, etwa Demenz. Neben psychiatrischer und psychosomatischer Therapie und Krankenpflege sollen Verhaltenstherapie, Einzel- und Gruppentherapien, Entspannungs- und Achtsamkeitstraining, Kreativtherapien, Angehörigen- und Familienarbeit sowie Elterngruppen und -training angeboten werden. Beim Personal rechnen die KBO mit zehn bis zwölf Vollkräften je Tagesklinik. Hinzu kommen die zwölf Angestellten der Wolfratshauser Kinder- und Jugendambulanz, die in die neue Einrichtung eingegliedert wird, sowie voraussichtlich zwei Lehrkräfte für die Schule. In der Ambulanz für Erwachsene plane man mit neun Vollkräften, sagt Sprecherin Suchy.
Das Großvorhaben kam kürzlich im Bauausschuss des Stadtrats auf den Tisch, weil für die Häuser der Bebauungsplan des Grundstücks geändert werden muss. Dem haben die Stadträte einmütig zugestimmt. Geplant ist die Einrichtung schon seit 2015, ursprünglich sollte sie aber auf dem Gelände der Kreisklinik entstehen. Im Zuge der Vertragsverhandlungen habe der Landkreis über den anstehenden Kauf des Forstamt-Grundstücks durch den Freistaat berichtet, erklärt KBO-Sprecherin Suchy. Ursprünglich hatte der Landkreis dort einen Neubau für die Realschule geplant gehabt, die derzeit saniert wird. Diese Pläne sind jedoch inzwischen obsolet. Bei den KBO weckte das Areal großes Interesse: "Bereits auf den ersten Blick stellte sich das Grundstück als optimal für die Realisierung der beiden Tageskliniken dar", sagt Suchy. Lage und Erschließung an der Bundesstraße seien "ideal", ebenso die Anbindung zum öffentlichen Nahverkehr. Die Patienten müssten schließlich jeden Morgen kommen und abends wieder heimfahren. Auch die Lage in einem Mischgebiet, die unmittelbare Nähe zum Schulzentrum und der Grundstückszuschnitt sprächen für den Standort, der auch in fußläufiger Entfernung zur Kreisklinik liegt.
Noch gehört das Grundstück dem Freistaat. Der Bezirk und die KBO seien derzeit in Verhandlung mit den Immobilien Freistaat Bayern, erklärt Suchy. "Es ist geplant, dass im ersten Quartal 2022 eine Grundstücksüberlassung stattfindet." Im kommenden Jahr sollen die Planung abgeschlossen und die Fördermittel beantragt werden. Der Baubeginn könnte dann im Spätherbst 2022 erfolgen. Nach etwa zweijähriger Bauzeit könnten die Tageskliniken im Sommer 2024 eröffnen. Höchste Zeit, wie Suchy sagt. Denn die Corona-Auswirkungen hätten die Wichtigkeit des Projekts noch einmal verdeutlicht. "Die Notwendigkeit, die beiden Tageskliniken schnellstmöglich zu errichten, hat sich in den vergangenen Monaten durch die Pandemie-Entwicklungen weiter verstärkt." Gerade in der Kinder- und Jugendpsychiatrie würden medizinische Leistungen immer mehr in Anspruch genommen.