Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft in Bad Tölz-Wolfratshausen:Mehr Baugrund, weniger Bürokratie

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Beim Neujahrsempfang im Krämmel-Forum fordern Unternehmer bessere Rahmenbedingungen von der Politik.

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Es war ein gesellschaftliches Ereignis mit Sekt und Buffet und zugleich eine Möglichkeit sich auszutauschen über die Auswirkungen der aktuellen internationalen Krisenlage. Dicht gedrängt im Wolfratsauser Krämmel-Forum nutzten Unternehmer aus dem Landkreis und Vertreter der Kommunalpolitik beim Neujahrsempfang 2023 am Montag die Gelegenheit zum Dialog über regionale Fragen. Ein großer Teil des gemeinsamen Abends der Industriegemeinschaft Geretsried (IGG), der Unternehmervereinigung Wirtschaftsraum Wolfratshausen (UWW), der IHK Oberbayern und des Landkreises war allerdings dem Ukraine-Krieg gewidmet, über den Stephan Bierling, Leiter des Fachbereichs Internationale Politik an der Universität Regensburg, knapp eine Stunde referierte.

Zuvor widmeten sich Reinhold Krämmel, Aufsichtsratsvorsitzender des Wirtschaftsforums Oberland, der Wirtschaftsreferent des Landkreises, Andreas Roß, und Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) den örtlichen Aspekten der Ökonomie. Mit Sorge schilderte Krämmel die aktuelle Lage auf dem Immobilienmarkt. Der Mangel an Baugrund sei längst präsent, "die Grundstückspreise gehen durch die Decke" und der Wohnungsbau sei "regelrecht zusammengebrochen", klagte er. Dazu komme die Inflation. Die Anforderungen an die Branche seien "knüppelhart", einige Unternehmen werden nach Krämmels Erwartung denn auch "auf der Strecke bleiben". Andererseits sieht Krämmel in Krisen auch "die einzige Möglichkeit für Wachstum". Die " Phase des Stotterns" werde jedenfalls schon bald vorbei sein, prophezeite er. Wichtig sei es nun, auch und gerade im lokalen Bereich, "dass die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schafft". Um alles andere kümmerten sich die Unternehmer dann schon selbst, sagte Krämmel unter allgemeinem Beifall.

Dass dies speziell auf dem Bausektor nicht so einfach sei, erklärte Landrat Niedermaier unter Bezug auf die Entwicklung von Gewerbegebieten. Wenn man auch nur einen Hektar für die gewerbliche Nutzung ausweisen wolle, habe man es schon mit erheblichen Widerständen zu tun. Solche Prozesse seien teuer. "Wir haben bei uns halt eine schöne Landschaft", seufzte Niedermaier, den daraus resultierenden gesellschaftlichen Konflikt könne auch er nicht einfach wegzaubern. "Ein Patentrezept gibt es dafür nicht", sekundierte Roß. Dennoch müsse es möglich sein, "dass sich Unternehmen im Landkreis entwickeln können". "Mobilitätsprobleme" sprach Niedermaier im Kontext mit Flüchtlingen an. Da müsse man "zu einer sachlichen Diskussion finden" und "an einem Strang ziehen".

Zum Thema Bildung und Ausbildung mahnte Krämmel an, die eigene Grundhaltung zu überdenken. Die Gesellschaft benötige dringend ein profundes Ausbildungssystem, das "auf mehreren Säulen" ruhe. Anders sei der Mangel an Fachkräften, Pflegepersonal und Akademikern nicht zu beheben. "Bildung ist planbar", erklärte Krämmel. So könne es beispielsweise nicht sein, dass weiterhin fertig ausgebildete Lehrer eingespart werden. Ein Anliegen ist Krämmel auch der Abbau von Bürokratie, der ungeachtet aller Versprechungen nicht stattfinde. Allein schon, wenn er all die komplizierten staatlichen Förderprogramme betrachte, "dann läuten bei mir alle Alarmglocken". Das seien allesamt "Bürokratiemonster".

Heftige Kritik übte der Politikprofessor Bierling am "Vernichtungskrieg" Russlands gegen die Ukraine, prangerte aber auch massive Fehler in der deutschen Außenpolitik an. Die "schrecklichste Fehlleistung" der Großen Koalition sei es gewesen, dass sie den Russen indirekt signalisiert habe, sie könnten einfach in die Ukraine einmarschieren. Einer "totalen Fehlkalkulation" sei aber auch Putin erlegen, sagte Bierling unter der Rubrik "Böse neue Welt". Der russische Präsident habe völlig verkannt, wie groß der Wille zu Freiheit und Selbstbestimmung in der Ukraine sei. Russland falle nun aufgrund des westlichen Embargos für viele Jahre als Wirtschaftspartner aus.

Bierlings engagiert vorgetragenes Referat wurde mit viel Beifall bedacht, aber auch mit einer kritische Anmerkung Krämmels. Dieser bedankte sich zwar für das "Feuerwerk an Gedanken", vermisste an dem Vortrag aber Perspektiven, wie ein Ende des Krieges auf dem Verhandlungsweg ermöglicht werden könnte. "Immer nur mehr Waffen, das löst die Probleme nicht."

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