Öffentliche Toiletten zu finden, das ist in vielen Kommunen schwer, insbesondere weil es nur so wenige gibt. In Wolfratshausen existieren derzeit beispielsweise nur zwei davon. Eine Sanitäranlage steht am Hatzplatz bei Lillis Stüberl, ist aber nur tagsüber – montags bis freitags jeweils von 8 bis 19 Uhr, am Samstag und Sonntag zwischen 8.30 beziehungsweise 9 und 19 Uhr – geöffnet. Die zweite öffentlich zugängliche Toilette ist jene im Rathaus (offen montags bis freitags zwischen 8 und 19 Uhr, am Samstag von 9 bis 14 Uhr, Sonntag geschlossen).
Ebenso existiert im Umkreis des S-Bahnhofs momentan keine Möglichkeit, sich zu erleichtern. Nachdem der Pächter des Fastfood-Restaurants McDonald’s ausgezogen ist, sind auch die öffentlichen Sanitäranlagen geschlossen. Die verantwortliche Deutsche Bundesbahn will die Toiletten erst wieder aufsperren, wenn sich ein neuer Pächter findet, der sich wie bisher um Instandhaltung und Reinigung kümmern soll.
Weil Abhilfe in Eigenregie zu schaffen für Kommunen zeitaufwendig ist und Investitions- und Pflegekosten hoch sind, setzt Wolfratshausen ab 2025 auf ein Alternativkonzept. Der Hauptausschuss des Stadtrats entschied kürzlich einstimmig, auf die Aktion „Nette Toilette“ zu setzen. An diesem Modell beteiligen sich bereits mehr als 380 Kommunen in Deutschland und der Schweiz.
Das Prinzip funktioniert so, dass Gastronomen und Ladeninhaber ihre Toiletten öffentlich zugänglich machen. Dafür zahlen die Kommunen eine monatliche Pflegepauschale. Im Gegenzug sollen die teilnehmenden Betriebe profitieren, wenn Nutzer zusätzlich in ihren Läden konsumieren. Zudem spart sich die Kommune so Kosten.
In der Wolfratshauser Innenstadt haben laut Stadtmarketing-Leiter Stefan Werner bislang bereits acht Gastronomen und Ladeninhaber in Aussicht gestellt, mitzumachen. Die Stadt zahlt jedem 50 Euro monatlich, um die Toiletten zu pflegen und zu warten. Bei acht Beteiligten macht das im Jahr 4800 Euro.
Für das Jahr 2025 ist ein Budget von 8000 Euro vorgesehen
Zusätzlich wird eine einmalige Lizenzgebühr in Höhe von knapp 1750 Euro an die Studioo GmbH in Aalen fällig. In der Stadt ist das Konzept „Nette Toilette“ entstanden. Obendrauf kommen noch die jährliche Nutzungsgebühr von knapp 175 Euro plus etwa 1280 Euro, um beispielsweise Aufkleber mit Logos und Flyer zu erstellen. Im ersten Jahr kostet das die Stadt Wolfratshausen voraussichtlich 8000 Euro, in den Folgejahren nur noch 5000 Euro, weil unter anderem die einmalige Lizenzgebühr entfällt.
Von der Anregung des Wirtschaftsreferenten Helmut Forster (Wolfratshauser Liste), das Konzept unter einem anderen Oberbegriff aufzugreifen,um sich so die Lizenz- und Nutzungsgebühr sparen zu können, riet Stadtmarketing-Leiter Werner ab. „Bei Reisenden ist die ’Nette Toilette’ durchaus ein Begriff“, entgegnete er. Wolfratshausen profitiere etwa, weil das Konzept bundesweit auf der Homepage des Anbieters beworben werde. „Die, die mitmachen, sehen den Vorteil, zusätzliche Kundschaft zu finden.“ Dafür bekämen die Betriebe eine kleine Aufwandsentschädigung.
Am Konzept „Nette Toilette“ soll sich auch die Tourist-Information am Untermarkt 10 in der Altstadt beteiligen. Von einer guten Idee sprach Grünen-Stadträtin und Dritte Bürgermeisterin Annette Heinloth. Ihr sei das System ein Begriff. Sie regte allerdings an, das ganze Stadtgebiet, etwa auch Waldram, einzubeziehen.
„Damit verkaufen wir uns als tourismusfreundliche Stadt“, so der Stadtmarketing-Leiter
„Es geht darum, uns als Tourismusstadt zu positionieren“, sagte Zweiter Bürgermeister Günther Eibl (CSU). Es handele sich um ein Geben und Nehmen zwischen der Stadt sowie den Gastronomen und Ladeninhabern. Die Stadt schließe für das Konzept „Nette Toilette“ keine Knebelverträge, so Eibl. Aus seiner Sicht sei es Werbung für Wolfratshausen, sich zu beteiligen. „Damit verkaufen wir uns als tourismusfreundliche Stadt.“
Die Standorte für öffentlich nutzbare Sanitäranlagen können Gäste digital über die deutschlandweite App und Homepage „Nette Toilette“ abrufen. Außerdem will die Kommune das Angebot auf der digitalen Stadtkarte für Einkaufen & Erleben unter www.mein-wolfratshausen.de veröffentlichen.
Kein Schaufenster für Wolfratshausen
Die Situation am S-Bahnhof bleibt eines der Sorgenkinder der Wolfratshauser Kommunalpolitik. So sprach Gerlinde Berchtold (SPD) in der jüngsten Sitzung im Bauausschuss der Stadt von einem „wahnsinnigen Müllproblem“. Innerhalb von zwei Wochen habe sich der Müll ihrem Augenschein nach verdoppelt, so die Stadträtin. Insbesondere die Tische bei der einstigen McDonald’s-Filiale seien voll von Plastik und Bechern. „Wir müssen da eine Lösung finden, auch wenn die Stadt Geld in die Hand nehmen muss“, mahnte Berchtold. Ihr Grünen-Stadtratskollege Hans Schmidt schlug vor, unkonventionell vorzugehen und den Vorstand der zuständigen Sparte der Deutschen Bahn womöglich direkt zu kontaktieren. „Es geht um das Schaufenster von Wolfratshausen“, so Schmidt.
„Ich wäre bereit, dass die Stadt die Toiletten betreibt. Aber dafür brauche ich die Zustimmung der Bahn“, so Bürgermeister Klaus Heilinglechner (Bürgervereinigung Wolfratshausen). Vor Wochen habe er bereits versucht, Kontakt aufzunehmen, doch keine Antwort erhalten. Heilinglechner erklärte, es weiterzuprobieren. „Es ist leider Gottes zum Haareraufen.“ Gleichzeitig gebe es in Wolfratshausen aus seiner Sicht im Vergleich mit anderen Kommunen sogar viele Mülleimer. Trotzdem liege der Müll oft daneben. „Das kann ich nicht nachvollziehen“, so Heilinglechner.