Im Herzen der Loisachstadt:Ein Schmuckstück wird zum Publikumsrenner

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Was lange währt, wird auch mal schmuck: das neue Museum Wolfratshausen mit Tourist-Info und Kaffeehaus bei der Eröffnung im Februar. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das neue Wolfratshauser Museum ist am Freitag feierlich eröffnet worden. Am Wochenende lockten zahlreiche Aktionen Hunderte von Besucher an - und Hubert und Staller trugen einen Teil dazu bei.

Von Wolfgang Schäl und Veronika Ellecosta, Wolfratshausen

Was lange währte, ist nun endlich gut. Am Wochenende haben die kulturell interessierten Wolfratshauser wieder Besitz von ihrem weit mehr als runderneuerten Heimatmuseum ergriffen, nach zweieinhalbjährigen Umbauarbeiten, bei denen es an allerlei technischen Widrigkeiten nicht gemangelt hat; auch nicht an hitzigen Diskussionen über die Nutzung des historischen Gebäudes am Untermarkt 10. Feierlich eröffnet wurde das Museum am Freitag mit einem Festakt in der Loisachhalle. Am Samstag und Sonntag folgte ein Aktionswochenende mit Führungen, Vorträgen und Workshops bei freiem Eintritt. Nun besitzt die Stadt einen Publikumsmagneten, der geeignet ist, ein zusätzlicher kultureller Hotspot zu werden und Besucher von außen an die Loisach zu locken. Aus dem einstigen, durchaus liebenswerten Sammelsurium ist in lichtdurchfluteten Räumen eine Einrichtung entstanden, die nicht nur baulich und technisch, sondern auch museumspädagogisch modernsten Ansprüchen genügt.

Bürgermeister Klaus Heilinglechner schnitt das Band durch. (Foto: Harry Wolfsbauer)

"Wir Wolfratshauser sind dafür bekannt, uns Entscheidungen nicht leicht zu machen. Das war auch damals beim Stadtarchiv so. Und auch dieses Mal lagen viele Wünsche und Anregungen auf dem Tisch und der Kostenvoranschlag hat uns Bauchschmerzen bereitet", sagte Klaus Heilinglechner, Bürgermeister der Stadt Wolfratshausen (BVW) bei seiner Eröffnungsrede in der Loisachhalle. Aber das Museum gebe der reichen Geschichte der Stadt nun einen würdigen Namen und einen Ort, der Geschichte zeige und erzähle. Viele Wolfratshauser seien hier verwurzelt, und auch seine Familie wohne hier seit mehr als hundert Jahren: So lebe das Museum auch von den Exponaten, die die Bürgerinnen und Bürger dankenswerterweise zur Verfügung stellten. Heilinglechner lobte außerdem die gelungene Sanierung des Gebäudes: "Innen und außen ein Schmuckstück. Unser Museum ist ein glänzendes Entree der Marktstraße geworden." Einen besonderen Dank sprach er an Museumsleiterin Annekatrin Schulz aus, die "drei Jahre als Museumsleiterin ohne Museum mit Fingerspitzengefühl Exponate, Experten und Erwartungen zusammengebracht hat."

Vieles ist aussortiert, sodass sich der Eindruck verstärkt, dass jedes verbliebene Ausstellungsstück im Wert steigt

Manche Exponate aus dem alten Bestand sind dem Besucher noch vertraut, aber sie sind jetzt neu geordnet, sodass sich eine thematisch übersichtliche Struktur ergeben hat. Vieles ist aussortiert, sodass sich der Eindruck verstärkt, dass jedes verbliebene Ausstellungsstück im Wert steigt. Besonders augenfällig ist dieser Effekt im Erdgeschoss, wo in einem geräumigen Saal nur wenige Werke des Wolfratshauser Landschaftsmalers Felix Bockhorni hängen - so bewusst hat man sie bisher kaum jemals wahrgenommen, obwohl die Familie des Künstlers in Wolfratshausen doch tief verwurzelt ist. An Bockhorni erinnerte bislang nur eine unscheinbare Bronzetafel am Schwankl-Eck, nun trägt auch der Saal im Erdgeschoss des Museums seinen Namen und den seines Urenkels Franz Xaver Wallner, der die Sammlung, 120 Gemälde und Graphiken, der Stadt überlassen hat: "Wallner-Bockhorni-Kabinett" heißt der Raum jetzt.

Fest reserviert für den bodenständigen Wolfratshauser Künstler ist der Saal aber nicht: Teil des neuen, flexibel konzipierten Museumskonzeptes ist es, dass auch andere Ausstellungen und Veranstaltungen an dieser Stelle möglich sind. Im April etwa präsentiert der Fotoclub Wolfratshausen die Resultate seiner künstlerischen Arbeit, zum internationalen Flößertag sollen hier Versammlungen stattfinden, selbst Lesungen und Hochzeiten sind da im Erdgeschoss künftig möglich.

Floßmeister Josef Seitner erklärt im neu gestalteten Museum sein Handwerk. (Foto: Manfred Neubauer)

Dass der Flößerei im neuen Museum viel Raum zugemessen würde, war zu erwarten, schließlich ist sie wichtiger Bestandteil der Stadtgeschichte. Zu sehen ist das Modell eines Ruderbaums, eine "Flößerhack" und die traditionelle Fahne dieses identitätsstiftenden Wolfratshauser Berufsstandes. Um Fragen zu der einst gefährlichen und anstrengenden Arbeit zu beantworten, wurde der Weidacher Flößermeister Josef Seitner eingeladen. Dankbar durfte man registrieren, dass der nostalgische Geiger-Kolonialwarenladen nicht der Umgestaltung geopfert wurde.

Der nostalgische Geiger-Kolonialwarenladen ist weiterhin in Wolfratshausen zu sehen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Schwerpunkt des zweitägigen Eröffnungsprogramms war ein Vortrag über das Leben und die historischen Villen im Wolfratshauser Bergwald. Aus eigener Erfahrung konnte da Heidrun Opitz, die mit ihrem Mann die letzte historische Villa im Bergwald, das burgartig anmutende Schnellrieder-Anwesen, besitzt und bewohnt, die architektonischen Reize des zur Jahrhundertwende gepflegten Heimatstils schildern. Opitz ist Mitautorin der mittlerweile vergriffenen Publikation "Bürgertum und Bohème", die der Historische Verein Wolfratshausen 2005 herausgegeben hat. In ihrem fast einstündigen Referat wartete sie mit allerlei pikanten Anmerkungen zum lockeren Leben der damaligen Künstlerszene auf. In der Sommerfrische tauchten wieder bekannte Namen aus der Literaturszene der Jahrhundertwende auf, darunter Rainer Maria Rilke, der sich damals mit der weltläufigen Lou Andreas-Salomé in der Villa Lutz vergnügte. Die war und ist freilich nur ein kleines Häuschen oberhalb der Stadtpfarrkirche. Das dicht gedrängt stehende Publikum nahm die leisen erotischen Anspielungen jedenfalls mit freundlichem Schmunzeln zur Kenntnis.

"Wenn alte Gebäude, die Teil der Identität eines Ortes sind, wieder in Funktion gesetzt werden, hat das einen Wert für die Bevölkerung."

Insgesamt sechs Fördermittelgeber unterstützten das Projekt, drei Vertreter waren auf der Eröffnungsfeier anwesend und sprachen ein Grußwort. "Bei uns geht es immer um die Sanierung von öffentlichem Raum. Wenn alte Gebäude, die Teil der Identität eines Ortes sind, wieder in Funktion gesetzt werden, hat das einen Wert für die Bevölkerung", sagte Ralph Imhof, Sachgebietsleiter für Städtebau und Bauordnung bei der Regierung Oberbayern, die für die Sanierung des Museums 1,7 Millionen Euro an Förderungen bereitgestellt hatte. Das neue Stadtmuseum sei aber erst der Anfang, fügte er hinzu: "Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, wo es um den Stadtkern geht. Ihr habt die Marktstraße noch vor Euch, und ich hoffe, dass es ohne Schwierigkeiten weitergeht."

Vertreter aus Politik, Kirche und Stadt in der ersten Reihe der Loisachhalle, wo der Festakt am Freitag stattfand. (Foto: Harry Wolfsbauer)

"Ein altes Haus in der Innenstadt bekommt neues Leben und belebt damit die Innenstadt. Was es heißt, wenn Leben aus der Innenstadt verschwindet, haben wir während Corona gesehen", sagte Ulrike Wolf vom Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, die den bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) vertrat und dessen Grüße ausrichtete. "Hätte er gewusst, wie viele von Ihnen heute da sind, hätte er alles beiseitegeschoben und wäre selbst gekommen."

Christoph Flügel von der Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern lobte bei seiner Laudatio, dass museale Maßstäbe in Bayern derzeit nicht in München, "sondern südlich davon gesetzt" werden. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Er habe einen Blick in die Akten geworfen und können die Wolfratshauser beruhigen, sagte Christoph Flügel von der Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern: Der Kritik, Wolfratshausen lasse sich Zeit, könne er nicht zustimmen. "Von Konzeption bis zur Umsetzung sind beim Museum Wolfratshausen nur zweieinhalb Jahre vergangen." Bayernweit liege der Schnitt bei sieben Jahren, er habe auch schon zehn Jahre lang eine Umsetzung begleitet. "Sie sind bayernweit durchaus an der Spitze dabei", lobte er. Flügel hob besonders die aktuellen Entwicklungen in der südbayerischen Museumslandschaft hervor, in die sich auch das Museum Wolfratshausen einreihe. "Die musealen Maßstäbe in Bayern werden derzeit nicht in München, sondern südlich davon gesetzt."

"Das Museum ist ein Ort für das Leben der Bürger und wie der Ort sie geprägt hat."

Eine Vorausschau gaben Museumsleiterin Annekatrin Schulz und Martin Melf, der das Referat für Bildung und Soziales leitet. Mit dem Museum wolle man offen und inklusiv sein, multimedial und damit alle Sinne ansprechen, aber auch traditionell: "Das Museum ist ein Ort für das Leben der Bürger und wie der Ort sie geprägt hat. Diese Geschichten wollen wir auch unterhaltsam erzählen", sagte Melf.

Da ist das Ding, bekannt aus dem Fernsehen: Hubert und Staller hatten ihr Dienstfahrzeug vor dem Museum geparkt und Neugierige konnten einen Blick riskieren. (Foto: Manfred Neubauer)

Hierbei hilft auch eine bundesweit erfolgreiche Unterhaltungssendung, die Wolfratshausen überregional bekannt macht: Hubert und/ohne Staller. Fast schon historisch ist der Streifenwagen der beiden einfältigen Lokalhelden, der am Aktionswochenende vor dem Museum Halt machte. Der uralte Audi sieht bei näherem Betrachten noch erstaunlich gut erhalten aus. Sogar das Blaulicht funktionierte sehr zum Vergnügen der Kinder, die obendrein sogar noch Stallers Dienstmütze aufsetzen durften. Der hat allerdings erkennbar einen wesentlich größeren Kopf. Selbst zugegen waren die begnadeten Ermittler leider nicht, wahrscheinlich gab es gerade einen Mord aufzuklären.

Maja (li.) und Johanna machen eine Sitzprobe im Dienstauto von Hubert und Staller. (Foto: Manfred Neubauer)

Am Ende der Eröffnungsfeier übergab Michael Müller, Bürgermeister der Stadt Geretsried, dem Bürgermeister von Wolfratshausen noch eine Kollektion von historischem Spielzeug aus Holz des Geretsrieder Herstellers Lorenz. "Das verbindende Element zwischen Geretsried und Wolfratshausen ist der Wolfratshauser Forst. Wie Wolfratshausen ohne Flößerei, ist Geretsried ohne dieses Holz nicht zu denken", erklärte er das ungewöhnliche Geschenk.

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SZ PlusNeueröffnung am Untermarkt 10
:Immer an der Loisach lang

Das neue Museum Wolfratshausen erzählt die Geschichte einer "Stadt am Fluss", wie Leiterin Annekatrin Schulz erklärt. Handwerk, Gewerbe, Flößerei und der Tourismus des 19./20 Jahrhunderts entwickeln sich nicht zuletzt wegen des Wassers.

Von Felicitas Amler

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