Wolfratshausen/München:Schrecklicher Knutschfleck

Ein heute 43-jähriger Mann aus dem Landkreis hat sich während der Beziehung zu einer Frau an deren beiden Töchtern vergangen. Vor dem Amtsgericht Wolfratshausen wird der psychisch kranke Angeklagte am Dienstag verurteilt. Die Haft bleibt ihm erspart

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen/München

Als ihre Mutter einen Freund hatte, wurde es bald schwierig für die damals 14-jährige Tochter. Nie wusste das Mädchen, wie der Mann aus dem Landkreis reagieren würde. "Er konnte total ausrasten oder lieb sein", sagte sie in der Videovernehmung, die am Dienstag in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Wolfratshausen abgespielt wurde. Die Jugendliche erzählte, wie der heute 43-jährige Mann, ständig mit ihr kuscheln wollte. Sie sagt, dass der Angeklagte ihr an die Brüste gefasst, ihren bekleideten Körper gestreichelt und ihr einmal sogar einen schmerzhaften Knutschfleck verpasst habe. Ihrer knapp drei Jahre jüngeren Schwester gab der Angeklagte einmal sogar einen Zungenkuss. Die Mutter der Mädchen zeigte den Mann schließlich an.

Eine Haftstrafe blieb dem Angeklagten erspart. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Urs Wäckerlin verurteilte ihn zu einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung. In vier Fällen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und Körperverletzung wurde er schuldig gesprochen. Der an der Borderline-Störung Erkrankte soll seine Therapie fortsetzen. Zudem muss er 200 Stunden Sozialdienste leisten.

Über das Internet hatte der Angeklagte die Mutter der zwei Mädchen im Sommer 2015 kennengelernt. Im Mai des Folgejahres begannen die Übergriffe, ehe sich die Mutter von dem Angeklagten im September 2016 endgültig trennte. In deren Wohnung passte der Angeklagte auch oft auf die Mädchen auf, während die Mutter arbeitete. Er half bei Hausaufgaben und kochte auch. Der Mann hielt sich aber auch in seiner eigenen Wohnung auf. Wie die Mädchen schilderten, sei der Mann während der Beziehung oft ausgerastet und laut geworden. Und das etwa nur, weil sie irgendetwas nicht aufgeräumt hätten.

Als Endpunkt eines harmlosen Spiels beschreibt das ältere Mädchen die Sache mit dem Knutschfleck. Mit Stiften hätten sie sich gegenseitig auf die Hosen geschrieben, sagt sie. Dann habe sie der Angeklagte auf den Boden geschmissen, festgehalten und ihr auf der rechten Seite den Knutschfleck verpasst. "Er ließ mich los und sagte, dass wäre eine Strafe", berichtet sie. Die Gedankengänge des Angeklagten seien oft schwer zu verstehen gewesen.

Unter den BH habe ihr der Mann gefasst, als er gemeinsam mit ihr, ihrer Schwester und ihrer Mutter im Bett schlief. Auf einmal sei er aufgesprungen und habe gesagt, etwas falsch gemacht zu haben. "Ich habe mich nicht getraut, es meiner Mutter sofort zu erzählen", sagt das Mädchen. Sie habe Angst gehabt, was er ihr noch antun könne. Erst später berichtete sie ihrer Mutter davon. Obwohl der Angeklagte das wollte, habe sie ihn nie in der Vaterrolle gesehen. Ihrer Mutter habe er in ihren Augen nicht gut getan. Ständig habe er diese herumkommandiert.

Die Schilderungen ihrer Tochter waren für die Mutter ein Schock. Nach der Trennung habe sie der Angeklagte gestalkt und ihr gedroht, schildert die heute 44-jährige Frau. Daher habe sie ihn auch bei der Polizei angezeigt.

Als einsichts- und steuerungsfähig bewertete ein Gutachter den Angeklagten. Er berichtete von Selbstmordversuchen des Mannes. Die raschen Affektumschwünge passten zur Borderline-Störung.

Auf der Anklagebank saß der Angeklagte mit gesenktem Kopf und blickt in Richtung Boden. Er selbst spricht nicht. Doch sein Verteidiger erklärt, dass sein Mandant alles einräume. Sexuell motiviert sei jedoch keine der Handlungen gewesen. "Es handelt sich um krankheitsbedingte Fehleinschätzungen und Übersprungshandlungen", erklärt der Verteidiger. Bei dem jüngeren Mädchen habe sich der Angeklagte zweifellos strafbar gemacht, weil es unter 14 Jahre alt gewesen sei. Bei der älteren Schwester sah der Verteidiger jedoch keinen sexuellen Missbrauch, allenfalls Nötigung, Körperverletzung oder Beleidigung auf sexuellem Hintergrund. Denn das Mädchen habe sich de facto nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Angeklagten gefühlt. Und darauf komme es für den Straftatbestand auch nach Urteilen des Bundesgerichtshofs an. Daher sei der Mann mit nicht mehr als einem Jahr auf Bewährung zu bestrafen.

Dieser Argumentation widersprach Richter Wäckerlin. Die beiden Kinder hätten sich ganze Nachmittage in der Nähe des Angeklagten befunden. Der Mann habe sich um beide gekümmert, nicht anders als in anderen Familien auch, in deren ein Elternteil arbeite. Dass sich das ältere Mädchen nichts mehr habe sagen lassen, sei in ihrem Alter ein ganz normaler Prozess. Das Schöffengericht habe die Sozialstunden angeordnet, weil es eine Auflage brauche, die das begangene Unrecht abgelte. Damit schloss sich das Gericht weitgehend dem Plädoyer der Staatsanwältin an und blieb nur einen Monat unter der von ihr geforderten Bewährungsstrafe.

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