Süddeutsche Zeitung

Mittelschule in Wolfratshausen:"Schmerzhafte Lücke" im System

Gegen die Entscheidung, dass es in Waldram keine Fünfte Klasse geben soll, sind 1200 Unterschriften gesammelt worden. Im Stadtrat rechtfertigen Bürgermeister, Rektoren und Schulamt den Beschluss.

Von Konstantin Kaip

Dass es an der Mittelschule Waldram im kommenden Schuljahr keine Fünfte Klasse geben soll, obwohl genug Anmeldungen vorliegen, können nicht nur die Mitglieder des Elternbeirats nicht nachvollziehen. 1200 Unterschriften wurden Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) überreicht, von Bürgern, die sich gegen die im Mai vom Ausschuss für Kultur, Jugend, Sport und Soziales gefällte Entscheidung aussprechen, dass die zwei Einstiegsklassen, die sich aus den insgesamt knapp 50 Anmeldungen in der Stadt ergeben, beide an der Mittelschule am Hammerschmiedweg gebildet werden sollen.

Der Beschluss habe "eine gewisse emotionale Welle ausgelöst", sagte Heilinglechner am Dienstag in der Stadtratssitzung, auf deren Tagesordnung er das Thema gesetzt hatte. Einen neuerlichen Beschluss, den der Elternbeirat gefordert hatte, gab es allerdings nicht. Stattdessen haben sich die betroffenen Rektoren, eine Vertreterin des Schulamts und der Bürgermeister viel Zeit genommen, den Stadträten und Zuhörern die Entscheidung zu erklären. Begründet wurde sie im Wesentlichen damit, dass zwei Klassen am Hammerschmiedweg den Schülern mehr Wahlmöglichkeiten für die berufsvorbereitenden Kurse in späteren Jahrgängen geben und die knapp bemessenen Lehrerstunden einsparen.

Frank Schwesig, Schulleiter am Hammerschmiedweg und Koordinator des Mittelschulverbunds Isar-Loisach für Wolfratshausen, Geretsried, Königsdorf und Dietramszell, legte zunächst die Zahlen vor. Demnach gibt es aktuell 23 Anmeldungen für eine Fünfte Klasse in Waldram und 24 für die Hammerschmiedschule. Warum es so wenige neue Mittelschüler gebe, lasse sich "nicht genau erklären", so Schwesig. "Es war ein sehr guter Jahrgang, das ist einfach so." Er gab aber zu bedenken, dass auch in den höheren Jahrgangsstufen, die in Waldram eine und am Hammerschmiedweg zwei Klassen hätten, die Gesamtzahl der Schüler insgesamt nie über 60 liege. Nach offiziellen Regularien, die eine Klassenteilung ab 30 Schülern vorsehen, sei also auch früher schon eine Zweizügigkeit möglich gewesen. "Eigentlich geben die Schülerzahlen auch in den Sechsten bis Neunten Klassen keine echte Dreizügigkeit her", bestätigte Ute Hübner vom Staatlichen Schulamt. Man habe aber im Verbund darauf geachtet, Waldram zu erhalten.

Als Hauptargument, nun beide Klassen am Hammerschmiedweg unterzubringen, führte Schwesig die berufsvorbereitenden Wahlfächer in den den späteren Jahrgängen an. Von der Siebten Klasse an können die Schüler zwischen Technik, Ernährung und Soziales oder Wirtschaft und Kommunikation entscheiden. Bei einer Klasse pro Schule bestehe Gefahr, dass Kurse wegen zu geringer Schülerzahl nicht zustande kommen. "Man stärkt die Mittelschule, indem man darauf achtet, das Kursangebot breit zu halten", sagte Schwesig.

Ein weiterer Hauptgrund seien die Lehrerstunden, die im Verbund grundsätzlich nach der Schülerzahl vergeben werden. "Wir kriegen pro Schülerkopf Stunden zugewiesen", erklärte Hübner. Kleine Klassen am einen Standort müssten daher mit größeren Klassen an anderen Schulen "wieder aufgefangen werden". Auch dies fällt laut Schwesig vor allem in den späteren Jahrgangsstufen ins Gewicht. Josef Märkl, Rektor in Waldram, erinnerte daran, dass der Verbund 2010 ins Leben gerufen wurde, "um die kleinen Schulen am Leben zu erhalten". Bei deren Bewertung gebe es "eindeutig eine Ambivalenz", sagte er: Einerseits seien kleine Klassen pädagogisch sinnvoll, andererseits verbrauchten sie viele Lehrerstunden. Zwar sei es "schwer zu vermitteln", dass in Waldram keine Fünfte Klasse zustande komme, wo die Anmeldungen doch reichten. Und auch für die Schulfamilie sei die Lücke "schmerzhaft". Aber: "Wir haben es schon auch dem Verbund zu verdanken, dass die Mittelschule Waldram für viele Eltern so attraktiv ist."

Die Redner in der Loisachhalle versuchten auch, die vom Elternbeirat in einem neuerlichen offenen Brief vorgebrachten Argumente gegen die zwei Klassen am Hammerschmiedweg zu entkräften. So gebe es dort zwar wegen der Schulerweiterung vom kommenden Jahr an eine Baustelle, sagte Heilinglechner. Die aber beeinträchtige den Unterricht der Mittelschüler kaum, da zunächst der Grundschul-Satellit südlich des Pausenhofs entstehe. Wegen des festen Kontingents an Lehrerstunden gebe es auch keine finanziellen Gründe für die Entscheidung, betonten Schwesig und Hübner. Und der offene Ganztag, den es zum neuen Schuljahr an der Hammerschmiedschule geben soll, komme auch ohne die Anmeldungen aus Waldram in den geplanten zwei Gruppen zustande, erklärte Fritz Meixner, Geschäftsführer des für den Ganztagsbetrieb zuständigen Kinder- und Jugendfördervereins.

Die Stadträte konnten die Gründe weitgehend nachvollziehen. Ulrike Krischke (Bürgervereinigung) regte jedoch an, die Schüler zunächst an beiden Standorten zu belassen und erst in der Siebten Klasse, wenn die ins Feld geführten Auswirkungen virulent werden, am Hammerschmiedweg zusammenzuführen. Diese Idee gefiel auch anderen, etwa der Dritten Bürgermeisterin Annette Heinloth (Grüne). Heilinglechner fand jedoch: "Das verschiebt das Problem nur nach hinten." Das Fazit der zweistündigen Debatte hatte der Waldramer Schulleiter Märkl schon zuvor gezogen: "Es ist schwierig, einen total gerechten Weg zu finden, der alle Bedürfnisse befriedigt."

Ob das Thema damit ausdiskutiert ist, bleibt jedoch fraglich. Schließlich findet in der Loisachhalle am 12. Juli die Wolfratshauser Bürgerversammlung statt. Die Waldramer Eltern könnten sich dann mit einem Antrag für eine Fünfte Klasse an ihrer Schule starkmachen.

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